Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 10.04.2002; Aktenzeichen I Qs 111/02)

AG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 11.03.2002; Aktenzeichen 4 b Gs 96/02)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

Das Landgericht geht in seiner Beschwerdeentscheidung verfassungsrechtlich unangreifbar davon aus, dass dem Beschwerdeführer ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO nicht zusteht. Auf der Grundlage einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Auslegung des § 55 StPO, wonach ein Auskunftsverweigerungsrecht bereits für solche Tatsachen besteht, die mittelbar einen Anfangsverdacht gegen die Aussageperson begründen können (vgl. zuletzt Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Februar 2002 – 2 BvR 1249/01 –), schließt das Landgericht hier – ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich – eine sich aus der Aussage ergebende Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer aus.

Die Anordnung der Beugehaft dient – wie das Landgericht nochmals in seinem auf die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers ergangenen Beschluss klargestellt hat – allein der Erzwingung von Angaben, die sich auf die vier bereits abgeurteilten Fälle der Einfuhr von Betäubungsmitteln beziehen. Anders als in dem zuletzt vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall (BVerfG, a.a.O.) gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer sich über die abgeurteilten Fälle hinaus strafbar gemacht haben könnte. Außerdem beschränkt sich die mit der Beugehaft erstrebte Vernehmung auf die Identifizierung eines bestimmten Beschuldigten, den die Ermittlungsbehörden nach Angaben des Beschwerdeführers in seinem abgeschlossenen Strafverfahren zu einem der dort abgeurteilten Fälle namhaft machen konnten, und gegebenenfalls auf die Frage, ob dieser auch Lieferant in den anderen drei rechtskräftig abgeurteilten Fällen gewesen sei. Unabhängig davon, wie die Antwort des Beschwerdeführers ausfiele, ergäbe sich daraus keine Gefahr strafrechtlicher Verfolgung.

Dies versteht sich von selbst, soweit der Beschwerdeführer den jetzigen Beschuldigten nicht identifizieren könnte und deshalb Angaben zu den übrigen Fällen nicht mehr in Betracht kämen. Dies wäre aber auch der Fall, wenn der Beschwerdeführer ihn belasten und als seinen Lieferanten hinsichtlich einer oder mehrerer der abgeurteilten Taten der Einfuhr von Betäubungsmitteln bezeichnen würde. Wie sich dem Beschluss des Landgerichts hinreichend entnehmen lässt, fehlen konkrete Anhaltspunkte nicht nur für die Begehung weiterer Straftaten durch den Beschwerdeführer, sondern auch dafür, dass der Beschuldigte den Beschwerdeführer seinerseits zusätzlich belasten könnte. Weder die Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer selbst noch die gegen den niederländischen Beschuldigten geführten Ermittlungsverfahren haben Erkenntnisse gebracht, die einen entsprechenden Schluss zuließen. Weil sich im Zuge voranschreitender Ermittlungen, etwa bei einer verantwortlichen Vernehmung des Beschuldigten, nicht ausschließen lässt, dass sich solche Umstände ergeben könnten, ist unter Berücksichtigung der auch im niederländischen Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse ständig von Amts wegen zu prüfen, ob die Anordnung von Beugehaft noch zu rechtfertigen ist.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (vgl. § 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Hassemer, Sommer, Lübbe-Wolff

 

Fundstellen

Dokument-Index HI771840

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