Leitsatz (amtlich)

Die Zahlung einer Kommanditgesellschaft an ihren Kommanditisten, der ein gewinnunabhängiges Zahlungsversprechen im Gesellschaftsvertrag zugrunde liegt, ist nicht schon deswegen unentgeltlich, weil die Zahlung nicht durch Gewinne der Kommanditgesellschaft gedeckt ist.

 

Normenkette

InsO § 134 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Urteil vom 29.07.2016; Aktenzeichen 7 S 21/15)

AG Vaihingen (Entscheidung vom 20.08.2015; Aktenzeichen 1 C 517/14)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Heilbronn vom 29.7.2016 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Gläubigerantrag vom 29.9.2011 am 9.12.2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Z. J. GmbH & Co. Prozesskostenfonds KG (nachfolgend: Schuldnerin), einer Publikums-KG, an der sich der Beklagte als Kommanditist mit einer in das Handelsregister eingetragenen Hafteinlage von 20.000 EUR beteiligte.

Rz. 2

§ 18.6 des Gesellschaftsvertrages lautet: "Für die Geschäftsjahre 2004 bis einschließlich 2008 erhalten die Kommanditisten vorab eine garantierte Verzinsung auf die von ihnen geleistete Kommanditeinlage i.H.v. 6 v.H. per anno für den Zeitraum vom Tage der Wertstellung der Einlage auf dem Konto der Gesellschaft bis zum jeweiligen Ende des Geschäftsjahres, zahlbar bis jeweils Ende des 3. Monats des Folgejahres. Es wird auf den Zinsgarantievertrag verwiesen. Die Verzinsung wird auf das Ergebnis angerechnet."

Rz. 3

Im Geschäftsjahr 2007 erzielte die Schuldnerin keine Gewinne. Am 31.3.2008 zahlte die Schuldnerin an den Beklagten einen als Garantieausschüttung für das Jahr 2007 bezeichneten Betrag von 1.200 EUR. Die auf anfechtungsrechtliche Rückgewähr dieses Betrages nebst Zinsen gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 4

Die Revision ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

I.

Rz. 5

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch stehe dem Kläger nicht zu, weil die Zahlung an den Beklagten keine unentgeltliche Leistung i.S.v. § 134 Abs. 1 InsO sei. Es handele sich nicht um die Zahlung eines Scheingewinns, sondern um eine in § 18.6 des Gesellschaftsvertrags vorgesehene, gewinnunabhängige Ausschüttung, für die sich die Frage nach einem der Zahlung ausgleichenden Gewinn nicht stelle. Hieran ändere auch die vereinbarte Anrechnung auf etwaige Gewinne nichts, eine Rückzahlung bei ausbleibenden Gewinnen sei gerade nicht vereinbart. Unentgeltlichkeit liege auch nicht deswegen vor, weil die Auszahlung der Sache nach eine Rückgewähr der Einlage bilde; andernfalls würden - jedenfalls wenn ein vertraglicher Anspruch auf Auszahlung bestände - die Regelungen der §§ 171, 172 HGB unterlaufen.

II.

Rz. 6

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen mit Recht angenommen, dass die Leistung an den Beklagten nicht unentgeltlich i.S.v. § 134 Abs. 1 InsO erfolgte.

Rz. 7

1. Unentgeltlich ist eine Leistung im hier gegebenen Zwei-Personen-Verhältnis, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2015 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231; v. 15.9.2016 - IX ZR 250/15, WM 2016, 2312 Rz. 20 f.). Zahlungen, mit denen eine Kommanditgesellschaft den Anspruch auf Rückgewähr einer Einlage oder auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens erfüllt, sind keine unentgeltlichen Leistungen (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.2010 - IX ZR 225/09, ZIP 2010, 1455 Rz. 11; v. 18.7.2013 - IX ZR 198/10, NJW 2014, 305 Rz. 9). Auszahlungen von in "Schneeballsystemen" erzielten Scheingewinnen können demgegenüber unbeschadet eines ordnungsgemäßen Zustandekommens des Gewinnverwendungsbeschlusses als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO angefochten werden (BGH, Urt. v. 22.4.2010, a.a.O.; vom 18.7.2013, a.a.O.). Erhält ein Anleger in derartigen Fällen Auszahlungen, die sowohl auf Scheingewinne als auch auf die Einlage erfolgen, so sind diese nur gem. § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar, soweit es um die Auszahlung auf Scheingewinne geht. Die Rückzahlung der Einlage stellt in diesen Fällen regelmäßig den Gegenwert für die vom Anleger erbrachte Einlage dar (BGH, Urt. v. 22.4.2010, a.a.O.).

