Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Soziale Sicherheit. Wanderarbeitnehmer. Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Berechnung. Nichtberücksichtigung des letzten im Wohnsitzmitgliedstaat erhaltenen Entgelts. Zu kurzer Bemessungszeitraum. Nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis erhaltenes Entgelt. Person, die zuvor eine Beschäftigung in der Schweiz ausgeübt hat

 

Normenkette

EGV Nr. 883/2004

 

Beteiligte

Bundesagentur für Arbeit

ZP

Bundesagentur für Arbeit

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.09.2020; Aktenzeichen B 11 AL 1/20 R)

 

Tenor

Art. 62 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, die zwar vorsehen, dass der Berechnung der Leistungen bei Arbeitslosigkeit die Höhe des früheren Entgelts zugrunde zu legen ist, es jedoch für den Fall, dass die Bezugsdauer des Entgelts, das der betreffenden Person im Rahmen ihrer letzten Beschäftigung nach diesen Rechtsvorschriften gezahlt wurde, geringer ist als der in diesen Rechtsvorschriften vorgesehene Bezugszeitraum für die Bestimmung des der Berechnung der Leistungen bei Arbeitslosigkeit zugrunde liegenden Entgelts, nicht zulassen, das Entgelt zu berücksichtigen, das die betreffende Person während dieser Beschäftigung erhalten hat.Art. 62 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 883/2004 ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, die zwar vorsehen, dass der Berechnung der Leistungen bei Arbeitslosigkeit die Höhe des früheren Entgelts zugrunde zu legen ist, es jedoch für den Fall, dass das Entgelt, das die betreffende Person für ihre letzte Beschäftigung nach diesen Rechtsvorschriften erhalten hat, erst nach dem Ausscheiden aus ihrem Beschäftigungsverhältnis abgerechnet und ausgezahlt wurde, nicht zulassen, das Entgelt zu berücksichtigen, das die betreffende Person während dieser Beschäftigung erhalten hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundessozialgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. Oktober 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Januar 2019, in dem Verfahren

ZP

gegen

Bundesagentur für Arbeit

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter F. Biltgen (Berichterstatter) und N. Wahl,

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von ZP, vertreten durch Rechtsanwalt M. Hanke,
  • der Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch B. Klug als Bevollmächtigten,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Pavliš und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Van Hoof und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 62 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, berichtigt im ABl. 2004, L 200, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen ZP und der Bundesagentur für Arbeit (Deutschland, im Folgenden: Agentur) wegen der Höhe der ihm nach nationalem Recht gewährten Leistungen bei Arbeitslosigkeit.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Abkommen über die Freizügigkeit

Rz. 3

Art. 8 des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl. 2002, L 114, S. 6, im Folgenden: FZA) sieht vor:

„Die Vertragsparteien regeln die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gemäß Anhang II …”

Rz. 4

Anhang II Art. 1 des FZA in der durch den Beschluss Nr. 1/2012 des im Rahmen des FZA eingesetzten Gemischten Ausschusses vom 31. März 2012 (ABl. 2012, L 103, S. 51) geänderten Fassung lautet:

„(1) Die Vertragsparteien kommen überein, im Bereich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit untereinander die in Abschnitt A dieses Anhangs genannten Rechtsakte der Europäischen Union in der durch diesen Abschnitt geänderten Fassung oder gleichwertige Vorschriften anzuwenden.

(2) Der Begriff ‚Mitgliedstaat(en)’ in den Rechtsakten, auf die in Abschnitt A dieses Anhangs Bezug genommen wird, ist außer auf die durch die betreffenden Rechtsakte der Europäischen Union erfassten Staaten auch auf die Schweiz anzuwenden.”

Rz. 5

In Abschnitt A des Anhangs II wird u. a. auf die Verordnung Nr. 883/2004 Bezug genommen.

Verordnung Nr. 883/2004

Rz. 6

Die Erwägungsgründe 4, 32 und 45 der Verordnung Nr. 883/2004 lauten:

„(4) Es ist notwendig, die Eigenheiten der nationalen Rechtsvorsc...

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