Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen des Transparenzgebots an die Verständlichkeit einer mit einem Verbraucher als Darlehensgeber formularmäßig vereinbarten Rangrücktrittsklausel.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2 BI, S. 2 CI

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 02.06.2016; Aktenzeichen 14 S 137/15)

AG Lübeck (Urteil vom 19.05.2015; Aktenzeichen 33 C 3293/14)

 

Tenor

Hinsichtlich der Kostenforderung von 438,46 EUR nebst Zinsen ist der Rechtsstreit unterbrochen.

Im Übrigen wird das Urteil der 14. Zivilkammer des LG Lübeck vom 2.6.2016 auf die Revision der Klägerin - und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das LG die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des AG Lübeck vom 19.5.2015 hinsichtlich des Anspruchs gegen den damaligen Beklagten F. R. auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 4.572 EUR zurückgewiesen hat. Die Klage auf Feststellung gegenüber dem beklagten Insolvenzverwalter, dass die Forderung i.H.v. 4.572 EUR auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung des Schuldners beruht, wird als unzulässig abgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die D. GmbH & Co. KG, die frühere Beklagte zu 1) (nachfolgend: Schuldnerin), über deren Vermögen am 28.3.2014 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, befasste sich mit Umweltfragen, insb. der finanziellen Vorbereitung von Bauvorhaben zur Erzeugung und Verwertung von erneuerbaren Energien. Komplementärin der Schuldnerin ist die D. Verwaltungs GmbH, deren Geschäftsführer der frühere Beklagte (nachfolgend: Schuldner) ist, über dessen Vermögen während des vorliegenden Revisionsverfahrens am 5.7.2016 ebenfalls ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die finanziellen Mittel zur Verfolgung ihres Unternehmensgegenstandes warb die Schuldnerin, die über keine bankrechtliche Erlaubnis verfügte, auf dem freien Kapitalmarkt mit Hilfe von Nachrangdarlehen ein.

Rz. 2

Die Klägerin, eine Zahnarzthelferin, gewährte der Schuldnerin am 4.8.2012 ein Nachrangdarlehen über 6.000 EUR. Vereinbart wurde ein Zinssatz von 7,5 vom Hundert jährlich sowie ein Bonusanspruch auf 150 vom Hundert des gewährten Nachrangdarlehens, auf den die während der Laufzeit des Darlehens gezahlten Zinsen anzurechnen sein sollten. Die Vereinbarung ist mit "Angebot über den Abschluss eines Nachrangdarlehensvertrages" überschrieben. Auf der ersten Seite findet sich unter "Vorbemerkung" auszugsweise folgender Hinweis:

"Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass es sich hier nicht um ein eigentliches Darlehen handelt, sondern um eine Sonderform, bei der kein unbedingter Rückzahlungsanspruch des Nachrangdarlehensgebers besteht, sondern dieser hinsichtlich Zins- und Rückzahlungsanspruch sowie hinsichtlich des Bonusanspruchs qualifiziert nachrangig ist und es sich insofern um bedingt rückzahlbare Gelder handelt. Dieses ist in dem Umfang der Fall, in dem es erforderlich ist, eine Krise der Nachrangdarlehensnehmerin insbesondere im Hinblick auf Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu vermeiden; insbesondere in dieser Situation sind Rückzahlungsansprüche und Zinsansprüche und Bonusansprüche des Nachrangdarlehensgebers ausgeschlossen; damit ist für den Nachrangdarlehensgeber die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung und auf Zinszahlung und auf Bonus solange und soweit ausgeschlossen, wie sie einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Nachrangdarlehensnehmerin herbeiführen würde. Dies bedeutet insbesondere, dass keine irgendwie geartete Pflicht des Nachrangdarlehensgebers besteht, über die vereinbarten Nachrangdarlehensbeträge hinaus weitere Zahlungen an die Nachrangdarlehensnehmerin zu leisten. Dem Nachrangdarlehensgeber ist der Umstand bekannt, dass die Rückzahlung des Nachrangdarlehens ebenso wie die Zahlung der Zinsen und des Bonus maßgeblich davon abhängig ist, dass dies die finanzielle Lage der Nachrangdarlehensnehmerin erlaubt. Das Risiko, den an die Nachrangdarlehensnehmerin gezahlten Nachrangdarlehensbetrag teilweise oder gar ganz nicht zurückzuerhalten, ist dem Nachrangdarlehensgeber ebenso bekannt wie das Risiko, nur einen Teil der Zinsen oder gar keine Zinsen oder nur einen Teilbonus oder gar keinen Bonus zu erhalten."

