Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfindung. Gebrauchsmuster. Schutzanspruch. Schutzausschluss. Fehlen beständigen körperlichen Substrats. Verfahren §§ 1, 2 GebrMG

 

Leitsatz (amtlich)

Aus dem Fehlen eines beständigen körperlichen Substrats bei einer als Gebrauchsmuster angemeldeten Erfindung folgt nicht notwendig, dass die Erfindung rechtlich als Verfahren i. S. d. § 2 Nr. 3 GebrMG einzuordnen ist. Einen Schutzausschluss für einen solchen Gegenstand sehen die §§ 1, 2 GebrMG seit In-Kraft-Treten des Produktpirateriegesetzes nicht vor.

Einem auf eine Signalfolge, die ein Programm zum Ablauf auf einem Rechner darstellt, gerichteten Schutzanspruch steht der Schutzausschluss des § 2 Nr. 3 GebrMG nicht entgegen.

 

Normenkette

GebrMG § 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

BPatG (Beschluss vom 21.03.2003)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des 5. Senats (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenats) des BPatG v. 21.3.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das PatG zurückverwiesen.

Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Anmelderin stellte am 4.5.2000 Antrag auf Eintragung des Gebrauchsmusters 200 08 040.7 mit der Bezeichnung "Systeme, Computerprogramm-Produkte und Tarifierungssysteme zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten". Die Anmeldung umfasste 37 Seiten Beschreibung sowie 28 Schutzansprüche; die unabhängigen Schutzansprüche 1, 2, 11, 12, 21 und 22 lauteten wie folgt:

" 1. System zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, umfassend wenigstens einen Benutzerhost und ein Tarifierungsserversystem, wobei der Benutzerhost mit einem Tarifierungshilfsprogramm ausgerüstet ist, welches vom Benutzerhost auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht und im Fall von Tarifrelevanz eine bisher bestehende Wählverbindung des Benutzerhosts zu einem Zugangsserver zum Internet trennt und eine neue Wählverbindung zum Tarifierungsserversystem aufbaut, wenn die Wählverbindung nicht bereits zum Tarifierungsserversystem bestanden hat, wonach die Anfrage von dem Tarifierungsserversystem zu dem das gewählte Internetangebot bereitstellenden Anbieterserver gelangt, wobei das Tarifierungsserversystem so eingerichtet ist, dass es tarifrelevante Daten der Anfrage protokolliert, und wobei der Benutzerhost und das Tarifierungsserversystem so eingerichtet sind, dass eine Tarifänderung ohne Trennung der bestehenden Wählverbindung auf Grund der Protokollierung der tarifrelevanten Daten ermöglicht ist.

2. System zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, umfassend wenigstens einen Benutzerhost und ein Tarifierungsserversystem, wobei der Benutzerhost mit einem Tarifierungshilfsprogramm ausgerüstet ist, welches vom Benutzerhost auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht und im Fall von Tarifrelevanz über das Internet eine Umleitung der Anfrage über das Tarifierungsserversystem veranlasst, wobei das Tarifierungsserversystem so eingerichtet ist, dass die Anfrage von ihm zu dem das gewählte Internetangebot bereitstellenden Anbieterserver gelangt, wobei das Tarifierungsserversystem tarifrelevante Daten der Anfrage protokolliert.

11. Computerprogramm-Produkt zum Ablauf mit einem Internet-Browser auf einem Benutzerhost als Teil eines Systems zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit vom gewählten Internetangebot, wobei das Computerprogramm-Produkt ein Tarifierungshilfsprogramm umfasst, welches vom Benutzerhost auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und im Fall von Tarifrelevanz eine zum Internet bestehende Wählverbindung des Benutzerhosts trennt und eine neue Wählverbindung zu einem Tarifierungsserversystem des Systems zur variablen Tarifierung aufbaut, wenn die Wählverbindung nicht bereits zu dem Tarifierungsserversystem bestanden hat, wobei das Tarifierungshilfsprogramm die zum Tarifierungsserversystem aufgebaute Wählverbindung nicht trennt, wenn eine Anfrage nach einem anderen Internetangebot mit einem anderen Tarif auszusenden ist, soweit der Benutzer nicht ausdrücklich einen Befehl für eine derartige Trennung gibt.

12. Computerprogramm-Produkt zum Ablauf mit einem Internet-Browser auf einem Benutzerhost als Teil eines Systems zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit vom gewählten Internetangebot, wobei das Computerprogramm-Produkt ein Tarifierungshilfsprogramm umfasst, welches vom Benutzerhost auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und im Fall von Tarifrelevanz über das Internet eine Umleitung der Anfrage über ein Tarifierungsserversystem veranlasst.

