Entscheidungsstichwort (Thema)

Urheberrechtliches Zitatrecht kann auch umfangreiche schriftliche Zitate eines mündlichen Vortrags decken

 

Leitsatz (amtlich)

Hält ein Autor eine frei zugängliche Vorlesung, können auch umfangreiche Zitate aus dieser Rede innerhalb einer sich mit dieser Vorlesung auseinandersetzenden Berichterstattung zulässig sein. Die Voraussetzungen für die Rechtfertigung von Zitaten nach § 51 UrhG sind über die gesetzlichen Anforderungen hinaus nicht davon abhängig, ob das in öffentlicher Rede gehaltene Sprachwerk vor der Zitierung schrifltich erschienen ist. Das gilt auch, wenn das Sprachwerk die Intimsphäre des Urhebers betrifft.

 

Normenkette

UrhG § 51

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.09.2018; Aktenzeichen 2-06 O 195/18)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Zu dieser Entscheidung gibt es eine Pressemitteilung auf der Webseite des OLG (www.olg-frankfurt-justiz.hessen.de).

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 5.9.2018 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (AZ.: 2-06 O 195/18) abgeändert. Der Beschluss - einstweilige Verfügung - vom 17.5.2018 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Eilverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 30.000,- EUR (§ 3 ZPO).

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt, der Antragsgegnerin die Veröffentlichung verschiedener wörtlicher Wiedergaben aus einer von ihm gehaltenen Vorlesung zu untersagen.

Der Antragsteller, der Schriftsteller ist, hielt im Rahmen seiner Gastdozententätigkeit an der Universität in Stadt1 am XX.XX.2018 eine auch für eine literarisch interessierte Öffentlichkeit frei zugängliche Vorlesung. Am Tag nach der Vorlesung berichtete die Antragsgegnerin, ein Presseunternehmen, das das Onlinemedium "(...).de" betreibt, über den Vortrag des Antragstellers (Anlage AS1, Bl. 10ff. d.A.). Der Artikel enthielt neun Zitate, die die vom Antragsteller in der Vorlesung verwendeten Worte wiedergeben.

Auf Antrag des Antragstellers untersagte das Landgericht mit Beschluss vom 17.5.2018 die Vervielfältigung und Verbreitung der Zitate. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin bestätigte das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil die einstweilige Verfügung.

Diese Entscheidung hat das Landgericht wie folgt begründet: Dem Antragsteller stehe der Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG zu.

Jeder der streitgegenständlichen Teile der Vorlesung sei ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk.

Bei den Textpassagen handele es sich um rechtswidrig hergestellte Vervielfältigungsstücke des Werks. Die Kammer sei überzeugt, dass die Anfertigung des Artikels nicht ohne technische Hilfsmittel bewerkstelligt, sondern der Vortrag insgesamt auf einem Tonträger digital oder analog aufgenommen worden sei, bevor dann Passagen in den Artikel eingegliedert und dieser zur Veröffentlichung an die Antragsgegnerin weitergeleitet worden sei. Nur so sei eine wörtliche Wiedergabe solch umfangreicher Passagen möglich gewesen. Diese Vervielfältigung sei ohne Zustimmung des Antragstellers erfolgt, da dieser mehrfach darauf hingewiesen habe, dass eine Aufnahme der Vorlesung nicht erlaubt sei, und sie sei auch nicht durch § 51 UrhG gedeckt. Die Antragsgegnerin habe durch die Veröffentlichung des Artikels den rechtswidrig hergestellten Mitschnitt iSv § 98 UrhG weiter verbreitet.

Die Textpassagen im Artikel seien keine Zitate iSv § 51 UrhG. Der Antragsteller habe den Text der Zitierbarkeit entzogen, indem er das Sprachwerk nicht verkörpert habe, sondern es der Öffentlichkeit lediglich in freier Rede zugänglich gemacht habe. Da nach § 11 UrhG die geistige und persönliche Beziehung des Urhebers zu seinem Werk geschützt werde, dementsprechend gemäß § 12 UrhG der Urheber bestimme, ob und in welcher Form sein Werk veröffentlicht werde, weiter gemäß § 201 StGB, § 823 Abs. 1 BGB iVm Art. 1 und 2 GG die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes geschützt werde, müsse aufgrund der absoluten Ausgestaltung des Urheber(persönlichkeits)rechts respektiert werden, wenn ein Urheber - wie hier der Antragsteller - gemäß § 12 Abs. 1 UrhG bestimme, dass sein Werk nicht körperlich festgelegt werden solle. § 51 Satz 2 Satz 2 UrhG sei einschränkend dahin auszulegen, dass das Zitat eines gesprochenen, bei seiner Erstveröffentlichung weder in körperlicher noch in unkörperlicher Form festgelegten Sprachwerks wenigstens ein rechtmäßig hergestelltes Vervielfältigungsstück voraussetze, wenn die zu Zwecken des Zitats hergestellte Vervielfältigung aufgrund ihres Umfangs oder derjenigen des Werks ohne eine solche körperliche Vorlage nicht möglich erscheine.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung. Der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch bestehe nicht, weil die einzelnen zitierten Werkteile keine Werkqualität besäßen, da es sich um eine nüchterne Wiedergabe bzw. Aneinanderreihung von Fakten handele.

Das Landgericht lege zu Un...

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