Rz. 3

Nach der Überschrift "Qualifizierter Nachrang" enthält Nr. 5 des Vertrages folgende Bestimmung:

"Zwischen der Nachrangdarlehensnehmerin und dem Nachrangdarlehensgeber wird nochmals ausdrücklich hinsichtlich der Rückzahlungs- und Zinsansprüche sowie der Bonusansprüche des Nachrangdarlehensgebers vereinbart, dass diese Ansprüche qualifiziert nachrangig sind und dass es sich jeweils nicht um einen unbedingten Rückzahlungsanspruch handelt, sondern um einen solchen, der von der wirtschaftlichen Entwicklung der Nachrangdarlehensnehmerin abhängt und somit nicht entsteht, wenn eine Krise vorliegt, insbesondere Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Nachrangdarlehensnehmerin. In diesem Fall, wie auch im Falle der Liquidation oder der Insolvenz der Nachrangdarlehensnehmerin tritt der Nachrangdarlehensgeber mit seinen Ansprüchen hinter alle anderen Gläubiger zurück, die nicht nachrangig sind. In diesen Fällen erfolgt die Zahlung immer erst nach Ablösung der nicht nachrangigen Verbindlichkeiten."

Rz. 4

Die Schuldnerin führte das Darlehen gegenüber der Klägerin i.H.v. 1.428 EUR zurück. Vorliegend hat die Klägerin - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - den Schuldner gestützt auf § 823 Abs. 2 BGB, §§ 32, 54 KWG auf Erstattung des Restdarlehensbetrages von 4.572 EUR sowie Zahlung von weiteren 438,46 EUR jeweils zzgl. Zinsen in Anspruch genommen. Ferner hat sie die Feststellung begehrt, dass der Anspruch auf einer vorsätzlich begangenen deliktischen Handlung beruht.

Rz. 5

Das AG hat das antragsgemäß gegen den Schuldner ergangene Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Begehren weiter. Die Klägerin hat nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners die Forderung über 4.572 EUR zur Tabelle angemeldet. Infolge des Bestreitens durch den Beklagten begehrt sie nunmehr die Feststellung dieser Forderung und der Kostenforderung über 438,46 EUR zur Tabelle sowie die weitere Feststellung gegen den Beklagten, dass der Schaden auf einer vorsätzlich begangenen deliktischen Handlung beruht.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 6

Die Revision ist teilweise begründet und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Rz. 7

Die Klägerin hat das unterbrochene Verfahren im Blick auf die Hauptforderung i.H.v. 4.572 EUR wirksam aufgenommen.

Rz. 8

Das Revisionsverfahren ist mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gem. § 240 ZPO unterbrochen worden. Ist - wie hier - in einem Insolvenzverfahren eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es gem. § 179 Abs. 1 InsO dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung gem. § 180 Abs. 2 InsO durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Die Aufnahme des Rechtsstreits ist auch möglich, wenn der Rechtsstreit zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Revisionsinstanz anhängig war (BGH, Beschl. v. 31.10.2012 - III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rz. 7 f.). Der Gläubiger kann den wegen einer Insolvenzforderung geführten und durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochenen Rechtsstreit erst aufnehmen, wenn die Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet und geprüft worden und bestritten geblieben ist (BGH, Urt. v. 3.7.2014 - IX ZR 261/12 NJW-RR 2014, 1270 Rz. 9). Dies ist im Streitfall hinsichtlich der Hauptforderung über 4.572 EUR geschehen. Mit Schriftsatz vom 8.4.2019 hat die Klägerin das Verfahren aufgenommen.

Rz. 9

Soweit die Klägerin die Feststellung einer Kostenforderung von 438,46 EUR beansprucht, fehlt es - worauf der Senat den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - an der Zulässigkeitsvoraussetzung einer Aufnahme des Rechtsstreits nach einer ordnungsgemäßen Anmeldung. Der Gläubiger kann den wegen einer Insolvenzforderung geführten und durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochenen Rechtsstreit erst aufnehmen, wenn die Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet und geprüft worden und bestritten geblieben ist (BGH, Urt. v. 3.7.2014 - IX ZR 261/12 NJW-RR 2014, 1270 Rz. 10). Dies ist hinsichtlich der Nebenforderung nicht geschehen. Die Anmeldung zur Tabelle ist Sachurteilsvoraussetzung; eine Feststellungsklage ohne Anmeldung ist unzulässig (BGH, Urt. v. 11.10.2018 - IX ZR 217/17 WM 2018, 2099 Rz. 14).

