Leitsatz (amtlich)

1. Kommt es in einem im öffentlichen Personennahverkehr eingesetzten Bus zu einem Sturz, entspricht es der Erfahrung des täglichen Lebens, dass der Sturz auf einer Unachtsamkeit des Fahrgastes beruht, wenn nicht besondere Umstände dieser Annahme entgegenstehen.

2. Nach ständiger Rechtsprechung verhält sich ein Fahrgast, der sich während der Fahrt keinen festen Halt verschafft, obwohl ihm dies möglich wäre, grob schuldhaft.

3. In der Regel verdrängt ein solches Eigenverschulden des Fahrgastes, der sich nicht ordnungsgemäß festgehalten hat, die Gefährdungshaftung aus einfacher Betriebsgefahr vollständig.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 06.07.2011; Aktenzeichen 44 O 77/11)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 44 des LG Berlin vom 6.7.2011 - 44 O 77/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin beantragt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage, mit der sie materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen eines Sturzes begehrt, der sich am 21.4.2010 in einem von der zukünftigen Beklagten zu 1.) im Rahmen öffentlicher Personenbeförderung betriebenen und von dem zukünftigen Beklagten zu 2.) als Fahrer geführten Omnibus ereignete.

Der Omnibus der Linie M 46 befuhr am Unfalltag die Joachimsthaler Straße in Richtung Hardenbergplatz, als der Beklagte zu 2.) wegen eines vor ihm fahrenden, unbekannt gebliebenen Wohnmobils plötzlich stark abbremste. Daraufhin verlor die Antragstellerin, die - weil sie an der nächsten Haltestelle aussteigen wollte - bereits von ihrem Sitzplatz aufgestanden war, ihren Halt. Obgleich sie sich mit einer Hand an einer Haltestelle festhielt, stürzte sie rücklings auf ihre rechte Körperhälfte, worauf sie das Bewusstsein verlor.

Die Antragstellerin behauptet, der Beklagte zu 2.) habe ein unnötiges Bremsmanöver eingeleitet. Der Beklagte zu 2.) habe gegen die Sorgfaltspflichten nach § 4 Abs. 1 StVO verstoßen, denn er hätte von dem vor ihm einscherenden Wohnmobil einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten müssen.

Sie behauptet ferner, aufgrund des Verkehrsunfalls eine pertochantäre Fermurfraktur erlitten zu haben; sie sei operativ mit einer Hüftschraube versorgt worden. Sie leide weiterhin unter Schmerzen.

Das LG hat mit seinem Beschluss vom 6.7.2011 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, der Beklagte zu 2.) habe - entgegen der Annahme der Antragstellerin - den Omnibus nicht grundlos, sondern verkehrsbedingt abbremsen müssen. Die Antragstellerin sei zudem ihren Pflichten nach § 14 Abs. 3 Nr. 4 BOKraft, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen, nicht hinreichend nachgekommen.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15.7.2011 sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

II. Die gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde, über die nach § 568 Satz 1 ZPO durch den Einzelrichter zu entscheiden ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

Prozesskostenhilfe ist nach § 114 ZPO nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Diese Voraussetzung ist - was das LG zutreffend erkannt hat - nicht gegeben. Zur weiteren Begründung wird daher zunächst auf die ausführliche Begründung der angefochtenen Entscheidung selbst und dem Nichtabhilfebeschluss des LG vom 27.7.2011 Bezug genommen.

1. Eine Haftung der zukünftigen Beklagten zu 1.) aus § 280 Abs. 1 BGB besteht nicht. Die Voraussetzungen für einen vertraglichen Schadensersatzanspruch der Antragstellerin liegen schon deshalb nicht vor, weil sie für ein Fehlverhalten, insbesondere für einen Fahrfehler des zukünftigen Beklagten zu 2.) als Fahrer des Omnibusses, der der Beklagten zu 1.) nach Maßgabe der § 278 BGB zugerechnet werden könnte, keinen geeigneten Beweis angetreten hat. Die Antragstellerin hat zum Beweis für einen Fahrfehler des Beklagten zu 2.) lediglich die Beiziehung der polizeilichen Ermittlungsakte angeboten. Aus der beigezogenen Akte und insbesondere aus der in ihr enthaltenen polizeilichen Vernehmung der Zeugin M ergibt sich aber nicht, dass der zukünftige Beklagte zu 2.) eine unnötige und damit pflichtwidrige Vollbremsung vorgenommen hat. Vielmehr hat die Zeugin Mahn in ihrer polizeilichen Vernehmung im Wesentlichen die Behauptung der zukünftigen Beklagten bestätigt, wonach der zukünftige Beklagte zu 2.) den Omnibus verkehrsbedingt abbremsen musste. Weder aus dem Protokoll dieser Zeugenvernehmung noch aus dem weiteren Akteninhalt ergeben sich zudem Anhaltspunkte, dass der zukünftige Beklagte zu 2.) den erforderlichen Sicherheitsabstand zu dem vor ihm fahrenden Wohnmobil nicht eingehalten hätte und ihm aus diesem Grund ein Fahrfehler vorgeworfen werden könnte. Schließlich legt auch der Umstand, dass der Beklagte zu 2.) nur mit einer Geschwindigkeit von 5 - 10 km/h gefahren ist...

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