Leitsatz (amtlich)

1. Ein gemeinschaftliches handschriftliches Ehegattentestament (hier: Testament 1979: Eheleute setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen, dass der gesamte gemeinsame Nachlass nach dem Tode des Letztversterbenden zu gleichen Teilen den beiden gemeinsamen Kindern zukommen soll.) kann der Überlebende nach dem Tod des Ehegatten durch Testament um eine Pflichtteilssanktion (hier: Testament 2010: "Sollte eine unserer Töchter mir gegenüber als dem testamentarischen Alleinerben meiner verstorbenen Ehefrau den Pflichtteilsanspruch hinter meiner Ehefrau geltend machen, soll sie - und sollen ihre eventuellen Abkömmlinge - auch von der Erbfolge hinter mir ausgeschlossen sein.") ergänzen, wenn die Auslegung einer vorangegangenen gemeinsamen Verfügung (hier des ergänzenden Testaments 1999: "Sollte einer unserer Abkömmlinge bei Tode des Zuerstversterbenden von uns den Pflichtteil geltend machen,... so gilt als von uns gemeinsam und wechselbezüglich verfügt, dass der Überlebende berechtigt ist, ihn uns seine Kinder von der Erbfolge nach ihm (dem Überlebenden) auszuschließen und ihn und seine Kinder auf den Pflichtteil zu setzen.") ergibt, dass die Eheleute den überlebenden Ehegatten für die Zeit nach dem Eintritt des ersten Erbfalls zu einer derartigen einseitigen Abänderung ihrer wechselbezüglichen Verfügungen ermächtigen wollten.

2. Die Nichteröffnung eines nach dem Tod des Erstversterbenden vom überlebenden Ehegatten verfassten Testaments (hier: Testament 2010 unter Bezugnahme auf das Testament 1999 mit der "fakultativen Pflichtteilsklausel") lässt die Wirksamkeit dieser letztwilligen Verfügungen unberührt; Letzteres gilt auch mit Blick auf eine unwirksame Anweisung zur Nichteröffnung (hier im Ergänzungstestament 1999), sofern nicht anzunehmen ist, dass die Eheleute die "fakultative Pflichtteilsklausel" ohne wirksame Geheimhaltungsbestimmung (Bekanntgabe erst wenn nach dem Tod des Erstversterbenden tatsächlich ein Abkömmling den Pflichtteil geltend machen sollte) nicht getroffen hätten.

3. Sittenwidrigkeit eines Testaments (hier des ergänzenden Testaments 1999) aus dem Gesichtspunkt der erbrechtlichen Zurücksetzung eines nahen Angehörigen kommt - auch beim Zusammenwirken der "fakultativen Pflichtteilsklausel" mit einem gleichzeitig verfügten Eröffnungsverbot - nur im Falle unredlicher, also verwerflicher Gesinnung in Betracht (hier verneint für den Willen der Ehegatten, die Gleichbehandlung beider Töchter bei schlussendlicher Verteilung des Gesamterbes sicherzustellen).

4. Soweit für die Auslösung der Folgen der Pflichtteilsklausel ein subjektives Element in Gestalt eines bewussten Ungehorsams des potentiellen Erben gegen den in eindeutigen und wirksamen Anordnungen zum Ausdruck gebrachten Willen des Erblassers gefordert wird, handelt es sich nur um eine Auslegungsregel, die je nach den Umständen, auch dahin ausgelegt werden kann, dass es - so hier - nur auf die objektive Verwirklichung ihrer Voraussetzungen ankommt.

 

Normenkette

BGB §§ 2085, § 119 ff., §§ 134, 139, 142 Abs. 1, §§ 2263, 2270 Abs. 1, § Abs. 2, § 2271 Abs. 1, § Abs. 2 S. 1, § 2273 Abs. 1 a.F.; FamFG § 348 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Langenfeld (Beschluss vom 07.12.2014; Aktenzeichen 46 VI 27/14)

 

Tenor

1. Die Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Beteiligten zu 2. auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins für sie und die Beteiligte zu 1. wird zurückgewiesen.

3. Der Geschäftswert wird auf 100.000,-- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die beiden einzigen Kinder des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau. Diese hatten am 15.12.1979 gemeinsam ein handschriftliches Testament verfasst, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten. Ferner hatten sie bestimmt, dass der gesamte gemeinsame Nachlass nach dem Tode des Letztversterbenden zu gleichen Teilen den Beteiligten zu 1. und 2. zukommen sollte. Diese letztwillige Verfügung ergänzten sie in einem weiteren handschriftlichen Testament vom 27.4.1999 wie folgt:

"Bedingte Ergänzungsverfügung bei Inanspruchnahme des 'Eröffnungsrechts' aus § 2273 I BGB

Ausgehend von unserem Recht, für die Abfassung unseres letzten Willens grundsätzliche Testierfreiheit - basierend auf § 133 BGB - zu haben, nehmen wir gemeinsam und wechselbezüglich, bedingt aus unserem beiderseitigen, grundsätzlich geschützten Geheimhaltungsinteresse, das Recht aus § 2273 I BGB in Anspruch, die nachstehende Ergänzungsverfügung von Todes wegen potentiell erst dann zur Verkündung kommen zu lassen, wenn die weiter unten aufgeführte Bedingung, durch Einreichung einer Pflichtteil-Anfechtungserklärung beim Nachlassgericht, wirksam geworden ist. Diese soll dann über nachstehende Ergänzungsverfügung als eine Verwirkungsklausel gegenüber diesem Erben i. S. einer auflösenden Bedingung (§ 2075 BGB) in Kraft treten und insoweit gemäß § 2258 BGB bedingt als 'Widerruf durch späteres Testament', bezüglich unseres gemeinschaftlichen Testaments vom 15.12.1979 wirken.

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