Leitsatz (amtlich)

1. Ein dem Erbvertrag - zunächst - zuwiderlaufendes Testament tritt mit Fortfall der Bindungswirkung in Kraft, auch wenn es vor Wegfall der Bindungswirkung errichtet worden ist.

2. Zur durch Auslegung zu gewinnenden Überzeugungsbildung, ob sich Erklärungen nur als Erbverzicht verstehen oder auch als Zuwendungsverzicht anzusehen sind (hier: Würdigung der im Mai 1982 eine Woche nach Errichtung eines privatschriftlichen Testaments der Erblasserin von der durch Erbvertrag aus dem Jahr 1964 begünstigten Tochter der Erblasserin abgegebenen notariellen Erklärung dahin, zugleich mit dem Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht auch auf die Zuwendung in dem Erbvertrag aus dem Jahr 1964 zu verzichten)

3. Auf Verfahren zur Einziehung von Erbscheinen nach einem vor dem 17. August 2015 verstorbenen Erblasser, ist das BGB und das FamFG in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

 

Normenkette

BGB § 2289 Abs. 1 S. 2, §§ 2346, 2352; EGBGB Art. 229 § 36; FamFG § 342 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

AG Geldern (Aktenzeichen 10 VI 25/02)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 vom 8. Nov. 2018 wird der Einziehungsbeschluss des Amtsgerichts Geldern - Nachlassgericht - vom 17. Okt. 2018 aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Ehefrau und die Tochter des Enkels Ralf der Erblasserin.

Die Erblasserin hatte mit ihrem am 24. Okt. 1968 verstorbenen Ehemann am 7. Okt. 1963 - UR.Nr. 1475/1963 des Notars Dr. D... in Geldern - einen Erbvertrag geschlossen, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Erben eingesetzt hatten.

Mit weiterem Erbvertrag vom 4. Aug. 1964 - UR.Nr. 1122/1964 dieses Notars - haben sie den Erbvertrag von 1963 in vollem Umfang aufrechterhalten. Der Überlebende hat sodann die bei der Beurkundung anwesende gemeinsame Tochter Gertrud zur alleinigen Erbin eingesetzt. Weiter ist verfügt, der gemeinsame Sohn Josef solle nach dem Tod der Eltern keine Ansprüche an den Nachlass stellen können, weil er bereits bei Lebzeiten der Eltern durch Zuwendungen von ihnen abgefunden sei.

Mit privatschriftlichem Testament vom 17. Mai 1982 hat die Erblasserin nach dem Tode ihres Ehemannes ihren Sohn Josef zu ihrem alleinigen Vorerben bestimmt. Er sollte an die Tochter Gertrud 15.000 DM zahlen. Nacherbe sollte dessen Sohn / ihr Enkel Ralf sein.

Mit notarieller Urkunde vom 24. Mai 1982 - UR.Nr. 933/1982 des Notars Dr. T... in Geldern - hat die Erblasserin mit ihrer Tochter Gertrud, diese vertreten durch ihren Sohn Josef, einen Erbverzichtsvertrag und eine Abfindungsvereinbarung geschlossen. Danach hat Gertrud gegenüber der Erblasserin auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtet und den Verzicht auf das gesetzliche Pflichtteilsrecht erstreckt. Die Gültigkeit des Verzichts sollte davon abhängen, dass Josef an die beiden Töchter von Gertrud, Hannelore und Dorothea, je einen Betrag von 7.500 DM zahlt. Dies ist geschehen.

Nach dem Tode der Erblasserin am 10. Mai 1988 ist deren Sohn Josef am 20. Juli 1989 ein Erbschein als alleiniger Vorerbe erteilt worden mit dem Zusatz, Nacherbe sei der Enkel der Erblasserin Ralf.

Ralf ist zwischen dem 8. und dem 11. Nov. 1999 verstorben. Die Beteiligte zu 1 ist seine Ehefrau, die Beteiligte zu 2 seine Tochter, Erbschein vom 2. Febr. 2000. Sie haben ihn zu je 1/2 beerbt. Josef verstarb am 9. Juli 2001.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben auf ihren Antrag am 21. März 2002 einen gemeinschaftlichen Erbschein erhalten, wonach sie - infolge des Todes des Vorerben Josef - zu je 1/2 Nacherbinnen der Erblasserin geworden sind.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2018 hat der Amtsnachfolger der Notare Dr. D... und Dr. T..., Notar Dr. O..., den Erbvertrag vom 4. Aug. 1964 dem Nachlassgericht mit der Begründung abgeliefert, "aufgrund des Alters der Eheleute ... gehe ich davon aus, dass die Erblasser nicht mehr leben."

Daraufhin hat das Nachlassgericht mit Verfügung vom 27. Juli 2018 angekündigt, den Erbschein vom 21. März 2002 als unrichtig einzuziehen und dies am 17. Okt. 2018 beschlossen. Das Testament der Erblasserin vom 17. Mai 1982 sei unwirksam, weil die Erblasserin an den Erbvertrag vom 4. Aug. 1964 gebunden gewesen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2, die u.a. geltend machen, das Nachlassgericht habe den Erbverzicht nicht berücksichtigt. Notar Dr. O... hat diesen sodann auf Anforderung des Nachlassgerichts vom 12. Nov. 2018 zu den Akten gereicht.

Daraufhin hat das Nachlassgericht den Töchter der Gertrud, den Enkelinnen der Erblasserin Hannelore und Dorothea, Gelegenheit gegeben sich am Verfahren zu beteiligen und mit Beschluss vom 6. Febr. 2019 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der Erbvertrag aus dem Jahre 1964 sei wirksam, es gebe keine sicheren Anhaltspunkte, dass er aufgehoben worden sei und der Erbverzicht von Gertrud in der notariellen Urkunde vom 24. Mai 1982 könne "im Zweifel" nicht als deren Verzicht auf ihre Rechte aus dem Erbvertrag gewertet werden. Der eindeutige Wortlaut dieser Erklärung stehe eine...

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