Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Grundsätze des Unionsrechts. Verfahrensautonomie. Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität. Grundsatz der Rechtssicherheit. Rechtskraft. Erstattung einer unter Verstoß gegen das Unionsrecht von einem Mitgliedstaat erhobenen Abgabe. Rechtskräftige Gerichtsentscheidung, die zur Zahlung einer unionsrechtswidrigen Abgabe verpflichtet. Wiederaufnahmeantrag bezüglich einer solchen Gerichtsentscheidung. Frist für die Stellung dieses Antrags

 

Beteiligte

Călin

Oana Mădălina Călin

Direcţia Regională a Finanţelor Publice Ploieşti – Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Dâmboviţa

Statul Român – Ministerul Finanţelor Publice

Administraţia Fondului pentru Mediu

 

Tenor

1. Das Unionsrecht, insbesondere die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität, ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Bestimmung in der Auslegung durch ein Urteil eines nationalen Gerichts, die eine Ausschlussfrist von einem Monat für die Stellung eines Wiederaufnahmeantrags bezüglich einer rechtskräftigen, unter Verstoß gegen das Unionsrecht ergangenen Gerichtsentscheidung vorsieht, die mit dem Zeitpunkt der Übermittlung der Entscheidung beginnt, auf die sich der Wiederaufnahmeantrag bezieht, grundsätzlich nicht entgegensteht.

2. Jedoch ist der Grundsatz der Effektivität in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens dem entgegensteht, dass ein nationales Gericht für die Stellung eines Wiederaufnahmeantrags bezüglich einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung eine Ausschlussfrist von einem Monat anwendet, wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Wiederaufnahmeantrag gestellt wurde, das Urteil, mit dem diese Frist eingeführt wurde, noch nicht imMonitorul Oficial al Românieiveröffentlicht war.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Ploieşti (Berufungsgericht Ploieşti, Rumänien) mit Entscheidung vom 5. Oktober 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Dezember 2017, in dem Verfahren

Oana Mădălina Călin

gegen

Direcţia Regională a Finanţelor Publice Ploieşti – Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Dâmboviţa,

Statul Român – Ministerul Finanţelor Publice,

Administraţia Fondului pentru Mediu

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie der Richter D. Šváby, S. Rodin und N. Piçarra,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der rumänischen Regierung, zunächst vertreten durch R.-H. Radu, C.-M. Florescu und R. I. Haţieganu als Bevollmächtigte, dann durch C.-R. Canţăr, C.-M. Florescu und R. I. Haţieganu als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und C. Perrin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Februar 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 3 EUV, von Art. 110 AEUV, der Art. 17, 20, 21 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie der Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit, der Äquivalenz, der Effektivität und der Rechtssicherheit.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Oana Mădălina Călin auf der einen Seite und der Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Ploieşti – Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Dâmboviţa (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Ploieşti – Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen Dâmboviţa), dem Statul Român – Ministerul Finanţelor Publice (Rumänischer Staat – Ministerium für öffentliche Finanzen) und der Administraţia Fondului pentru Mediu (Umweltfonds-Amt, Rumänien) auf der anderen Seite betreffend einen Antrag auf Wiederaufnahme in Bezug auf eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung, mit der ein Wiederaufnahmeantrag bezüglich einer anderen rechtskräftigen Gerichtsentscheidung, mit der Frau Călin die Zahlung einer später für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärten Umweltgebühr auferlegt worden war, wegen Verfristung für unzulässig erklärt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 21 „Außerordentliche Rechtsbehelfe” der Legea contenciosului administrativ nr. 554/2004 (Gesetz Nr. 554/2004 über das verwaltungsgerichtliche Verfahren) vom 2. Dezember 2004 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 1154 vom 7. Dezember 2004) sah vor:

„(1) Gegen rechtskräftige und unwiderrufliche Entscheidungen der Verwaltungsgerichte sind die nach der Zivilprozessordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe statthaft.

(2) Die Verkündung rechtskräftiger und unwiderruflicher Entscheidungen unter Verstoß gegen den in Art. 148 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 der neu bekannt gemachten Verfassung Rumäniens normierten Grundsatz des ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge