Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Freier Dienstleistungsverkehr. Beschränkungen. Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge. Nationale Rechtsvorschriften, die den Bietern und ihren Nachunternehmern vorschreiben, sich zur Zahlung eines Mindestentgelts an die Beschäftigten zu verpflichten, die die Leistungen ausführen. Nachunternehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat

 

Normenkette

AEUV Art. 56; Richtlinie 96/71/EG

 

Beteiligte

Bundesdruckerei

Bundesdruckerei GmbH

Stadt Dortmund

 

Tenor

In einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, in der ein Bieter beabsichtigt, einen öffentlichen Auftrag ausschließlich durch Inanspruchnahme von Arbeitnehmern auszuführen, die bei einem Nachunternehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dem der öffentliche Auftraggeber angehört, beschäftigt sind, steht Art. 56 AEUV der Anwendung von Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem dieser öffentliche Auftraggeber angehört, entgegen, die diesen Nachunternehmer verpflichten, den genannten Arbeitnehmern ein mit diesen Rechtsvorschriften festgelegtes Mindestentgelt zu zahlen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg (Deutschland) mit Entscheidung vom 22. Oktober 2013, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Verfahren

Bundesdruckerei GmbH

gegen

Stadt Dortmund

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richterinnen A. Prechal (Berichterstatterin) und K. Jürimäe,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Bundesdruckerei GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt W. Krohn,
  • der Stadt Dortmund, vertreten durch M. Arndts als Bevollmächtigten,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und T. Müller als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér, K. Szíjjártó und M. Pálfy als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Grünheid, J. Enegren und A. Tokár als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Bundesdruckerei GmbH (im Folgenden: Bundesdruckerei) und der Stadt Dortmund (Deutschland) über die in den Verdingungsunterlagen zu einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag der Stadt Dortmund vorgesehene Verpflichtung, den Arbeitnehmern der Nachunternehmer von Bietern die Zahlung eines in einer Regelung des Bundeslands, dem der öffentliche Auftraggeber angehört, vorgesehenen Mindestentgelts zu gewährleisten, selbst wenn der betreffende Nachunternehmer in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und sämtliche Leistungen zur Ausführung des betreffenden Auftrags dort erbracht werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 1 („Anwendungsbereich”) der Richtlinie 96/71 sieht vor:

„(1) Diese Richtlinie gilt für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gemäß Absatz 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden.

(3) Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:

  1. einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder
  2. einen Arbeitnehmer in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder
  3. als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellendes Unternehmen einen Arbeitnehmer in ein verwendendes Unternehmen entsenden, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeit[s]unternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht.

…”

Rz. 4

Art. 3 („Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen”) Abs. 1 dieser Richtlin...

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