II.

Rz. 10

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Rz. 11

Die Klägerin könne sich nicht auf § 823 Abs. 2 BGB, §§ 32, 54 KWG als Anspruchsgrundlage berufen. Ein Verstoß gegen §§ 32, 54 KWG und damit eine Schutzgesetzverletzung sei nicht festzustellen. Es handele sich bei dem zwischen der Klägerin und der Schuldnerin geschlossenen Vertrag nicht um ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft oder eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung, weil zwischen den Vertragspartnern eine wirksame qualifizierte Nachrangabrede getroffen worden sei.

Rz. 12

Die Nachrangabrede sei nicht überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB). Bei einer auch nur überschlägigen Lektüre der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätte die Klägerin Klarheit erlangen können, dass es sich nicht um einen üblichen Darlehensvertrag, sondern um die Vereinbarung eines Darlehens mit qualifiziertem Nachrang handele. Dafür spreche die drucktechnisch hervorgehobene Überschrift "Nachrangdarlehensvertrag" und die Bezeichnung der Vertragspartner als Nachrangdarlehensgeberin und Nachrangdarlehensnehmerin sowie der weitere Vertragstext, der den Begriff der Überschrift aufgreife und fortführe.

Rz. 13

Die Klägerin werde durch die Nachrangdarlehensvereinbarung im Rahmen der hier anzustellenden Gesamtbetrachtung nicht unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es entspreche dem Wesen eines Nachrangdarlehens, dass es vom gesetzlichen Standardmodell des Darlehensvertrages abweiche. Selbst wenn sich die Kontrolle auf das Produktmerkmal des Nachrangs erstrecke, sei festzustellen, dass die Abrede mit einer weit über dem Durchschnitt der am Markt für Kapitalanlagen erzielbaren Rendite korrespondiere. Dem Verlustrisiko hinsichtlich der Darlehensvaluta habe nach den Vereinbarungen eine hohe Gewinnchance gegenübergestanden.

Rz. 14

Der Vertrag sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Intransparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam. Die vertraglichen Bestimmungen wiesen ausgehend von der Überschrift durchgehend darauf hin, dass es sich hier nicht um ein konventionelles Darlehen handele. Zu einer weiteren Erläuterung gängiger Rechtsbegriffe und der daraus folgenden Pflichten sei der Verwender nicht verpflichtet.

III.

Rz. 15

Diese Würdigung hält rechtlicher Prüfung in einem Punkt nicht stand.

Rz. 16

1. Die Tabellenfeststellungsklage kann Erfolg haben, soweit die Klägerin ihre Hauptforderung i.H.v. 4.572 EUR mit der Revision verfolgt. Der Schuldner kann der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG auf Schadensersatz haften, weil er im Rahmen der mit der Klägerin vereinbarten Darlehen ohne die dafür erforderliche behördliche Erlaubnis Bankgeschäfte in Form der Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 KWG betrieben hat.

Rz. 17

a) Die Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG stellt ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers dar (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 - VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1 Rz. 11; v. 16.10.2018 - VI ZR 459/17 NJW-RR 2019, 170 Rz. 7).

Rz. 18

b) Das Vorliegen eines Einlagengeschäfts i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG setzt die Annahme von Geldern voraus. Darunter ist zunächst die tatsächliche Entgegennahme von Bargeld bzw. - bei Buchgeld - die Kontogutschrift zu verstehen (BGH, Urt. v. 19.3.2013, a.a.O., Rz. 18; v. 10.7.2018 - VI ZR 263/17 NJW-RR 2018, 1250 Rz. 16).

Rz. 19

Einlagen und anderen unbedingt rückzahlbaren Geldern des Publikums i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG ist gemein, dass der Kapitalgeber die eingezahlten Gelder bei Fälligkeit ohne zusätzliche Voraussetzung jederzeit wieder zurückfordern kann. Hieran fehlt es, wenn zwischen dem Kapitalgeber und dem Kapitalnehmer eine sog. qualifizierte Nachrangabrede des Inhalts getroffen wird, dass die Forderung des Kapitalgebers außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus ungebundenem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämtlicher normaler Insolvenzgläubiger befriedigt werden darf. Eine solche Abrede steht der Annahme einer Einlage oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums und damit eines Einlagengeschäfts i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG entgegen (BGH, Urt. v. 10.7.2018, a.a.O., Rz. 21).

