Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Unionsbürgerschaft. Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Im Aufnahmemitgliedstaat seiner Eltern geborenes Kind. Von diesem Mitgliedstaat ausgestellte Geburtsurkunde, in der zwei Mütter für dieses Kind genannt werden. Weigerung des Herkunftsmitgliedstaats einer dieser beiden Mütter, eine Geburtsurkunde des Kindes auszustellen, wenn keine Informationen über die Identität seiner leiblichen Mutter vorliegen. Besitz einer solchen Urkunde als Voraussetzung für die Ausstellung eines Personalausweises oder Reisepasses. Nationale Regelung dieses Herkunftsmitgliedstaats, die keine Elternschaft von Personen desselben Geschlechts zulässt

 

Normenkette

AEUV Art. 20 Art. 21

 

Beteiligte

Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo”

V.M.A

Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo”

 

Tenor

Art. 4 Abs. 2 EUV, die Art. 20 und 21 AEUV sowie die Art. 7, 24 und 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG sind dahin auszulegen, dass im Fall eines minderjährigen Kindes, das Unionsbürger ist und dessen von den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ausgestellte Geburtsurkunde zwei Personen gleichen Geschlechts als seine Eltern bezeichnet, der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger dieses Kind ist, zum einen verpflichtet ist, ihm einen Personalausweis oder Reisepass auszustellen, ohne die vorherige Ausstellung einer Geburtsurkunde durch seine nationalen Behörden zu verlangen, sowie zum anderen ebenso wie jeder andere Mitgliedstaat das aus dem Aufnahmemitgliedstaat stammende Dokument anzuerkennen hat, das es diesem Kind ermöglicht, mit jeder dieser beiden Personen sein Recht auszuüben, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht der Stadt Sofia, Bulgarien) mit Entscheidung vom 2. Oktober 2020, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Verfahren

V.M.A.

gegen

Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo”,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, E. Regan und N. Jääskinen, der Kammerpräsidentin I. Ziemele, des Kammerpräsidenten J. Passer sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter), J.-C. Bonichot, T. von Danwitz und N. Wahl,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von V.?.?., vertreten durch D. I. Lyubenova, advokat,
  • der bulgarischen Regierung, vertreten durch T. Mitova und L. Zaharieva als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch J. Möller und S. Heimerl, dann durch J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, zunächst vertreten durch S. Centeno Huerta und M. J. Ruiz Sánchez, dann durch M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und Z. Biró-Tóth als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch E. Borawska-Kędzierska, A. Siwek-Řlusarek und B. Majczyna als Bevollmächtigte,
  • der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, zunächst vertreten durch E. Montaguti, I. Zaloguin und M. Wilderspin, dann durch E. Montaguti und I. Zaloguin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. April 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 EUV, der Art. 20 und 21 AEUV sowie der Art. 7, 9, 24 und 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen V.M.A. und der Stolichna obshtina, rayon „Pancharevo” (Gemeinde Sofia, Stadtbezirk Pancharevo, Bulgarien) (im Folgenden: Gemeinde Sofia) wegen deren Weigerung, für die Tochter von V.M.A. und ihrer Ehefrau eine Geburtsurkunde auszustellen.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Rz. 3

Art. 2 des am 20. November 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommenen Übereinkomme...

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