Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Genossenschaftsmitglied: Haftung der Gesellschafter für Nachschusspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist als Außengesellschaft rechts- und parteifähig und kann als solche Mitglied einer Genossenschaft sein. Die Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts haften für deren Verbindlichkeiten akzessorisch.

2. Kündigt ein Genosse seine Mitgliedschaft, beurteilen sich die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Kündigung nach dem Zeitpunkt, in dem sie ausgeübt wird. Wird aufgrund einer späteren Satzungsänderung die Kündigungsfrist verkürzt, wirkt sich dies auf eine vorher erklärte Kündigung nicht aus.

3. Hält ein Genosse mehr als einen Geschäftsanteil, erhöht sich die Haftsumme, wenn sie niedriger als der Gesamtbetrag der Geschäftsanteile ist, kraft Gesetzes auf den Gesamtbetrag der Geschäftsanteile. Eine nachträgliche Haftsummenbeschränkung muss unmissverständlich aus der Satzung hervorgehen. Ist dies nicht der Fall, ist die Haftsummenbeschränkung unwirksam.

 

Normenkette

GenG §§ 105, 111-112, 119, 121

 

Verfahrensgang

LG Neuruppin (Urteil vom 09.06.2005; Aktenzeichen 1 O 85/05)

 

Tenor

Die Berufungen der Kläger zu 2) und 3) gegen das am 9.6.2005 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Neuruppin - 1 O 85/05 -, berichtigt durch Beschluss vom 22.7.2005, werden zurückgewiesen.

Von den zweitinstanzlich entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Klägerin zu 1) 30 %, die Kläger zu 2) und 3) als Gesamtschuldner 37 %, die Klägerin zu 7) 13 %, der Kläger zu 8) 4 % und die Klägerin zu 9) 16 %.

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1) 10 %, die Kläger zu 2) und 3) 78 % als Gesamtschuldner, die Klägerin zu 7) 5 %, der Kläger zu 8) 2 % und die Klägerin zu 9) 5 %.

Die Kläger zu 1), 2), 3), 7), 8) und 9) tragen die zweitinstanzlich entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der R.-M. Genossenschaft W. eG (Insolvenzschuldnerin), das auf den Antrag der Insolvenzschuldnerin vom 27.11.2003 mit Beschluss des AG Neuruppin vom 25.3.2004 eröffnet wurde. Er nimmt die Kläger auf Zahlung von Vorschüssen auf Nachschüsse zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger in Anspruch.

Die Kläger sind bzw. waren milcherzeugende Betriebe, die Anteile an der Insolvenzschuldnerin hielten. Dabei hielten sie Anteile, deren Anzahl sich nach der ihnen zustehenden Referenzmenge (Milchquote) richtete. Der Geschäftsanteil betrug 30 DM.

Die Kläger zu 2) und 3) betrieben den Milchviehbetrieb S. GbR, der die Insolvenzschuldnerin mit Milch belieferte.

Die Satzung der Insolvenzschuldnerin vom Mai 1993 enthielt in § 38 folgende Regelung:

Die Nachschusspflicht der Mitglieder ist auf die Haftsumme beschränkt. Die Haftsumme beträgt 1.000 DM.

Diese Satzung wurde in der Generalversammlung vom 2.11.1994 vollständig aufgehoben und neu gefasst. In der Neufassung heißt es u.a.:

§ 5

1. Jedes Mitglied hat das Recht, seine Mitgliedschaft zum Schluss eines Geschäftsjahres zu kündigen.

2. Soweit das Mitglied mit mehreren Geschäftsanteilen beteiligt ist, ohne hierzu durch die Satzung oder eine Vereinbarung der Genossenschaft verpflichtet zu sein, kann es seine Beteiligung mit einem oder mehreren seiner weiteren Geschäftsanteile zum Schluss eines Geschäftsjahres kündigen.

3. Die Kündigung muss schriftlich erklärt werden und der Genossenschaft mindestens 24 Monate vor Schluss des Geschäftsjahres zugehen. Sie darf frühestens nach zwölfmonatiger Zugehörigkeit zur Molkereigenossenschaft erklärt werden.

§ 37 Abs. 3

... Jedes Mitglied ist verpflichtet, sich für je 1.000 kg Jahresreferenzmenge mit einem Geschäftsanteil zu beteiligen. ...

§ 40:

Die Nachschusspflicht der Mitglieder ist auf die Haftsumme beschränkt. Die Haftsumme je Mitglied beträgt 1.000 DM.

Dies wurde zum Register, das beim AG N. geführt wird, angemeldet. Am 3.1.1995 trug das Registergericht Folgendes in das Register ein:

Durch Beschluss der Generalversammlung vom 2.11.1994 ist die Satzung neu gefasst, insb. in den §§ 1 (Firma), 2 (Gegenstand), 15 (Vertretung) und 46 (Bekanntmachung).

Die Änderung ggü. dem alten § 38 in § 40 der Neufassung der Satzung wurde weder in das Handelsregister eingetragen noch im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Aufgrund eines Beschlusses der Generalversammlung der Insolvenzschuldnerin vom 15.5.2002 (Protokoll Bl. 170-188 d.A.) wurde § 5 Nr. 3 der Satzung wie folgt ergänzt:

Die Kündigungsfrist für einzelne Geschäftsanteile gem. Absatz 2 beträgt drei Monate zum Schluss des Geschäftsjahres.

Außerdem wurde § 37 Abs. 3 S. 3 und 4 der Satzung aufgehoben. Diese Satzungsänderung wurde am 12.7.2002 in das Genossenschaftsregister eingetragen.

Der Beklagte beantragte unter dem 15.6.2004 (Bl. 42-53 d.A.) beim AG N., die von ihm erstellte Vorschussberechnung für vollstreckbar zu erklären, weil er davon ausging, dass die Differenz zwischen realisierbarer Aktivmasse der Inso...

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