Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitszeitgestaltung. Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Vom Unternehmen festgelegter Jahresurlaub, der mit einer Fehlzeit wegen Krankheit zusammenfällt. Recht auf Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer anderen Zeit. Finanzielle Vergütung für nicht in Anspruch genommenen Jahresurlaub

 

Normenkette

Richtlinie 2003/88/EG

 

Beteiligte

Maestre García

Concepción Maestre García

Centros Comerciales Carrefour SA

 

Tenor

1. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist in dem Sinne auszulegen, dass er einer Auslegung der nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Arbeitnehmer, der sich während eines im Urlaubsplan des Unternehmens, bei dem er beschäftigt ist, einseitig festgelegten Jahresurlaubs in Krankheitsurlaub befindet, nicht das Recht hat, nach Beendigung des Krankheitsurlaubs seinen Jahresurlaub zu einem anderen – gegebenenfalls außerhalb des entsprechenden Bezugszeitraums liegenden – Zeitpunkt als dem ursprünglich festgelegten zu nehmen, wenn dem mit der Produktion oder Organisation des Unternehmens zusammenhängende Gründe entgegenstehen.

2. Art. 7 der Richtlinie 2003/88 ist in dem Sinne auszulegen, dass er einer Auslegung der nationalen Regelung entgegensteht, nach der während der Dauer eines Arbeitsvertrags Jahresurlaub im Sinne von Abs. 1 der genannten Bestimmung, den der Arbeitnehmer aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch nehmen konnte, durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Social de Benidorm (Spanien) mit Entscheidung vom 22. Februar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 26. April 2012, in dem Verfahren

Concepción Maestre García

gegen

Centros Comerciales Carrefour SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. Berger sowie der Richter E. Levits (Berichterstatter) und J.-J. Kasel,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, durch mit Gründen versehenen Beschluss gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Maestre García und der Centros Comerciales Carrefour SA (im Folgenden: Carrefour), ihrem Arbeitgeber, wegen des Antrags von Frau Maestre García auf Jahresurlaub außerhalb des von dem Unternehmen festgelegten Zeitraums, in dem sie sich in Krankheitsurlaub befand, hilfsweise wegen einer finanziellen Vergütung für den nicht genommenen Urlaub.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 7 („Jahresurlaub”) der Richtlinie 2003/88 lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.”

Rz. 4

Nach Art. 17 der Richtlinie 2003/88 können die Mitgliedstaaten von bestimmten Bestimmungen dieser Richtlinie abweichen. Im Hinblick auf ihren Art. 7 ist keine Abweichung erlaubt.

Nationales Recht

Rz. 5

Das Real Decreto Legislativo 1/1995 zur Billigung der Neufassung des Gesetzes über das Arbeitnehmerstatut (Real Decreto Legislativo 1/1995, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del Estatuto de los Trabajadores) vom 24. März 1995 (BOE Nr. 75 vom 29. März 1995, S. 9654) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Statut) regelt u. a. den bezahlten Jahresurlaub sowie die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit.

Rz. 6

Art. 38 des Statuts lautet:

  1. „Der bezahlte, nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzbare Jahresurlaub wird durch Tarifvertrag oder durch Einzelvertrag festgesetzt. Er darf 30 Kalendertage auf keinen Fall unterschreiten.
  2. Die Urlaubszeit oder -zeiten werden im Einklang mit etwaigen kollektivvertraglichen Bestimmungen über die Jahresurlaubsplanung vom Unternehmer und vom Arbeitnehmer einvernehmlich festgesetzt.

    Kann ein Einvernehmen zwischen den Parteien nicht erzielt werden, bestimmt das zuständige Gericht den Zeitpunkt für die Inanspruchnahme des Urlaubs; die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Das Verfahren ist summarisch und vorrangig.

  3. In jedem Betrieb wird ein Urlaubsplan festgelegt. Dem Arbeitnehmer werden die ihm zugewiesenen Urlaubszeitpunkte mindestens zwei Monate vor Urlaubsbeginn bekannt gegeben.

    Fällt die...

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