Rz. 20

c) Voraussetzung für die entsprechende Wirkung einer qualifizierten Nachrangabrede ist allerdings, dass die Abrede wirksam ist. Denn nur eine wirksame Nachrangabrede kann einem ansonsten unbedingten Auszahlungsanspruch entgegenstehen. Stellt sich die in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Abrede also etwa als überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB dar und wurde sie deshalb nicht Vertragsbestandteil oder hält sie der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand, steht sie auch der Annahme eines Einlagengeschäfts nicht entgegen (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 22).

Rz. 21

d) Im Streitfall ist ein der Erlaubnispflicht des §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 KWG entzogenes qualifiziertes Nachrangdarlehen nicht gegeben. Zwar sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Schuldnerin den Abschluss eines qualifizierten, keinen unbedingten Rückzahlungsanspruch begründenden Nachrangdarlehensvertrages vor. Die formularmäßige Abrede ist jedoch unwirksam, weil den Anforderungen des Transparenzgebots (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht genügt ist. Der Senat kann die Auslegung der verwendeten Geschäftsbedingungen uneingeschränkt überprüfen (vgl. BGH, Urt. v. 9.6.2010 - VIII ZR 294/09 NJW 2010, 2877 Rz. 11; v. 9.4.2014 - VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rz. 25).

Rz. 22

aa) Die Nachrangabrede verstößt, weil die Voraussetzungen ihres Anwendungsbereichs nicht klar umrissen sind, gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB.

Rz. 23

(1) Die Verwendung einer qualifizierten Rangrücktrittsklausel in einem Darlehensvertrag bewirkt eine Wesensänderung der Geldhingabe vom bankgeschäftstypischen Darlehen mit unbedingter Rückzahlungsverpflichtung hin zur unternehmerischen Beteiligung mit einer eigenkapitalähnlichen Haftungsfunktion. Diese Wesensänderung muss für die angesprochenen Verkehrskreise, insb. Anleger ohne Erfahrung in Fragen der Unternehmensfinanzierung oder des Insolvenzrechts, hinreichend deutlich zutage treten, um von einer Geldhingabe unter bewusster Inkaufnahme eines unternehmerischen Geschäftsrisikos über das ohnehin bestehende allgemeine Insolvenzausfallrisiko hinaus auszugehen (BaFin-Merkblatt: Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts, Stand: März 2014, NZG 2014, 379, 381).

Rz. 24

(2) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Der Verwender muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Dies gilt auch für die Bestimmungen zu den Hauptleistungspflichten (§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB; BGH, Urt. v. 6.12.2018 - IX ZR 143/17 WM 2019, 592 Rz. 35). Angesichts der Verwendung der Darlehensbedingungen gegenüber Verbrauchern sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden - juristisch unvorgebildeten - Durchschnittskunden maßgeblich (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1988 - III ZR 288/87, BGHZ 106, 42, 49).

Rz. 25

(3) In allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern ist eine qualifizierte Nachrangvereinbarung nur dann hinreichend transparent, wenn aus ihr die Rangtiefe, die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, deren Dauer und die Erstreckung auf die Zinsen (vgl. Schmidt, ZIP 2015, 901, 905) klar und unmissverständlich hervorgehen (vgl. Poelzig, WM 2014, 917, 926 f.; Gehrlein, WM 2017, 1385, 1387 f.). Dies erfordert auch, dass die Voraussetzungen der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre hinreichend deutlich erläutert werden, insb. die Klausel klarstellt, inwieweit die Ansprüche aus dem Darlehen bereits dann nicht mehr durchsetzbar sind, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Leistungsverlangens bereits zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder dies zu werden droht (BGH, Urt. v. 6.12.2018 - IX ZR 143/17, BGHZ 220, 280 Rz. 36).

Rz. 26

bb) Diesen rechtlichen Anforderungen wird das hier zu beurteilende Klauselwerk nicht gerecht. Der Inhalt der im Zusammenhang mit der Nachrangigkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs verwendeten Vertragsbedingungen war für die Klägerin als bei Verträgen der vorliegenden Art typischerweise zu erwartende Durchschnittskundin nicht hinreichend nachvollziehbar.

