Entscheidungsstichwort (Thema)

Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften. Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95. Rückzahlung von gemeinschaftlichen Beihilfen. Rückwirkende Anwendung weniger strenger verwaltungsrechtlicher Sanktionen

 

Beteiligte

Haug

Reinhold Haug

Land Baden-Württemberg

 

Tenor

In einem Fall, in dem wegen einer Überschreitung der ermittelten Fläche im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen um mehr als 20 % die Rückzahlung des gesamten Betrages der ursprünglich gewährten gemeinschaftlichen Beihilfe zuzüglich Zinsen verlangt wird, obgleich der betroffene Wirtschaftsteilnehmer geltend macht, dass die Beihilfe nach Artikel 31 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen nur um einen geringeren Betrag zu kürzen wäre, ist Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften nicht anwendbar.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Deutschland) mit Entscheidung vom 30. Juni 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juli 2005, in dem Verfahren

Reinhold Haug

gegen

Land Baden-Württemberg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Schiemann sowie der Richter E. Juhász und M. Ilešič (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Haug, vertreten durch Rechtsanwalt F. Schulze,
  • des Landes Baden-Württemberg, vertreten durch N. Philippi als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Erlbacher und L. Visaggio als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts erlassenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Sache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1).

2 Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen dem Landwirt Reinhold Haug und dem Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Landratsamt Tuttlingen, wegen der Aufhebung eines Bescheids über die Bewilligung einer Beihilfe und der Verpflichtung zur Rückzahlung des gesamten Beihilfebetrags.

Rechtlicher Rahmen

3 Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2988/95 bestimmt:

„Der Tatbestand der Unregelmäßigkeit ist bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe.”

4 Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 der Verordnung lautet:

„Bei späterer Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen gelten die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend.”

5 Artikel 4 der Verordnung sieht vor:

„(1) Jede Unregelmäßigkeit bewirkt in der Regel den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils

– durch Verpflichtung zur Zahlung des geschuldeten oder Rückerstattung des rechtswidrig erhaltenen Geldbetrags;

(2) Die Anwendung der Maßnahmen nach Absatz 1 beschränkt sich auf den Entzug des erlangten Vorteils, zuzüglich – falls dies vorgesehen ist – der Zinsen, die pauschal festgelegt werden können.

(4) Die in diesem Artikel vorgesehenen Maßnahmen stellen keine Sanktionen dar.”

6 In Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung heißt es:

„Unregelmäßigkeiten, die vorsätzlich begangen oder durch Fahrlässigkeit verursacht werden, können zu folgenden verwaltungsrechtlichen Sanktionen führen:

b) Zahlung eines Betrags, der den rechtswidrig erhaltenen oder hinterzogenen Betrag, gegebenenfalls zuzüglich der Zinsen, übersteigt; dieser zusätzliche Betrag, der nach einem in den Einzelregelungen festzulegenden Prozentsatz zu bestimmen ist, darf die zur Abschreckung unbedingt erforderliche Höhe nicht übersteigen;

c) vollständiger oder teilweiser Entzug eines nach Gemeinschaftsrecht gewährten Vorteils auch dann, wenn der Wirtschaftsteilnehmer nur einen Teil dieses Vorteils rechtswidrig erlangt hat;

…”

7 Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23...

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