Leitsatz (amtlich)

1. Für Streitigkeiten zwischen einer nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Einrichtung und einer gesetzlichen Krankenkasse über deren Mitgliederwerbung, ist die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig, wenn die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche nicht auf einen Verstoß gegen die Vorschriften des SGB V, sondern ausschließlich auf wettbewerbsrechtliche Normen gestützt werden, deren Beachtung auch jedem privaten Mitbewerber obliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 30.1.2008 - I ZB 8/07, GRUR 2008, 447 Tz. 13 f. - Treuebonus).

2. Zur Frage, ob eine gesetzliche Krankenkasse, die ihre Versicherungsnehmer mit irreführenden Angaben nach § 5 Abs. 1 UWG auf ihrer Internetseite von einem Wechsel in eine andere Krankenkasse abhalten will, nach einer Auslegung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 UWG im Lichte der Richtlinie 2005/29 EG vom 11.5.2005 über unlautere Geschäftspraktiken [UGP-Richtlinie; dort: Art. 2 lit. b) und lit. d)] als "Unternehmer" und die beanstandete Handlung als "geschäftliche Handlung" anzusehen ist.

 

Normenkette

GVG § 13; SGG § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Nr. 6; UGP-Richtlinie Art. 2 lit. b), Art. lit. c)

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 29.10.2009; Aktenzeichen 7 O 78/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 30.04.2014; Aktenzeichen I ZR 170/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.10.2009 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des LG Lüneburg wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Unterlassungsverpflichtung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000 EUR und wegen der Kosten i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung wegen der Unterlassungsverpflichtung Sicherheit i.H.v. 15.000 EUR und wegen der Kosten Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der vormals auf deren Homepage "..." eingestellten Internetwerbung in Anspruch, nachdem er im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem OLG Celle obsiegt (OLG Celle vom 2.4.2009 - 13 W 16/09) und die Beklagte sich trotz Aufforderung geweigert hatte, eine Abschlusserklärung abzugeben.

Die Homepage der Beklagten, einer gesetzlichen Krankenkasse, enthielt unter dem Link "..." unter der Überschrift "..." am 12.12.2008 u.a. folgende Aussage:

"Wer die B. jetzt verlässt, bindet sich an die Neue für die nächsten 18 Monate! Somit entgehen Ihnen attraktive Angebote, die Ihnen die B. im nächsten Jahr bietet und Sie müssen am Ende möglicherweise draufzahlen, wenn Ihre neue Kasse mit dem ihr zugeteilten Geld nicht auskommt und deswegen einen Zusatzbeitrag erhebt."

Der Kläger, zu dessen Mitgliedern u.a. die Industrie- und Handelskammern sowie eine große Anzahl privater Krankenkassen gehören, beanstandete die zitierte Werbeaussage als irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG und forderte die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Übernahme der Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung auf. Mit Schreiben vom 6.1.2009 räumte die Beklagte ihren Wettbewerbsverstoß wegen der fehlerhaften Information auf ihrer Internetseite ein, entfernte den Text von ihrer Homepage und sagte zu, mit diesem Text künftig nicht mehr zu werben. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung lehnte sie jedoch ab.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil vom 29.10.2009 hat das LG die Beklagte verurteilt, es bei Meidung der in § 890 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die zitierte Behauptung aufzustellen, und an den Kläger 208,65 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.1.2009 zu zahlen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klagabweisungsantrag in vollem Umfang weiter verfolgt. Unter Aufrechterhaltung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Ausführungen vertritt sie weiterhin die Auffassung, dass der Rechtsstreit in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit falle. Darüber hinaus sei das UWG infolge der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) nicht anwendbar. Mangels Gewinnerzielungsabsicht sei die hoheitlich handelnde Beklagte nicht als "Gewerbetreibende" i.S.d. Art. 2 lit. b) UGP-Richtlinie anzusehen. Demzufolge stelle die beanstandete Aussage auch keine "Geschäftspraxis" gem. Art. 2 lit. d) UGP-Richtlinie dar.

Die Beklagte beantragt, das am 29.10.2009 verkündete Urteil des LG Lüneburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird ergänzend verwiesen.

II. Die zuläss...

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