Rz. 27

(1) Die formularmäßige Einschränkung, wonach die Rückzahlung "maßgeblich" davon abhängig sein soll, dass "dies die finanzielle Lage der Schuldnerin erlaubt", lässt nicht erkennen, unter welchen konkreten Voraussetzungen keine Rückzahlung verlangt werden kann. Auch die Anknüpfung an die "Krise" als Schüsselbegriff der Klauseln für den Ausschluss des Rückzahlungsanspruchs entbehrt der gebotenen Konkretisierung. Welche Sachverhalte mit Krise gemeint sind, wird nicht hinreichend bestimmt erläutert. Die nachfolgende Bezugnahme auf Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung enthält zwar juristische Begriffe bestimmten Inhalts. Sie ist gleichwohl nicht geeignet, die Sachverhalte, unter denen der Nachrang eintritt, hinreichend bestimmt und abschließend zu regeln, weil es sich dabei - wie die einschränkende Wendung "insbesondere" belegt - nur um eine beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung handelt, anhand derer dem Durchschnittskunden nicht erkennbar ist, auf welche Sachverhalte sich die Klausel über die Fälle der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung hinaus möglicherweise noch erstreckt. Zudem eröffnet die Verknüpfung mit einer nicht näher bestimmten Krise, die es "zu vermeiden" gilt, Interpretationsspielräume, zu welchem Zeitpunkt die Durchsetzungssperre eingreift.

Rz. 28

(2) Soweit die Vorbemerkung und Nr. 5 der Darlehensbedingungen bestimmen, dass Zahlungsansprüche ausgeschlossen sind, solange und soweit sie einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin herbeiführen, entbehrt diese Regelung einer hinreichend bestimmten Festlegung der Sachverhalte, die den Nachrang auslösen. Ein solcher allgemeiner Verweis genügt angesichts der unterschiedlichen Insolvenzeröffnungsgründe nicht (BGH, Urt. v. 6.12.2018 - IX ZR 143/17, BGHZ 220, 280 Rz. 41). Die - ohnehin nur im Zusammenhang mit dem Begriff Krise - erfolgte Anknüpfung an Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung genügt schon deshalb nicht, weil die Formulierung "insbesondere" nahelegt, dass weitere ungenannte Umstände den Nachrang begründen können. Der Begriff eines "qualifiziert nachrangigen" Darlehens, das keinen "unbedingten Rückzahlungsanspruch" begründet, ist den angesprochenen Verkehrskreisen fremd.

Rz. 29

(3) Zudem zeigen die Darlehensbedingungen nicht unmissverständlich auf, dass die Nachrangklausel nicht nur nach, sondern auch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.2018 - IX ZR 143/17, BGHZ 220, 280 Rz. 40 ff.). Einem Durchschnittskunden wird nicht in der gebotenen Klarheit verdeutlicht, dass sein Rückzahlungsanspruch bereits vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausgeschlossen sein kann und der Ausschluss dieser Ansprüche aufgrund der Nachrangklausel dauerhaft für unbegrenzte Zeit wirken kann (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 42).

Rz. 30

(4) Im Gegenteil wird die Rechtslage unzutreffend dargestellt und das bestehende Risiko verharmlost, soweit die Vorbemerkung hervorhebt, dass der Nachrang "insbesondere" bedeutet, dass "keine irgendwie geartete Pflicht des Nachrangdarlehensgebers besteht, über die vereinbarten Nachrangdarlehensbeträge hinaus weitere Zahlungen an die Nachrangdarlehensnehmerin zu leisten". Dieser Hinweis ist geeignet, bei den Adressaten die unzutreffende Schlussfolgerung zu wecken, dass mit der Vergabe des Nachrangdarlehens im Vergleich zu einem üblichen Darlehen keine besonderen Risiken verknüpft sind, weil ebenso wie bei einem üblichen Darlehen eine Nachschusspflicht nicht zu befürchten ist. Sind lediglich keine weiteren Zahlungen geschuldet, tritt eine mit dem Nachrang verbundene besondere Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs aus der Sicht eines gutgläubigen Anlegers in den Hintergrund.

