Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde. Verarbeitungen, die von Gerichten im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit vorgenommen werden. Begriff. Bereitstellung von Unterlagen aus einem Gerichtsverfahren, die personenbezogene Daten enthalten, an einen Journalisten

 

Normenkette

EUVO 679/2016 Art. 55 Abs. 3

 

Beteiligte

Autoriteit Persoonsgegevens

X

Z

Autoriteit Persoonsgegevens

 

Tenor

Art. 55 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass ein Gericht, das Journalisten vorübergehend Unterlagen aus einem Gerichtsverfahren bereitstellt, die personenbezogene Daten enthalten, um sie in die Lage zu versetzen, besser über den Ablauf des Gerichtsverfahrens zu berichten, seine „justizielle Tätigkeit” im Sinne dieser Bestimmung ausübt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Midden-Nederland (Bezirksgericht der zentralen Niederlande) mit Entscheidung vom 29. Mai 2020, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Verfahren

X,

Z

gegen

Autoriteit Persoonsgegevens

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen sowie der Richter N. Jääskinen, J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und M. Safjan,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von X und Z, vertreten durch S. A. J. T. Hoogendoorn, Advocaat,
  • der Autoriteit Persoonsgegevens, vertreten durch G. Dictus und N. N. Bontje, Advocaten,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch L. Aguilera Ruiz als Bevollmächtigten,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, P. Barros da Costa, L. Medeiros und I. Oliveira als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Erlbacher, H. Kranenborg und D. Nardi als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Oktober 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 55 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen X und Z auf der einen sowie der Autoriteit Persoonsgegevens (Datenschutzbehörde, Niederlande) (im Folgenden: AP) auf der anderen Seite. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist, dass Journalisten in einer mündlichen Verhandlung, die vor der Abteilung für Verwaltungsstreitsachen des Raad van State (Staatsrat, Niederlande) im Rahmen eines Gerichtsverfahrens stattfand, in dem Z Partei war und durch X vertreten wurde, Zugang zu personenbezogenen Daten hatten, die X und Z betrafen und in einer Gerichtsakte enthalten waren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der 20. Erwägungsgrund der Verordnung 2016/679 lautet:

„Diese Verordnung gilt zwar unter anderem für die Tätigkeiten der Gerichte und anderer Justizbehörden, doch könnte im Unionsrecht oder im Recht der Mitgliedstaaten festgelegt werden, wie die Verarbeitungsvorgänge und Verarbeitungsverfahren bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Gerichte und andere Justizbehörden im Einzelnen auszusehen haben. Damit die Unabhängigkeit der Justiz bei der Ausübung ihrer gerichtlichen Aufgaben einschließlich ihrer Beschlussfassung unangetastet bleibt, sollten die Aufsichtsbehörden nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit zuständig sein. Mit der Aufsicht über diese Datenverarbeitungsvorgänge sollten besondere Stellen im Justizsystem des Mitgliedstaats betraut werden können, die insbesondere die Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung sicherstellen, Richter und Staatsanwälte besser für ihre Pflichten aus dieser Verordnung sensibilisieren und Beschwerden in Bezug auf derartige Datenverarbeitungsvorgänge bearbeiten sollten.”

Rz. 4

In Art. 2 der Verordnung heißt es:

„(1) Diese Verordnung gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichta...

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