Leitsatz (amtlich)

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird zur Auslegung des EG-Vertrages gem. Art. 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt es eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach den EG-Vertrag dar, wenn dem öffentlichen Auftraggeber durch ein Gesetz aufgegeben wird, Aufträge für Bauleistungen nur an solche Unternehmen zu vergeben, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu bezahlen?

 

Normenkette

EG-Vertrag § 49; LVergabeG Nds.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 18 O 47/05)

 

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird zur Auslegung des EG-Vertrages gem. § 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt es einen nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach den EG-Vertrag dar, wenn dem öffentlichen Auftraggeber durch ein Gesetz aufgegeben wird, Aufträge für Bauleistungen nur an solche Unternehmen zu vergeben, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu bezahlen?

 

Gründe

I. Das Niedersächsische Landesvergabegesetz (Landesvergabegesetz Nds.) enthält Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge, sofern die Aufträge mindestens einen Wert von 10.000 EUR haben. Das Gesetz lautet auszugsweise:

"Präambel

Das Gesetz wirkt Wettbewerbsverzerrungen entgegen, die auf dem Gebiet des Bauwesens und das öffentlichen Personennahverkehrs durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, und mildert Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme. Es bestimmt zu diesem Zweck, dass öffentliche Auftraggeber Aufträge über Baumaßnahmen und im öffentlichen Personennahverkehr nur an Unternehmen vergeben dürfen, die das in Tarifverträgen vereinbarte Arbeitsentgelt am Ort der Leistungserbringung zahlen. ...

§ 3 Tariftreueerklärung

(1) Aufträge für Bauleistungen dürfen nur an solche Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Aufgebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehen Entgelt zum tarifvertraglich vorgesehenen Zeitpunkt zu bezahlen. Bauleistungen im Sinne des Satzes 1 sind Leistungen des Bauhauptgewerbes und des Baunebengewerbes. Satz 1 gilt auch für die Vergabe von Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr.

(2) Gelten am Ort der Leistung mehrere Tarifverträge für dieselbe Leistung, so hat der öffentliche Auftraggeber einen repräsentativen Tarifvertrag zugrunde zu legen, der mit einer tariffähigen Gewerkschaft vereinbart wurde. Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Verordnung zu bestimmen, in welchem Verfahren festgestellt wird, welche Tarifverträge als repräsentativ im Sinne von Satz 1 anzusehen sind. Die Verordnung kann auch die Vorbereitung der Entscheidung durch einen Beirat vorsehen; sie regelt in diesem Fall auch die Zusammensetzung des Beirats.

§ 4 Nachunternehmereinsatz

(1) Der Auftragnehmer darf Leistungen, auf die sein Betrieb eingerichtet ist, nur auf Nachunternehmer übertragen, wenn der Auftraggeber im Einzelfall schriftlich zugestimmt hat. Die Bieter sind verpflichtet, schon bei Abgabe ihres Angebots anzugeben, welche Leistungen an Nachunternehmer weiter vergeben werden sollen. Soweit Leistungen auf Nachunternehmer übertragen werden, hat sich der Auftragnehmer auch zu verpflichten, den Nachunternehmern die für Auftragnehmer geltenden Pflichten der §§ 3, 4 und 7 Abs. 2 aufzuerlegen und die Beachtung dieser Pflichten durch die Nachunternehmer zu überwachen.

(2) Die nachträgliche Einschaltung oder der Wechsel eines Nachunternehmers bedarf der Zustimmung des Auftraggebers; § 6 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zustimmung darf nur wegen mangelnder Fachkunde, Zuverlässigkeit oder Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers sowie wegen Nichterfüllung der Nachweispflicht gem. § 6 Abs. 2 versagt werden. ...

§ 6 Nachweise

(1) Ein Angebot ist von der Wertung auszuschließen, wenn der Bieter folgende Unterlagen nicht beibringt: ...

3. eine Tariftreueerklärung nach § 3. ...

(2) Soll die Ausführung eines Teils des Auftrags einem Nachunternehmer übertragen werden, so sind bei der Auftragserteilung auch die auf den Nachunternehmer lautenden Nachweise gem. Abs. 1 vorzulegen.

§ 7 Kontrollen

(1) Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, Kontrollen durchzuführen, um die Einhaltung der geforderten Vergabevoraussetzungen zu überprüfen. Er darf zu diesem Zweck Einblick in die Entgeltabrechnungen der Auftragnehmer und der Nachunternehmer und die Unterlagen über die Abführung von Steuern und Beiträgen gem. § 6 Abs. 1 sowie in die zwischen Auftragnehmer und Nachunternehmer abgeschlossenen Werkverträge nehmen. Der Auftragnehmer hat seine Beschäftigen auf die...

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