Leitsatz (amtlich)

1. Liegt bei einer Volljährigenadoption ein Eltern-Kind-Verhältnis zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht vor, sondern ist dieses erst zu erwarten, muss ein familienbezogenes Motiv die geplante Entstehung des Eltern-Kind-Verhältnisses begründen.

2. Die Anforderungen an das Eltern-Kind-Verhältnis ändern sich nicht deswegen, weil Annehmender und Anzunehmender miteinander verwandt sind.

3. Eine intakte Eltern-Kind-Beziehung des Anzunehmenden zu seinen leiblichen Eltern kann im Rahmen der Gesamtwürdigung der Entstehung einer weiteren Eltern-Kind-Beziehung zu dem Annehmenden entgegen stehen.

 

Normenkette

BGB § 1741 Abs. 1 S. 1, § 1767 Abs. 1, 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Hamburg (Beschluss vom 02.12.2019; Aktenzeichen 271 F 54/19)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 2.12.2019 wird wie folgt abgeändert:

Die Annahme der N... W..., geb. am ... in Hamburg (Standesamt Hamburg-Fuhlsbüttel, Geburtsregisternummer ...) durch Herrn D... K... B..., geb. am ... in Kolberg, verst. am 17.10.2019, wird hiermit ausgesprochen (§§ 1767, 1770 BGB).

Die Angenommene trägt als Geburtsnamen den Namen B....

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin, hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

3. Der Verfahrenswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der 1940 geborene und im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens verstorbene Annehmende ist der Onkel der 1965 geborenen Anzunehmenden. Er ist alleinstehend und kinderlos. Die Großeltern der Anzunehmenden (mithin die Eltern des Annehmenden, im Folgendem nur noch die Großeltern), und die Eltern der Anzunehmenden, ihre etwa 10 Jahre jüngeren Schwester und die Anzunehmende lebten in zwei Doppelhaushälften nebeneinander in Hamburg. 1981 trennten sich die Eltern der Anzunehmenden. Die Anzunehmende und ihre Schwester blieben mit ihrer Mutter in der Doppelhaushälfte wohnen, der Vater zog aus. Der Annehmende lebte zu dieser Zeit in Kiel. Nach dem Tode der Großeltern im Jahr 1988 zog er in die zuvor von den Großeltern bewohnte andere Doppelhaushälfte. Die Anzunehmende zog mit etwa Mitte zwanzig aus der elterlichen Doppelhaushälfte aus und lebt seitdem in einer eigenen Wohnung in Hamburg. Sie und der Annehmende lebten etwa ein halbes Jahr nebeneinander in den beiden Doppelhaushälften. Auch ihre jüngere Schwester zog später aus der elterlichen Doppelhaushälfte aus, kehrte nach dorthin aber vor etwa 5 Jahren zurück. Der Vater der Anzunehmenden verstarb 2011. Die Anzunehmende hat zwei Kinder (geb. 1993, 1995). Die Ehe mit ihrem Mann wurde 2000 geschieden.

Die familiäre Nachlassplanung wurde so gestaltet, dass nach dem Tode der Großeltern die Mutter der Anzunehmenden einerseits und der Annehmende anderseits jeweils eine Doppelhaushälfte erhielten. Nach dem Tode der Elterngeneration ist vorgesehen, dass die Anzunehmende die Doppelhaushälfte des Onkels (= Annehmenden) erhält und die Schwester der Annehmenden die Doppelhaushälfte der Mutter. Dementsprechend ist die Anzunehmende vom Annehmenden auch testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt worden und hat ihn entsprechend nach seinem Tode am 17.10.2019 auch beerbt (Testament v. 24.8.2016, Anlage Bf. 1). Die Mutter der Anzunehmenden hat ihrerseits noch keine letztwillige Verfügung getroffen und die Anzunehmende auch noch keinen Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht erklärt.

Mit notarieller Erklärung vom 12.3.2019 beantragten die Anzunehmende und der Annehmende den Ausspruch der Annahme der Anzunehmenden als Kind des Annehmenden. Der Ausspruch der Adoption sei sittlich gerechtfertigt, weil zwischen Anzunehmender und Annehmendem über die Jahre, bereits beginnend in der Kindheit der Anzunehmenden, ein sehr enges persönliches Verhältnis entstanden sei, welches einem Eltern-Kind-Verhältnis entspreche.

Die Kinder der Anzunehmenden sind durch das Familiengericht angehört worden und haben keine Einwände gegen den Ausspruch der Adoption erhoben.

Das Familiengericht hat den Annehmenden und die Anzunehmende am 10.10.2019 persönlich angehört. Beide haben im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung nochmals ihren gemeinsamen Adoptionswunsch bekräftigt und auf das enge persönliche Verhältnis zueinander verwiesen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll vom 10.10.2019 (Bl. 45 ff. d.A.) verwiesen.

Der Annehmende ist am 17.10.2019 verstorben.

Mit Beschluss vom 2.12.2019, der Anzunehmenden am 4.12.2019 zugestellt, hat das Familiengericht den Antrag auf Ausspruch der Adoption abgelehnt. Es fehle an der gem. § 1767 Abs. 1 BGB notwendigen sittlichen Rechtfertigung. Zwischen den Beteiligten bestehe zwar ein enges und herzliches Vertrauensverhältnis. Dieses weise aber keine Züge auf, die es in die Nähe eines Eltern-Kind-Verhältnisses bringen und sich daher von einem gut gepflegten Verwandtschaftsverhältnis unterscheiden würde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Anzunehmende nach der Trennung ihrer Eltern weiterhin Kontakt auch mit ihrem Vater ge...

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