21. Tarifierungsserversystem zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, die von einem Benutzerhost gewählt werden, umfassend einen Tarifierungsserversystem und einer Einrichtung für einen Zugang einer Wählverbindung vom Benutzerhost, wobei das Tarifierungsserversystem so eingerichtet ist, dass es bei Anfragen nach Internetangeboten diese an den betreffenden Anbieterserver weiterleitet und auf Tarifrelevanz überprüft und tarifrelevante Daten der Anfragen protokolliert, ohne dass das Tarifierungsserversystem anfragebezogene Tarifierungsdaten vom Anbieterserver übermittelt bekommt, wobei ein Tarifwechsel innerhalb eines Internetangebots oder auf Grund eines Wechsels zu einem anderen Internetangebot unter Aufrechterhaltung der bestehenden Wählverbindung möglich ist.

22. Tarifierungsserversystem zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, welches so eingerichtet ist, dass es aus dem Internet an es gerichtete Anfragen nach Internetangeboten jeweils an den betreffenden Anbieterserver weiterleitet und auf Tarifrelevanz überprüft und tarifrelevante Daten der Anfragen protokolliert, ohne dass das Tarifierungsserversystem anfragebezogene Tarifierungsdaten vom Anbieterserver übermittelt bekommt."

Wegen der auf die genannten Schutzansprüche rückbezogenen weiteren Schutzansprüche 2 bis 10, 13 bis 20 und 23 bis 28 wird auf die Anmeldeunterlagen verwiesen.

Nach Beanstandung der Anmeldung durch die Gebrauchsmusterstelle hat die Anmelderin 28 Schutzansprüche gemäß Hilfsantrag eingereicht, in denen in den Schutzansprüchen 1 bis 4 und 9 jeweils das Wort "Benutzerhost" durch das Wort "Benutzerrechner" ersetzt wurde, wobei die Schutzansprüche 11 und 12 wie folgt formuliert waren:

"11. Benutzerrechner mit einem mit einem Internet-Browser und einem Tarifierungshilfsprogramm als Teil eines Systems zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit vom gewählten Internetangebot, wobei das Tarifierungshilfsprogramm vom Benutzerrechner auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und im Fall von Tarifrelevanz eine zum Internet bestehende Wählverbindung des Benutzerrechners trennt und eine neue Wählverbindung zu einem Tarifierungsserversystem des Systems zur variablen Tarifierung aufbaut, wenn die Wählverbindung nicht bereits zu dem Tarifierungsserversystem bestanden hat, wobei das Tarifierungshilfsprogramm die zum Tarifierungsserversystem aufgebaute Wählverbindung nicht trennt, wenn eine Anfrage nach einem anderen Internetangebot mit einem anderen Tarif auszusenden ist, soweit der Benutzer nicht ausdrücklich einen Befehl für eine derartige Trennung gibt.

12. Benutzerrechner mit einem Internet-Browser und einem Tarifierungshilfsprogramm als Teil eines Systems zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit vom gewählten Internetangebot, wobei das Tarifierungshilfsprogramm vom Benutzerrechner auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und im Fall von Tarifrelevanz über das Internet eine Umleitung der Anfrage über ein Tarifierungsserversystem veranlasst."

Die nachgeordneten Schutzansprüche 13 bis 20 wurden entsprechend angepasst. In Patentanspruch 21 wurde ebenfalls das Wort "Benutzerhost" durch "Benutzerrechner" ersetzt.

Die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung zurückgewiesen, und zwar nach Hauptantrag, weil die Anmeldung teilweise auf den Schutz von Gegenständen gerichtet sei, die dem Gebrauchsmusterschutz nicht zugänglich seien. Bei den in den Schutzansprüchen 1 bis 10 definierten Systemen handle es sich um dem Schutzausschließungsgrund des § 2 Nr. 3 GebrMG unterfallende Verfahren. Durch die Ersetzung des Begriffs "Benutzerhost" durch "Benutzerrechner" nach Hilfsantrag seien die Verfahrensmerkmale nicht beseitigt worden.

Gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt, mit der sie den Eintragungsantrag in geänderter Form weiterverfolgt hat. Sie hat im Beschwerdeverfahren die unabhängigen Schutzansprüche nach dem Hauptantrag wie folgt formuliert:

" 1. Rechneranlage zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, umfassend wenigstens einen Benutzerrechner und einen Tarifierungsserverrechner, wobei der Benutzerrechner mit einem Tarifierungshilfsprogramm so programmiert ist, dass er vom Benutzerrechner auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht und im Fall von Tarifrelevanz eine bisher bestehende Wählverbindung des Benutzerrechners zu einem Zugangsserver zum Internet trennt und eine neue Wählverbindung zum Tarifierungsserverrechner aufbaut, wenn die Wählverbindung nicht bereits zum Tarifierungsserverrechner bestanden hat, wobei der Tarifierungsserverrechner so eingerichtet ist, dass er tarifrelevante Daten der Anfrage protokolliert und die Anfrage zu dem das gewählte Internetangebot bereitstellenden Anbieterserver weiterleitet, und wobei der Benutzerrechner und der Tarifierungsserverrechner so eingerichtet sind, dass eine Tarifänderung ohne Trennung der bestehenden Wählverbindung auf Grund der Protokollierung der tarifrelevanten Daten ermöglicht ist.