Rz. 8

2. Das Berufungsgericht hat zutreffend eine Unentgeltlichkeit der Leistung an den Beklagten verneint.

Rz. 9

a) Über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hinaus sind Ausschüttungen an die Kommanditisten zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht oder die Ausschüttung durch das Einverständnis aller Gesellschafter gedeckt ist (BGH, Urt. v. 12.3.2013 - II ZR 73/11, NJW 2013, 2278 Rz. 9 m.w.N.). Solche Ausschüttungen können in der Weise vereinbart werden, dass sie auch insoweit zu gewähren und zu belassen sind, als sie nicht durch Gewinne gedeckt sind, also letztlich in Form einer festen Kapitalverzinsung oder garantierter Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals gehen (BGH, a.a.O.). Sie sind entgeltlich, wenn sie die Gegenleistung für die Pflichteinlage darstellen. So verhält es sich hier.

Rz. 10

aa) Der Gesellschaftsvertrag gewährt hier den Kommanditisten für ihre tatsächlich geleistete Einlage einen Anspruch auf eine gewinnunabhängige Ausschüttung. Dies kann der Senat selbst feststellen, weil Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften nach ihrem objektiven Erklärungsbefund auszulegen sind (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 19.7.2011 - II ZR 153/09, NZG 2011, 1142 Rz. 11; v. 12.3.2013 - II ZR 73/11, NJW 2013, 2278 Rz. 13). Zwar ist § 18 des Gesellschaftsvertrags mit "Ergebnisverteilung" überschrieben. Aber nach dem insoweit klaren Wortlaut der Regelung in § 18.6 wird den Kommanditisten eine Verzinsung mit einem festen, gewinnunabhängigen Zinssatz garantiert. Dass diese Zinszahlungen auf etwaige Gewinne angerechnet werden, lässt die Verpflichtung zu deren Zahlung nicht für den Fall entfallen, dass Gewinne tatsächlich nicht erwirtschaftet werden. Entgegen dem Revisionsvorbringen kann sich anderes weder aus dem nur auszugsweise vorgelegten Anlageprospekt (Anlage K 20) noch aus dem sog. Ausschüttungsgarantievertrag (Anlage K 7) ergeben. Der Prospekt spricht von "Garantieausschüttungen" und "garantierten Vorabausschüttungen" und stellt diesen "Ausschüttungen, wie in den Planzahlen offeriert", gegenüber, die sich nach dem wirtschaftlichen Ergebnis der Gesellschaft richten. Nach dem Ausschüttungsgarantievertrag (in § 18.6 des Gesellschaftsvertrags als Zinsgarantievertrag bezeichnet) hat die J. AG die "abstrakte Garantieerklärung" abgegeben, der Schuldnerin einen Betrag zur Begleichung der "vertraglich vereinbarten" 6 v.H. p.a. zur Verfügung zu stellen, falls die Ertragslage der Schuldnerin eine solche Zahlung ganz oder teilweise nicht zulässt.

