Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel. Kartelle. Europäischer Markt für Smartcard-Chips. Netz bilateraler Kontakte. Austausch sensibler Geschäftsinformationen. Bestreiten der Echtheit der Beweise. Verteidigungsrechte. ‚Bezweckte’ Wettbewerbsbeschränkung. Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung. Gerichtliche Nachprüfung. Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Umfang. Berechnung der Geldbuße

 

Beteiligte

Infineon Technologies / Kommission

Europäische Kommission

Infineon Technologies AG

 

Tenor

1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 15. Dezember 2016, Infineon Technologies/Kommission (T-758/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:737), wird aufgehoben, soweit das Gericht den Hilfsantrag der Infineon Technologies AG auf Ermäßigung der gegen sie von der Europäischen Kommission verhängten Geldbuße zurückgewiesen hat.

2. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

3. Die Sache wird zur Entscheidung über den Antrag auf Ermäßigung der gegen die Infineon Technologies AG verhängten Geldbuße im Licht des sechsten Klagegrundes an das Gericht zurückverwiesen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. Februar 2017,

Infineon Technologies AG mit Sitz in Neubiberg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin M. Dreher sowie Rechtsanwälte T. Lübbig und M. Klusmann,

Rechtsmittelführerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Europäische Kommission, vertreten durch A. Biolan, A. Dawes und J. Norris-Usher als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter C. Vajda und E. Juhász, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie des Richters C. Lycourgos,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2018,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. April 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Infineon Technologies AG die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 15. Dezember 2016, Infineon Technologies/Kommission (T-758/14, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2016:737), mit dem das Gericht ihre auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 6250 final der Kommission vom 3. September 2014 in einem Verfahren nach Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39574 – Smartcard-Chips) (im Folgenden: streitiger Beschluss) und, hilfsweise, auf Ermäßigung der gegen sie verhängten Geldbuße gerichtete Klage abgewiesen hat.

I. Rechtlicher Rahmen

Rz. 2

Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt in den Abs. 2 und 3:

„(2) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a) gegen Artikel [101] oder Artikel [102 AEUV] verstoßen oder

(3) Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.”

Rz. 3

In Art. 31 der Verordnung heißt es:

„Bei Klagen gegen Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat, hat der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung. Er kann die festgesetzte Geldbuße oder das festgesetzte Zwangsgeld aufheben, herabsetzen oder erhöhen.”

Rz. 4

Zur Berechnung der Geldbußen heißt es in den Ziff. 20 bis 23 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006):

„20. Die Schwere der Zuwiderhandlung wird in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände beurteilt.

21. Grundsätzlich kann ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.

22. Bei der Bestimmung der genauen Höhe innerhalb dieser Bandbreite berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligten Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.

23. Horizontale, üblicherweise geheime Vereinbarungen … zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte oder Einschränkung der Erzeugung gehören ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen und müssen unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten streng geahndet werden. Für solche Zuwiderhandlungen ist daher grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite anzusetzen.”

II. Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss

Rz. 5

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits und der wesentliche Inhalt des streitigen Beschlusses, wie...

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