Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen. Kraftfahrer im internationalen Verkehr. Einhaltung der Mindestlohnsätze des Landes der Entsendung. Tagegeld. Den Arbeitnehmern in Abhängigkeit vom verbrauchten Treibstoff gewährte Vergütung

 

Normenkette

Richtlinie 96/71/EG Art. 1 Abs. 1, Art. 3, 5; Verordnung (EG) Nr. 561/2006 Art. 10

 

Beteiligte

Rapidsped

OL

PM

RO

Rapidsped Fuvarozási és Szállítmányozási Zrt

 

Tenor

1. Die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen ist dahin auszulegen, dass sie auf die länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen im Straßenverkehrssektor anwendbar ist.

2. Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 der Richtlinie 96/71 in Verbindung mit deren Art. 5 sind dahin auszulegen, dass sie das Erfordernis aufstellen, dass der Verstoß eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgebers gegen die Mindestlohnvorschriften eines anderen Mitgliedstaats von entsandten Arbeitnehmern des erstgenannten Mitgliedstaats vor einem Gericht dieses Mitgliedstaats, sofern es zuständig ist, gegen den genannten Arbeitgeber geltend gemacht werden kann.

3. Art. 3 Abs. 7 Unterabs. 2 der Richtlinie 96/71 ist dahin auszulegen, dass ein Tagegeld, das je nach Dauer der Entsendung des Arbeitnehmers unterschiedlich hoch ausfällt, eine Entsendungszulage darstellt, die Bestandteil des Mindestlohns ist, es sei denn, das Tagegeld wird als Erstattung für infolge der Entsendung tatsächlich entstandene Kosten wie z. B. Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten gezahlt oder entspricht einer Zulage, die das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der von ihm erhaltenen Gegenleistung verändert.

4. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates ist dahin auszulegen, dass er es einem Güterkraftverkehrsunternehmen grundsätzlich nicht verwehrt, Kraftfahrern eine Zulage zu gewähren, die sich danach bemisst, welche Einsparungen in Form eines in Relation zur zurückgelegten Strecke verringerten Treibstoffverbrauchs erzielt wurden. Eine solche Zulage verstieße jedoch gegen das in dieser Bestimmung aufgestellte Verbot, wenn sie, anstatt nur an die Treibstoffeinsparung anzuknüpfen, eine solche Einsparung in Relation zu der zurückgelegten Strecke und/oder der Menge der beförderten Güter gemäß Modalitäten honorieren würde, die den Fahrer zu Verhaltensweisen verleiten, die geeignet sind, die Sicherheit im Straßenverkehr zu gefährden und/oder Verstöße gegen die Verordnung Nr. 561/2006 zu begehen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Gyulai Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Gyula, Ungarn) mit Entscheidung vom 20. Mai 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juni 2019, in dem Verfahren

OL,

PM,

RO

gegen

Rapidsped Fuvarozási és Szállítmányozási Zrt.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot sowie des Richters L. Bay Larsen (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von OL, PM und RO, vertreten durch Gy. Lupkovics, ügyvéd,
  • der Rapidsped Fuvarozási és Szállítmányozási Zrt., vertreten durch D. Kaszás, ügyvéd,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und M. M. Tátrai als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch A.-L. Desjonquières und C. Mosser als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und P. Huurnink als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, zunächst vertreten durch W. Mölls, B.-R. Killmann und L. Havas, dann durch B.-R. Killmann und L. Havas als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Mai 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 sowie von Art. 3 und 5 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1) und von Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. 2...

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