Rz. 11

bb) Ebenso wenig sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Kommanditisten die Auszahlungen gem. § 18.6 des Gesellschaftsvertrags unter dem Vorbehalt einer Rückforderung erhalten haben. Dass der Gesellschaftsvertrag keine dahingehende Regelung enthält, steht zwar der Annahme einer gewinnabhängigen Vorabausschüttung nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2013 - IX ZR 198/10, NJW 2014, 305 Rz. 40). Aus deren Fehlen kann aber nicht geschlossen werden, es müsse sich (deswegen) um gewinnabhängige Vorabausschüttungen handeln. Vielmehr ist ein Kommanditist, wenn an ihn auf der Grundlage einer Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag eine Auszahlung geleistet wurde, obwohl sein Kapitalanteil durch Verlust unter den auf die bedungene Einlage geleisteten Betrag herabgemindert ist oder durch die Auszahlung unter diesen Betrag herabgemindert wird oder eine bereits bestehende Belastung vertieft wird, nur dann zur Rückzahlung an die Gesellschaft verpflichtet, wenn der Gesellschaftsvertrag dies hinreichend klar vorsieht (vgl. BGH, Urt. v. 12.3.2013, a.a.O., Rz. 8, 10; v. 16.2.2016 - II ZR 348/14, NJW-RR 2016, 550 Rz. 10, 15; OLG Hamm, Urt. v. 4.2.2015 - 8 U 89/14, juris Rz. 58; OLG Hamburg, Urt. v. 14.10.2016 - 11 U 23/16, juris Rz. 48 ff.). Eine solche Regelung wird von der Revision nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.

Rz. 12

cc) Die Vorschriften des Handelsgesetzbuches stehen einer derartigen Vertragsgestaltung nicht entgegen. Sie kennen für die Kommanditgesellschaft keinen im Innenverhältnis wirkenden Kapitalerhaltungsgrundsatz. Die Gesellschafter können ihre Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis insoweit untereinander und zur Gesellschaft weitgehend frei gestalten (BGH, Urt. v. 12.3.2013, a.a.O., Rz. 12; vom 16.2.2016, a.a.O., Rz. 10). Deswegen kann entgegen der Auffassung der Revision auch der Umstand, dass es sich bei der Zahlung an den Beklagten mangels erwirtschafteter Gewinne um die Rückgewähr von Einlagen handele, keine Unentgeltlichkeit der Leistung i.S.v. § 134 InsO begründen. Solche Zahlungen können zwar zu einer Haftung nach §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1 HGB führen. Diese Vorschriften betreffen aber ausschließlich die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern im Außenverhältnis und nicht dessen Verhältnis zur Gesellschaft (BGH, Urt. v. 12.3.2013, a.a.O.; vom 16.2.2016, a.a.O.).

Rz. 13

b) Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Ausübung des Anspruchs auf Auszahlung der garantierten Zinsen zum Zeitpunkt der Zahlung vorliegend nicht durch eine Treuepflicht des Gesellschafters eingeschränkt. Auf die Senatsentscheidung vom 18.7.2013 (IX ZR 193/10, NJW 2014, 305, 310 Rz. 44) kann sich die Revision insoweit nicht berufen, als diese Vorauszahlungen auf künftig aller Voraussicht nach nicht anfallende Gewinne betrifft, die nur aus Einlagen neu beitretender Gesellschafter finanziert werden können.

Rz. 14

3. Ob das Klagebegehren auch unter dem Gesichtspunkt der §§ 171 ff. HGB, § 93 InsO hätte geprüft werden müssen, bedarf keiner Entscheidung. Die Klagebegründung ist ausschließlich auf die Voraussetzungen der §§ 143, 134 InsO ausgerichtet. Das Vorliegen der Voraussetzungen der § 171 Abs. 4, Abs. 1 HGB ist nicht schlüssig dargetan; hinreichend konkreten Vortrag, den die Vordergerichte übergangen haben, behauptet die Revision nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 10900934

DB 2017, 1771

DStR 2017, 1941

EWiR 2017, 503

MittBayNot 2018, 62

NZG 2017, 984

WM 2017, 1312

WuB 2017, 620

ZIP 2017, 1284

JZ 2017, 552

MDR 2017, 1148

NZI 2017, 7

NZI 2017, 713

ZInsO 2017, 1902

KSI 2017, 232

NJW-Spezial 2017, 663

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