Leitsatz (amtlich)

Der Besitz von Gegenständen zur Freizeitbeschäftigung darf wegen Gefährdung von Sicherheit und Ordnung der Anstalt nur versagt werden, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt, was von der Strafvollstreckungskammer in nachprüfbarer Weise festgestellt werden muss.

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Entscheidung vom 22.08.2003)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

 

Gründe

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 28. Juli 2003 hat der Betroffene die Aufhebung der Entscheidung der Justizvollzugsanstalt Bochum vom 25. Juli 2003 begehrt, mit der die Aushändigung einer Spielekonsole der Marke "Sony-Playstation 2" abgelehnt worden ist. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Bochum hat sich zur Begründung seiner Entscheidung auf den Erlass des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2. April 2002 berufen. Den gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruch des Verurteilten hat der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen mit Bescheid vom 5. August 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden:

"Die Ablehnung ist gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG gerechtfertigt, da der Besitz der beantragten Playstation eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt darstellt.

Das Gerät ist mit der Option einer mehrseitigen Textspeicherung ausgestattet. Dadurch würden Sie oder Mitgefangene in die Lage versetzt, Daten verschlüsselt oder unverschlüsselt derart zu speichern, dass Sie dem Zugriff und der Überprüfung des Vollzugspersonals entzogen sind. In versteckt angelegten Dateien können Fluchtpläne oder Informationen über Sicherheitsvorkehrungen der Anstalt gespeichert werden, die in einer geschlossenen Anstalt mit der Vollstreckungszuständigkeit der JVA Bochum für langstrafige Gefangene eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Ordnung bedeuten. Darüber hinaus stellt der Besitz des Geräts auch insofern eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt dar, als es bauartbedingt Hohlräume aufweist und damit Versteckmöglichkeiten für Gegenstände wie Rauschgift, Bargeld oder Kassiber bietet. Da das Gerät ohne Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit nicht versiegelt werden kann, würde es einen unvertretbar hohen Personal- und Zeitaufwand erfordern, um das Gerät auf versteckte Gegenstände hin zu überprüfen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung auch anderen Inhaftierten das Gerät bewilligt werden müsste, falls Ihrem Begehren entsprochen würde.

Es ist kein die Sicherheits- und Ordnungserfordernisse der Anstalt überwiegendes berechtigtes Interesse an der Aushändigung des Geräts erkennbar."

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum den Antrag des Betroffenen als unbegründet zurückgewiesen. Die Strafvollstreckungskammer hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt:

"Die Ablehnung des Antrags auf Zulassung einer "Play-Station II" ist rechts- und ermessensfehlerfrei erfolgt.

Die Ablehnung ist gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG begründet. Der Besitz einer "Play-Station II" gefährdet die Sicherheit und Ordnung der Anstalt.

Das Gerät besitzt die technische Möglichkeit einer mehrseitigen Textspeicherung. Der Antragsteller oder andere Gefangene wären somit in der Lage, verschlüsselte Daten zu speichern und so dem Zugriff und der Überprüfung durch das Vollzugspersonal zu entziehen. Zudem beinhaltet das Gerät baubedingte Hohlräume, die als Verstecke für Drogen, Kassiber und Ähnliches dienen können."

Die gegen diese Entscheidung gerichtete form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene eine Verletzung der Aufklärungspflicht rügt, ist zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung vom Senat zugelassen worden.

Das Rechtsmittel hat auch einen zumindest vorläufigen Erfolg, weil der Beschluss der Strafvollstreckungskammer an einem durchgreifenden Mangel leidet. Für das Verfahren in Strafvollzugssachen gilt der Grundsatz der - von Amts wegen zu erforschenden - "materiellen Wahrheit" (§ 120 StVollzG, § 244 Abs. 2 StPO). Dies bedeutet, dass die Strafvollstreckungskammer den Sachverhalt, von dem sie ausgehen will, selbst zu überprüfen hat und ggf., wenn die von der Anstalt getroffenen Tatsachenfeststellungen bestritten werden, selbst Beweis zu erheben hat (Senatsbeschluss vom 18. September 2001 - 1 Vollz (Ws) 183/01 -; OLG Frankfurt bei Bungert NStZ 1994, 380; Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 9. Aufl., § 115 Rdnr. 2). Denn gemäß § 120 StVollzG i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO ist die Strafvollstreckungskammer verpflichtet, zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bede...

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