Leitsatz (amtlich)

1. Bei Pflichtprüfungen nach §§ 316 ff. HGB und bei freiwilligen Prüfungen kommt eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Prüfungsauftrags nur in Betracht, wenn die Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgehen, dass die Prüfungen auch im Interesse eines bestimmten Dritten durchgeführt werden und das Ergebnis diesem als Entscheidungsgrundlage dienen soll. Insoweit sind strenge Anforderungen zu stellen.

2. Die formularmäßige Vereinbarung zwischen einem Wirtschaftsprüfer und seinem Auftraggeber, dass "die Weitergabe beruflicher Äußerungen des Wirtschaftsprüfers an einen Dritten der Zustimmung des Wirtschaftsprüfers" bedarf und eine Haftung des Wirtschaftsprüfers nur für den Fall einer solchen Zustimmung in Betracht kommt, ist wirksam.

3. Die Erteilung eines Bestätigungsvermerks durch einen Wirtschaftsprüfer ist dann sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB, wenn der Prüfer bei der Erteilung des Testats in einem solchen Maße Leichtfertigkeit an den Tag gelegt hat, dass sie als Gewissenlosigkeit zu werten ist.

 

Normenkette

BGB §§ 328, 826; HGB §§ 316 ff.

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 24.03.2004; Aktenzeichen 4 O 2051/02 (6))

 

Tenor

Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des LG Bremen 4. Zivilkammer - vom 24.3.2004 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen begehren von den Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter Pflichtverletzung bei Prüfung der Jahresabschlüsse der SB-Transport GmbH für die Geschäftsjahre 1996 und 1997 sowie wegen fehlerhafter Beratung im Rahmen einer Kapitalerhöhung.

Die Klägerin zu 1) war Mitgesellschafterin der mittlerweile insolventen SB-Transport GmbH (im Folgenden: SB), die Klägerin zu 2) ist alleinige Gesellschafterin der Klägerin zu 1).

Die 1971 gegründete SB beschäftigte sich vornehmlich mit internationalen Speditionsgeschäften. Geschäftsführer waren Frau D. G. (im Folgenden: G.) sowie die Herren H. D. (im Folgenden: H. D.) und H. R. St. (im Folgenden: S.). Die G. war seit dem Gründungsjahr der SB in der Finanzbuchhaltung beschäftigt gewesen. 1987 wurde sie zur Prokuristin, 1993 zur (weiteren) Geschäftsführerin der SB mit den Aufgaben Buchhaltung und Vorbereitung bzw. Erstellung der Jahresabschlüsse bestellt. Der H. D. war - neben seiner Funktion als Geschäftsführer der SB - auch Geschäftsführer der Klägerin zu 1). Er war nach der internen Geschäftsverteilung der SB für den Bereich der Nachfolgestaaten der Sowjetunion zuständig. Sein Vater, Herr J. D. ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin zu 2) und weiterer Geschäftsführer der Klägerin zu 1).

Die Beklagte zu 3) ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sie beriet die SB über einen Zeitraum von ca. 15 Jahren in verschiedenen Fragen und war auch mit der freiwilligen Prüfung der Jahresabschlüsse der SB betraut. Der Beklagte zu 2) ist Wirtschaftsprüfer und Mitgeschäftsführer der Beklagten zu 3) sowie Mitgesellschafter der Beklagten zu 1).

Die Gesellschafterversammlung der SB wählte den Beklagten zu 2) zum Abschlussprüfer des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 1996, für das Jahr 1997 die Beklagte zu 3), für die der Beklagte zu 2) handelte, und für das Jahr 1998 ebenfalls die Beklagte zu 3). Bei den Prüfungsfeststellungen wirkte auf Seiten der Beklagten der vereidigte Buchprüfer und Steuerberater Wolfgang Jelen (im Folgenden: J.) mit. Es handelte sich insoweit um übliche Aufträge zur Durchführung einer freiwilligen Abschlussprüfung bei einer kleinen GmbH mit dem Ziel der Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks.

Ausweislich der Auftragsbeschreibung in den Prüfungsberichten der Jahresabschlüsse 1996 und 1997 (Anlage K 1 und K 2 = Bl. 21 ff. d.A. und 83 ff. d.A.) erstreckten sich die Tätigkeiten der Beklagten nicht auf solche Prüfungshandlungen, die darauf gerichtet sind, Buchfälschungen oder sonstige Unregelmäßigkeiten aufzudecken (Tz. 6 bzw. 7 = Bl. 26 f. d.A.). Als Grundlagen der Prüfung dienten die von der SB aufgestellten Abschlussunterlagen sowie die sonstigen Bücher und Schriften der Gesellschaft (Tz. 3 bzw. 4 = Bl. 26 d.A.). Außerdem lagen dem Auftrag die "Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften" (AAB) vom 1.1.1995 zugrunde (Bl. 81 f. d.A.), in deren Ziff. 7 (1) festgehalten ist, dass "die Weitergabe beruflicher Äußerungen des Wirtschaftsprüfers [...] an einen Dritten [...] der schriftlichen Zustimmung des Wirtschaftsprüfers [bedarf], soweit sich nicht bereits aus dem Auftragsinhalt die Einwilligung zur Weitergabe an einen bestimmten Dritten ergibt." In Satz 2 dieser Klausel ist weiter geregelt, dass eine Haftung des Wirtschaftsprüfers gegenüber Dritten nur in Betr...

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