Entscheidungsstichwort (Thema)

Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde

 

Beteiligte

Rechtsanwälte Prof. Dr. Konrad Redeker und Koll.

 

Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 26.11.1996; Aktenzeichen VI ZR 323/95)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde gemäß § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist. Die Beschwerdeführer haben es versäumt, vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts den Rechtsweg zu erschöpfen (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Rechtsweg grundsätzlich nicht erschöpft, wenn die Sache durch ein Revisionsgericht an die Vorinstanz zurückverwiesen wird. Die Bindungswirkung des Revisionsurteils hinsichtlich der für einen Beschwerdeführer ungünstigen Beurteilung der verfassungsrechtlichen Lage ändert daran nichts. Rechtsausführungen in den Gründen der Entscheidung schaffen für sich allein keine Beschwer im Rechtssinn. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Beschwerdeführerim Ergebnis mit seinem Begehren noch Erfolg haben kann (vgl. BVerfGE 8, 222 ≪224≫; 78, 58 ≪68≫).

Gemessen daran haben die Beschwerdeführer hier den Rechtsweg noch nicht erschöpft. Der Bundesgerichtshof hat die Sache mit dem angegriffenen Urteil im Umfang der Aufhebung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Es ist deshalb trotz der Bindungswirkung des § 565 Abs. 2 ZPO noch unklar, wie der Rechtsstreitim Ergebnis ausgeht. Vor allem mit Blick auf den umstrittenen Schadensersatzanspruch ist es offen, in welchem Maß die angeblich verfassungswidrigen Feststellungen des Bundesgerichtshofs zu einer grundrechtlichen Beschwer der Beschwerdeführer führen.

Aus der von den Beschwerdeführern herangezogenen Kommentierung bei Kley/Rühmann, in:Umbach/Clemens, BVerfGG, 1992, § 90 Rn. 85, ergibt sich nichts anderes. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht, worauf die Kommentierung verweist, bisweilen Verfassungsbeschwerden für zulässig gehalten, obwohl die Sache von dem Gericht, dessen Entscheidung angegriffen wurde, zurückverwiesen worden war. In den beiden zitierten Fällen (BVerfGE 75, 369 ≪375≫ und 82, 236 ≪258≫) handelte es sich aber um strafgerichtliche Verfahren, in denen über den Schuldspruch endgültig entschieden und nur noch über das Strafmaß zu befinden war. Den Entscheidungen darf deshalb keine überschießende Aussage entnommen werden. Denn mit Blick auf das Unwerturteil, das schon mit dem strafrechtlichen Schuldausspruch einhergeht, ist es einem Beschwerdeführer vielfach nicht zuzumuten, die ihn belastenden Feststellungen erst nach vollständiger Beendigung des Strafverfahrens anzugreifen. Diese Erwägung kommt mit Blick auf den Zivilprozess nicht zum Tragen.

So kann es in einem zivilgerichtlichen Verfahren nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Parteien nach einer Zurückverweisung durch das Revisionsgericht vor dem Instanzgericht vergleichen. Auf die vermeintlich verfassungswidrigen Feststellungen des Revisionsgerichts käme es dann nicht mehr an. Außerdem hängt bei einer Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung die verfassungsgerichtliche Beurteilung mit Blick auf die Annahmekriterien des § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG nicht zuletzt davon ab, wie intensiv sich die (vermeintliche) Grundrechtsverletzung für den Beschwerdeführer im Ergebnis auswirkt. Eine verfassungsgerichtliche Beurteilung der angegriffenen Entscheidung ist deshalb regelmäßig nicht möglich, solange noch nicht feststeht, welche Belastung daraus für den Beschwerdeführer erwächst. Aus diesen Gründen ist die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, bei einer Zurückverweisung durch das Revisionsgericht sei der Rechtsweg grundsätzlich noch nicht erschöpft, auch keine reine Förmelei, sondern von der Sache her geboten. Das gilt selbst dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – nicht zu erwarten ist, dass die Beschwerdeführer vor dem Oberlandesgericht ihr Prozessziel (Klagabweisung) vollständig erreichen werden.

Damit geht für die Beschwerdeführer keine Verkürzung des verfassungsgerichtlichen Schutzes einher. Es steht ihnen offen und ist ihnen auch zuzumuten, die (endgültige) Entscheidung des Oberlandesgerichts – möglicherweise wiederum nach vorheriger Anrufung des Bundesgerichtshofs – mit der Verfassungsbeschwerde anzugreifen. Im Rahmen einer solchen Verfassungsbeschwerde können die Beschwerdeführer dann auch die vermeintlich verfassungswidrigen Feststellungen des Bundesgerichtshofs, soweit eine Verurteilung darauf beruht, zum Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle machen.

2. Es ist weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs als „selbständig angreifbare Zwischenentscheidung” einzuordnen wäre. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vor. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Steiner, Hoffmann-Riem

 

Fundstellen

Haufe-Index 565177

NJW 2000, 3198

NVwZ 2000, 1285

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