Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Beschluss vom 11.02.2004; Aktenzeichen 2 Qs 18/04)

AG Pfaffenhofen a.d. Ilm (Beschluss vom 09.12.2003; Aktenzeichen 12 Js 11937/02)

AG Pfaffenhofen a.d. Ilm (Beschluss vom 24.07.2002; Aktenzeichen Gs 150/02, Gs 151/02)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫).

1. Soweit der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde rügt, dass ihm bei Erlass des Beschlusses des Landgerichts Ingolstadt rechtliches Gehör nicht gewährt worden sei, hat er den Rechtsweg nicht erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), weil er keinen Antrag nach § 33a StPO im fachgerichtlichen Verfahren gestellt hat, um sich nachträglich Gehör vor Gericht zu verschaffen (vgl. BVerfGE 33, 192 ≪194≫; 42, 172 ≪174≫; 42, 243 ≪245 ff.≫; 42, 252 ≪255≫). Dabei ist § 33a StPO so auszulegen und anzuwenden, dass er jeden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Beschlussverfahren erfasst (vgl. BVerfGE 42, 243 ≪250≫).

Ein solcher Verstoß kommt hier in Betracht. Indem im Verfahren nach § 98 Abs. 2 StPO der ablehnende Beschluss des Amtsgerichts Pfaffenhofen vom 9. Dezember 2003 dem Beschwerdeführer nicht bekannt gemacht wurde und das Landgericht Ingolstadt in seiner Beschwerdeentscheidung den Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 17. Oktober 2003 gleichzeitig sowohl als Antrag nach § 98 Abs. 2 StPO als auch als Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ausgelegt hat, hatte der Beschwerdeführer keine Möglichkeit, seine von der des Amtsgerichts abweichende Auffassung über den Prüfungsumfang bei § 98 Abs. 2 StPO hinsichtlich der Art und Weise einer Durchsuchung geltend zu machen.

2. a) Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Eingriffsanlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat. Der Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 ≪381 f.≫; 59, 95 ≪97 f.≫). Es ist jedoch auch in Betracht der Eingriffsintensität einer Wohnungsdurchsuchung verfassungsrechtlich nicht geboten, die Maßnahme vom Vorliegen eines erhöhten Verdachtsgrads abhängig zu machen, wie er für andere Maßnahmen gilt. Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit wie sie die akustische Wohnraumüberwachung nach Art. 13 Abs. 3 GG voraussetzt (vgl. Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 –, NJW 2004, S. 999 ff. ≪1012≫), verlangt die Wohnungsdurchsuchung gemäß Art. 13 Abs. 2 GG nicht. Aus den Umständen, die den Anfangsverdacht begründen, muss sich nicht bereits eine genaue Tatkonkretisierung ergeben.

Ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der einfach-rechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 ff.≫ und stRspr). Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des von den Fachgerichten angenommenen Verdachts ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 95, 96 ≪128≫).

b) Amts- und Landgericht sind gemessen an diesen Maßstäben ohne Verfassungsverstoß vom Vorliegen eines Anfangsverdachts gegen den Beschwerdeführer ausgegangen, der die ergangenen Durchsuchungsanordnungen rechtfertigte. Hinsichtlich des Verdachts der Urkundenfälschung wird dies auch vom Beschwerdeführer selbst nicht in Abrede gestellt. Aber auch hinsichtlich des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen beruht der Beschluss des Amtsgerichts Pfaffenhofen keineswegs ausschließlich auf vagen Vermutungen oder Gerüchten, die vom Gericht keiner eigenen Prüfung unterzogen worden wären (vgl. dazu den Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. September 1997 – 2 BvR 176/96 –, RdL 1997, S. 320 f.). Auch unter Berücksichtigung des korrekten Wortlauts der Aussage der mutmaßlich Geschädigten konnte ein nötigendes Verhalten des Beschwerdeführers mit sexuellem Hintergrund nicht ausgeschlossen werden. Die zumindest zweideutige Situation war ausreichend, um einen Anfangsverdacht zu bejahen.

Die Durchsuchungsanordnungen des Amtsgerichts bezeichnen die Taten, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wurden, und enthalten tatsächliche Angaben zu den Verdacht begründenden Erkenntnissen des Ermittlungsverfahrens. Den Durchsuchungsbeamten war hinreichend deutlich aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk zu richten hatten. Eine Suche ins Blaue hinein war mit diesen Maßgaben kaum möglich.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Hassemer, Osterloh, Mellinghoff

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1248476

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