Leitsatz (amtlich)

1. Mitglieder einer nicht zur Eintragung gelangten Genossenschaft unterliegen einer internen Verlustdeckungspflicht, wenn sie eine Aufnahme der Geschäfte vor Eintragung gebilligt haben. Dieser Verlustdeckungsanspruch wird durch eine etwa verwirklichte Außenhaftung nicht verdrängt.

2. Die Verlustdeckungspflicht der Gründer einer Vor-Genossenschaft verjährt in analoger Anwendung von § 159 Abs. 1 HGB in fünf Jahren. Die Verjährungsfrist wird mit Kenntnis von der Auflösung in Gang gesetzt.

3. Ein Gesamtvollstreckungsverwalter ist nicht berechtigt, in entspr. Anwendung von §§ 93 InsO, 171 Abs. 2 HGB einen Außenhaftungsanspruch gegen den Gründer einer nicht zur Eintragung gelangten Vor-Genossenschaft zu verfolgen.

 

Normenkette

GenG §§ 2-3; HGB § 159; InsO § 93

 

Verfahrensgang

LG Görlitz (Aktenzeichen 3 KfHO 32/00)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen des LG Görlitz vom 29.9.2000 – 3 KfHO 32/00 – abgeändert und die Klage – im Hilfsantrag als unzulässig – abgewiesen.

2. …

3. …

4. …

 

Tatbestand

Die Klägerin, Verwalterin im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der nicht zur Eintragung gelangten V. Genossenschaft e.G. i.G. (künftig: Gemeinschuldnerin), begehrt vom Beklagten als Gründungsgenossen in Höhe seiner quotalen Beteiligung am Eigenkapital den Ausgleich der finanziellen Unterdeckung der Gemeinschuldnerin.

Der Beklagte errichtete am 11.7.1993 gemeinsam mit weiteren Genossen die Gemeinschuldnerin und meldete diese am 29.7.1993 zur Eintragung in das Genossenschaftsregister an.

Die Gemeinschuldnerin nahm am 1.8.1993 ihre Geschäftstätigkeit auf und erzielte bis Jahresende 1993 mit 32 Arbeitnehmern Umsätze i.H.v. etwa 750.000 DM.

Am 31.5.1994 eröffnete das AG D. das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der – mit 891.307,18 DM überschuldeten – Gemeinschuldnerin und bestellte die Klägerin zur Verwalterin. Zu diesem Zeitpunkt waren 36 Geschäftsanteile von Genossen übernommen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte zumindest i.H.v. 1/36 persönlich für die Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin hafte, da diese nicht zur Eintragung gelangt sei. Zudem folge eine Eintrittspflicht des Beklagten daraus, dass die Genossen ihre Absicht, die Gemeinschuldnerin in das Genossenschaftsregister eintragen zu lassen, schon vor Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens aufgegeben und – infolge der Unterkapitalisierung der Gemeinschuldnerin – die Rechtsform der Genossenschaft missbraucht hätten. Unter Berücksichtigung des § 171 Abs. 2 HGB, § 93 InsO zugrunde liegenden Rechtsgedankens sei sie deshalb befugt, die Haftungsansprüche der Gläubiger gegen die Genossen geltend zu machen und zur Masse zu ziehen.

Sie hat mit ihrer am 28.4.2000 eingereichten Klage beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 23.758,53 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.6.1999 aus 5.000 DM sowie 4 % aus dem Restbetrag seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Der Beklagte hat vorgetragen, sich an der Gemeinschuldnerin nur beteiligt zu haben, um zur Sanierung der Bausubstanz in der G. Altstadt beizutragen und Arbeitslosen die Möglichkeit einer neuen Anstellung zu geben. Seine persönliche Inanspruchnahme scheide aus, da die Eintragungsabsicht zu keinem Zeitpunkt aufgegeben worden sei und er seine Mitgliedschaft auf der Generalversammlung am 7.1.1994 gekündigt sowie einer Aufnahme der Geschäfte vor Eintragung nicht zugestimmt habe.

Die Kammer für Handelssachen des LG G. hat durch Urteil vom 29.9.2000 der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Hiergegen wendet sich der Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages mit seiner Berufung. Er meint, das Haftungsmodell der Vor-GmbH sei auf die Genossenschaft nicht übertragbar, da diese bereits mit Stellung des Eintragungsantrages Rechtsfähigkeit erlange. Zudem erhebt er die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin erklärt im Berufungsrechtszug, dass sie die Klage vorrangig auf einen Innenhaftungsanspruch stütze und hilfsweise eine Außenhaftungsforderung verfolge, die sie kraft Gesetzes geltend machen könne.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg, da der auf die Innenhaftung gründende Anspruch verjährt ist (unten A) und der Klägerin eine Prozessführungsbefugnis für die hilfsweise verfolgte Außenhaftungsforderung nicht zukommt (unten B).

A. Ein Innenhaftungsanspruch kann der Klägerin nicht zugesprochen werden.

I. Die Klage ist im Hauptbegehren zulässig.

1. Gemäß § 8 Abs. 2 GesO ist die Klägerin als Partei kraft Amtes berechtigt, den Verlustdeckungsanspruch der Gemeinschuldnerin geltend zu machen.

2. Die Klägerin war auch nicht gehindert, mit dem Innenhaftungsanspruch einen zusätzlichen Streitgegenstand (vgl. hierzu bei einheitlichem Klageantrag: BGH v. 13.2.1992 – III ZR 28/90, MDR 1992, 708 = WM 1992, 1031; v. 24.9.1991 – XI ZR 245/90, MDR 1992, 46 = ZIP 1991, 1419) erstmals im Berufungsverfahren anhängig zu machen. Die hierin liegende Klageerweiterung ist i.S.v. §§ 523, 263 ZPO sachdienlich, da die Kläger...

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