Leitsatz (amtlich)

Das Insolvenzgericht darf die Entscheidung über die Versagung der Restschuldbefreiung nicht von Amts wegen auf andere als die vom Antragsteller geltend gemachten Versagungsgründe stützen, selbst wenn diese erst nach dem Schlusstermin bekannt geworden sind.

 

Normenkette

InsO § 290

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Beschluss vom 10.07.2003; Aktenzeichen 5 T 270/03)

AG Mönchengladbach (Entscheidung vom 09.05.2003; Aktenzeichen 19 K 67/00)

 

Tenor

Der Schuldner wird in die versäumte Frist zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde wieder eingesetzt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss des LG Mönchengladbach vom 10.7.2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG zurückverwiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

[1] Über das Vermögen des Schuldners wurde auf seinen Antrag am 9.10.2001 das vereinfachte Insolvenzverfahren eröffnet und die Prüfung der angemeldeten Forderungen sowie später die Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren angeordnet. Nach dem Bericht des Treuhänders betrug der Vermögensbestand des Schuldners 648,11 EUR. Pfändbare Arbeitseinkünfte waren nicht vorhanden. Die weiteren Beteiligten zu 2) widersprachen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.7.2002, der am 22.7.2002 bei Gericht einging, der vom Schuldner erstrebten Restschuldbefreiung. Im Schlusstermin vom 23.7.2002 wurden nach dem Protokoll des Rechtspflegers weitere Versagungsanträge nicht gestellt. In der anwaltlichen Stellungnahme des Schuldners vom 12.8.2002 zu dem schriftsätzlichen Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 2) ließ er dem Insolvenzgericht auch mitteilen, im laufenden Jahr durch Tennisunterricht 300 EUR eingenommen zu haben. Daraufhin hat das AG dem Schuldner nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO die Restschuldbefreiung versagt, weil er in grob fahrlässiger Verletzung seiner Mitwirkungs- und Auskunftspflicht dem Treuhänder die Unterrichtseinkünfte verschwiegen habe. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Schuldners hat das LG zurückgewiesen.

II.

[2] Die Rechtsbeschwerde des Schuldners ist nach der ihm gem. §§ 233, 234 ZPO zu gewährenden Wiedereinsetzung in die abgelaufene Begründungsfrist zulässig und begründet.

[3] Die Beschwerdeentscheidung kann bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Ein auf § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 InsO gestützter Versagungsantrag ist nur zulässig, wenn er von einem Gläubiger im Schlusstermin oder in dem entsprechenden schriftlichen Verfahren gestellt wird (BGH, Beschl. v. 18.5.2006 - IX ZB 103/05, ZInsO 2006, 647). Daran ändert nichts, wenn das zur Begründung eines späteren Antrags herangezogene Fehlverhalten des Schuldners erst nach dem Schlusstermin bekannt geworden ist (BGH, a.a.O.). Bis zu dieser Verfahrenszäsur muss der Versagungsgrund geltend gemacht sein; ein späteres Nachschieben von Gründen ist unzulässig (vgl. BGHZ 156, 139, 142 f.; BGH, Beschl. v. 5.4.2006 - IX ZB 227/04, ZVI 2006, 596, 597). Hier wie in der Wohlverhaltensphase verbietet die Gläubigerautonomie des Verfahrens der Restschuldbefreiung insb., dass das Gericht seine Versagungsentscheidung von Amts wegen auf Umstände stützt, die der Gläubiger zur Begründung seines Versagungsantrags nicht geltend gemacht hat (mit Bezug auf § 296 InsO vgl. BGH, Beschl. v. 8.2.2007 - IX ZB 88/06, NZI 2007, 297).

[4] Das Beschwerdegericht hat dem Schuldner hier nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO wie bereits das AG von Amts wegen ein Fehlverhalten vorgeworfen, auf welches sich die weiteren Beteiligten zu 2) in Ihrem Versagungsantrag nicht berufen haben. Dieses Verhalten ist überhaupt erst durch die Offenbarung des Schuldners nach dem Schlusstermin bekannt geworden. Es ist nicht einmal festgestellt, dass der Schuldner die Unterrichtseinkünfte bereits vor dem Schlusstermin vom 23.7.2002 bezogen hatte. Die Restschuldbefreiung durfte dem Schuldner danach mit dieser Begründung nicht versagt werden.

[5] Das Beschwerdegericht wird sich nach der Zurückverweisung nunmehr mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen haben, mit denen die weiteren Beteiligten zu 2) ihren Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gerechtfertigt haben.

 

Fundstellen

NWB 2007, 4717

BGHR 2008, 149

EBE/BGH 2007

StuB 2008, 281

WM 2007, 2252

WuB 2008, 153

ZAP 2008, 12

DZWir 2008, 120

MDR 2008, 166

NZI 2008, 32

NZI 2008, 33

NZI 2008, 48

Rpfleger 2008, 96

VuR 2008, 439

ZInsO 2007, 1221

InsbürO 2007, 478

NJW-Spezial 2008, 22

ZVI 2007, 574

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