Leitsatz (amtlich)

Der nach § 19 Abs. 5 S. 1 VVG gebotene Hinweis eines Krankenversicherers auf die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung

- ist irreführend, wenn bei den Rechtsfolgen von Rücktritt und Arglistanfechtung ausdrücklich auf den Verlust des Versicherungsschutzes hingewiesen wird, ein solcher Hinweis aber bei den Rechtsfolgen der Vertragsanpassung unterbleibt

- ist falsch, wenn über ein Rücktrittsrecht des Versicherers bei Abschluss eines Basistarifs nach vorsätzlicher Anzeigepflichtverletzung belehrt wird.

 

Normenkette

VVG § 19 Abs. 5 S. 1, § 193 Abs. 3, § 203 Abs. 1 S. 3

 

Tenor

  • 1.

    Es wird festgestellt, dass der bei der Beklagten unterhaltene

    Krankenversicherungsvertrag mit der Versicherungsscheinummer ##.###.###/#/001 fortbesteht und nicht durch Rücktritt bzw. Anfechtung seitens der Beklagten beendet ist.

  • 2.

    Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist,

    der Beklagten die Kosten der stationären Behandlung in der Schlossklinik Q für die Zeit vom 15.02. bis 24.02.2010 in Höhe von 3.480,00 € zu erstatten.

  • 3.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.240,00 € - i.B.: elftausendzweihundertvierzig Euro - nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2010 zu zahlen.

  • 4.

    Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsvertretung der Klägerin in Höhe von 1.307,81 € - i. B.: eintausenddreihundertsieben 81/100 Euro - nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2010 zu zahlen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 31.343,60 € die Beklagte.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Kläger war mit ihrer Tochter bei der Beklagten krankenversichert. Nach einer Beitragserhöhung der Krankenversicherung ihrer Tochter machte sie von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch. Die Beklagte bestätigte die Beendigung des Versicherungsvertrages wunschgemäß mit Schreiben vom 06.11.2007 und zwar für die Tochter zum 30.11.2007 und für die Klägerin als ordentliche Kündigung zum 31.01.2008, dem Ende des Versicherungsjahres.

Unter dem 15.10.2009 beantragte die Klägerin, von Beruf Leiterin eines ambulanten Pflegedienstes, durch Vermittlung ihrer Lebensgefährtin, der Zeugin I, einer Mitarbeiterin eines Mehrfachagenten der Beklagten, den Abschluss einer neuen Krankenversicherung ab 01.10.2009 für sich. Bei der Antragsfrage nach Vorversicherungen ist die Beklagte mit 02/08 aufgeführt. Die Gesundheitsfragen sind im Wesentlichen verneint, auch diejenige nach Krankheiten oder Beschwerden irgendwelcher Art in den letzten 5 Jahren. Die Frage nach Behandlungen in den letzten 5 Jahren ist bejaht und eine Ringfingerverstauchung im März 2005 ohne Operation und Folgen angegeben. Die Beklagte nahm den Antrag an, wies im Versicherungsschein aber daraufhin, dass für die Zeit der Nichtversicherung trotz bestehender Versicherungspflicht ab 01.01.2009 ein Prämienzuschlag zu entrichten sei.

Ab 16.02.2010 wurde die Klägerin stationär in der Schlossklinik Q wegen schwerer depressiver Episode behandelt. Die Beklagte erteilte zunächst eine Kostenzusage gegenüber der Klinik, widerrief diese aber mit Schreiben vom 24.02.2010. Mit Schreiben vom 17.03.2010 erklärte sie gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt vom Vertrag wegen Anzeigepflichtverletzung mit der Begründung, dass bei der Klägerin bereits ab Februar 2009 sich verstärkende psychische Beschwerden mit Depressionen und einhergehendem Gewichtsverlust von 10 kg bestanden hätten und die Klägerin schon vor Jahren einen Suizidversuch unternommen hätte.

Die Klägerin bestreitet, bei Antragstellung bereits erkrankt gewesen zu sein. Erstmals im Januar 2010 habe sie einen Facharzt aufgesucht, der die Depression festgestellt habe. Zwar habe sie sich nach Februar 2009 unwohl gefühlt und auch etwas an Gewicht verloren, dies aber auf frauentypische Alterungserscheinungen zurückgeführt. Der Suizidversuch liege 20 Jahre zurück.

Die Klägern vertritt die Auffassung, keinen neuen Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen, sondern den alten fortgesetzt zu haben. Dazu behauptet sie, dass ihr erst ab Mitte August 2009 aufgefallen war, dass ihr Vertragsteil versehentlich mitgekündigt worden war.

Die Klägerin begehrt Feststellung des Fortbestandes der Krankenversicherung trotz Rücktritt und Anfechtung, Zahlung der noch nicht beglichenen Kosten für die stationäre Behandlung und Feststellung, dass die zur Erstattung der bereits beglichenen Behandlungskosten nicht verpflichtet ist.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an Anfechtung und Rücktritt fest.

Das Gericht hat über die Behauptungen der Beklagten zu den bereits vor Antragstellung vorliegenden Erkrankungen und Beschwerden der Klägerin Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der die Klägerin in der Schlossklinik Q behandelnden Ä...

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