Rz. 31

cc) Die Tatsache, dass die Vereinbarung des qualifizierten Rangrücktritts unwirksam ist, lässt gem. § 306 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit des Darlehensvertrages im Übrigen unberührt. Etwas anderes hätte nur dann zu gelten, wenn nach Ausgrenzung der Erfüllungsvereinbarung ein der Auffüllung durch dispositives Recht oder durch ergänzende Vertragsauslegung zugänglicher Rest nicht mehr verbliebe (BGH, Urt. v. 30.6.1995 - V ZR 184/94 NJW 1995, 2637, 2638). Diese Gefahr ist hier nicht gegeben. Im Streitfall bestimmt sich die Fälligkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs nach dem sonstigen, beanstandungsfreien Vertragsinhalt sowie der gesetzlichen Regelung des § 490 BGB.

Rz. 32

2. Unzulässig ist - worauf der Senat den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - das neu gegenüber dem beklagten Insolvenzverwalter verfolgte Feststellungsbegehren, dass die Forderung i.H.v. 4.572 EUR auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung des Schuldners beruht. Dieser Antrag ist gegen den Schuldner selbst zu richten, wenn dieser gegen den Bestand der Forderung oder beschränkt auf den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung Widerspruch einlegt (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.2010 - IX ZR 24/10 WM 2011, 271 Rz. 9 m.w.N.), und nicht entsprechend der Verfahrensweise der Klägerin gegen den Insolvenzverwalter. Die Feststellung des Anspruchsgrundes berührt ausschließlich die Rechtsposition des Schuldners. Sie kann daher nur außerhalb des Insolvenzverfahrens dem Schuldner gegenüber erfolgen (BGH, Urt. v. 17.1.2008 - IX ZR 220/06 WM 2008, 650 Rz. 15; v. 7.5.2013 - IX ZR 151/12, BGHZ 197, 186 Rz. 9). Für die Klage gegen den Insolvenzverwalter fehlt mithin ein Feststellungsinteresse. Das Feststellungsbegehren gegen den Schuldner ist nicht aufgenommen worden.

IV.

Rz. 33

Die Sache ist gem. § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Insoweit weist der Senat auf Folgendes hin:

Rz. 34

Das Berufungsgericht wird im Blick auf die Hauptforderung von 4.572 EUR insb. zu untersuchen haben, ob die subjektiven Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB, §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG erfüllt sind.

Rz. 35

1. Wer entgegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis Bankgeschäfte erbringt, macht sich bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG strafbar. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person - wie hier die Schuldnerin -, so ist diese zivilrechtlich der Betreiber der Geschäfte; die strafrechtliche Verantwortlichkeit ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Sie trifft denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist, bei einer GmbH mithin gem. § 35 Abs. 1 GmbHG den oder die Geschäftsführer (BGH, Urt. v. 15.5.2012 - VI ZR 166/11 WM 2012, 1333 Rz. 19; v. 19.3.2013 - VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1 Rz. 30, 32).

Rz. 36

2. Näherer Prüfung bedarf es, ob der Schuldner möglicherweise einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlag.

Rz. 37

Hält der Täter seine Geschäfte für rechtlich zulässig und nicht erlaubnispflichtig, so stellt dies nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aus strafrechtlicher Sicht einen Verbotsirrtum i.S.d. § 17 StGB dar. Mangels Unrechtsbewusstseins unterliegt der Täter einem Verbotsirrtum auch dann, wenn er bei Begehung der Tat die Möglichkeit, Unrecht zu tun, zwar nicht ausschließen kann, sie aber nicht billigend in Kauf nimmt. Zivilrechtlich scheidet in einem solchen Fall eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB aus (BGH, Urt. v. 16.5.2017 - VI ZR 266/16 NJW 2017, 2463 Rz. 16; v. 27.6.2017 - NJW-RR 2017, 1004 Rz. 10; v. 10.7.2018 - VI ZR 263/17 NJW-RR 2018, 1250 Rz. 24).

 

Fundstellen

Haufe-Index 13679430

BB 2020, 399

DB 2020, 332

DStR 2020, 398

NJW-RR 2020, 292

EWiR 2020, 577

WM 2020, 311

WuB 2020, 191

ZAP 2020, 291

ZIP 2020, 11

ZIP 2020, 310

JZ 2020, 143

MDR 2020, 298

NZI 2020, 192

NZI 2020, 269

NZI 2020, 7

ZInsO 2020, 1123

ZBB 2020, 133

ZRI 2020, 121

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge