Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges Eigentum. Muster. Voraussetzungen für die Erlangung des Schutzes für ein Bauelement eines komplexen Erzeugnisses. Begriffe ‚Sichtbarkeit’ und ‚bestimmungsgemäße Verwendung’. Sichtbarkeit eines Bauelements eines komplexen Erzeugnisses bei bestimmungsgemäßer Verwendung dieses Erzeugnisses durch den Endbenutzer

 

Normenkette

Richtlinie 98/71/EG Art. 3 Abs. 3-4

 

Beteiligte

Monz Handelsgesellschaft International

Monz Handelsgesellschaft International mbH & Co. KG

Büchel GmbH & Co. Fahrzeugtechnik KG

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 15.06.2023; Aktenzeichen I ZB 31/20)

 

Tenor

Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen

ist dahin auszulegen, dass

das Erfordernis der „Sichtbarkeit”, das nach dieser Vorschrift erfüllt sein muss, damit ein Muster, das bei einem Erzeugnis, das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses ist, benutzt oder in dieses Erzeugnis eingefügt wird, rechtlichen Musterschutz genießen kann, im Hinblick auf eine Situation der normalen Verwendung dieses komplexen Erzeugnisses zu prüfen ist, wobei es darauf ankommt, dass das betreffende Bauelement nach seiner Einfügung in dieses Erzeugnis bei einer solchen Verwendung sichtbar bleibt. Zu diesem Zweck ist die Sichtbarkeit eines Bauelements eines komplexen Erzeugnisses bei seiner „bestimmungsgemäßen Verwendung” durch den Endbenutzer aus der Sicht dieses Benutzers sowie der Sicht eines außenstehenden Beobachters zu beurteilen, wobei diese bestimmungsgemäße Verwendung die Handlungen, die bei der hauptsächlichen Verwendung eines komplexen Erzeugnisses vorgenommen werden, sowie die Handlungen, die der Endbenutzer im Rahmen einer solchen Verwendung üblicherweise vorzunehmen hat, umfassen muss, mit Ausnahme von Instandhaltung, Wartung und Reparatur.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 2. August 2021, in dem Verfahren

Monz Handelsgesellschaft International mbH & Co. KG

gegen

Büchel GmbH & Co. Fahrzeugtechnik KG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias, M. Ilešič (Berichterstatter), I. Jarukaitis und Z. Csehi,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Monz Handelsgesellschaft International mbH & Co. KG, vertreten durch die Rechtsanwälte C. Rohnke und T. Winter,
  • der Büchel GmbH & Co. Fahrzeugtechnik KG, vertreten durch Rechtsanwalt M. Pilla,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Gippini Fournier, J. Samnadda und T. Scharf als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. September 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. 1998, L 289, S. 28).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Monz Handelsgesellschaft International mbH & Co. KG (im Folgenden: Monz) und der Büchel GmbH & Co. Fahrzeugtechnik KG (im Folgenden: Büchel) wegen eines Antrags von Büchel auf Feststellung der Nichtigkeit eines eingetragenen nationalen Designs.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 98/71

Rz. 3

Im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 98/71 heißt es:

„Der Schutz sollte sich weder auf Bauelemente erstrecken, die während der bestimmungsgemäßen Verwendung eines Erzeugnisses nicht sichtbar sind, noch auf Merkmale eines Bauelements, die unsichtbar sind, wenn das Bauelement eingebaut ist, oder die selbst nicht die Voraussetzungen der Neuheit oder Eigenart erfüllen. Merkmale eines Musters, die aus diesen Gründen vom Schutz ausgenommen sind, sollten bei der Beurteilung, ob andere Merkmale des Musters die Schutzvoraussetzungen erfüllen, nicht herangezogen werden.”

Rz. 4

Art. 1 („Begriffe”) dieser Richtlinie lautet:

„Im Sinne dieser Richtlinie

  1. ist ein ‚Muster oder Modell’ (nachstehend ‚Muster’ genannt) die Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung ergibt;
  2. ist ein ‚Erzeugnis’ jeder industrielle oder handwerkliche Gegenstand, einschließlich – unter anderem – von Einzelteilen, die zu einem komplexen Erzeugnis zusammengebaut werden sollen, Verpackung, Ausstattung, graphischen Symbolen und typographischen Schriftbildern; ein Computerprogramm gilt jedoch nicht als ‚Erzeugnis’;
  3. ist ein ‚komplexes Erzeugnis’ ein Erzeugnis aus mehreren Bauelementen, die sich ersetzen lassen, so dass das Erzeugnis auseinander- und wieder zus...

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