2. Rechneranlage zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, umfassend wenigstens einen Benutzerrechner und einen Tarifierungsserverrechner, wobei der Benutzerrechner mit einem Tarifierungshilfsprogramm so programmiert ist, dass er vom Benutzerrechner auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht und im Fall von Tarifrelevanz über das Internet eine Umleitung der Anfrage über den Tarifierungsserverrechner veranlasst, wobei der Tarifierungsserverrechner so eingerichtet ist, dass er die Anfrage zu dem das gewählte Internetangebot bereitstellenden Anbieterserver weiterleitet, wobei der Tarifierungsserverrechner tarifrelevante Daten der Anfrage protokolliert.

11. Datenträger mit darauf gespeicherten Daten oder für die Übersendung über das Internet geeignete, Daten repräsentierende Signalfolge, wobei die Daten ein Tarifierungshilfsprogramm zum Ablauf mit einem Internet-Browser auf einem Benutzerrechner als Teil einer Rechneranlage zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit vom gewählten Internetangebot darstellen, wobei das Tarifierungshilfsprogramm so ausgebildet ist, dass es beim Ablauf auf dem Benutzerrechner von diesem auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und im Fall von Tarifrelevanz eine zum Internet bestehende Wählverbindung des Benutzerrechners trennt und eine neue Wählverbindung zu einem Tarifierungsserverrechner der Rechneranlage zur variablen Tarifierung aufbaut, wenn die Wählverbindung nicht bereits zu dem Tarifierungsserversystem bestanden hat, wobei das Tarifierungshilfsprogramm die zum Tarifierungsserverrechner aufgebaute Wählverbindung nicht trennt, wenn eine Anfrage nach einem anderen Internetangebot mit einem anderen Tarif auszusenden ist, soweit der Benutzer nicht ausdrücklich einen Befehl für eine derartige Trennung gibt.

12. Datenträger mit darauf gespeicherten Daten oder für die Übersendung über das Internet geeignete, Daten repräsentierende Signalfolge, wobei die Daten ein Tarifierungshilfsprogramm zum Ablauf mit einem Internet-Browser auf einem Benutzerrechner als Teil einer Rechneranlage zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit vom gewählten Internetangebot darstellen, wobei das Tarifierungshilfsprogramm so ausgebildet ist, dass es beim Ablauf auf dem Benutzerrechner von diesem auszusendende Anfragen nach Internetangeboten auf Tarifrelevanz überwacht, und im Fall von Tarifrelevanz über das Internet eine Umleitung der Anfrage über einen Tarifierungsserverrechner veranlasst.

21. Tarifierungsserverrechner zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von, von einem über eine Wählverbindung gekoppelten Benutzerrechner gewählten Internetangeboten, wobei der Tarifierungsserverrechner so eingerichtet ist, dass er bei Anfragen nach Internetangeboten diese an den betreffenden Anbieterserver weiterleitet und auf Tarifrelevanz überprüft und tarifrelevante Daten der Anfragen protokolliert, ohne dass der Tarifierungsserverrechner anfragebezogene Tarifierungsdaten vom Anbieterserver übermittelt bekommt.

22. Tarifierungsserverrechner zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit von gewählten Internetangeboten, welcher so eingerichtet ist, dass er aus dem Internet an ihn gerichtete Anfragen nach Internetangeboten jeweils an den betreffenden Anbieterserver weiterleitet und auf Tarifrelevanz überprüft und tarifrelevante Daten der Anfragen protokolliert, ohne dass der Tarifierungsserverrechner anfragebezogene Tarifierungsdaten vom Anbieterserver übermittelt bekommt."

Wegen der auf die vorstehend wiedergegebenen Schutzansprüche rückbezogenen weiteren Schutzansprüche wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Die Schutzansprüche 11 bis 20 nach dem ersten Hilfsantrag unterscheiden sich von denen nach dem Hauptantrag dadurch, dass sie nicht (auch) auf eine Signalfolge gerichtet sind.

Die Anmelderin hat beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Erfindung mit den Schutzansprüchen 1 bis 29 nach Hauptantrag sowie mit der Beschreibung v. 21.6.2002 und den Zeichnungen v. 16.12.2002, hilfsweise mit den Schutzansprüchen und den weiteren Unterlagen nach Hilfsantrag 1, weiter hilfsweise mit den Unterlagen nach den Hilfsanträgen 2 bis 5 einzutragen. Die Beschwerde hatte insoweit Erfolg, als das Beschwerdegericht unter Zurückweisung der weiter gehenden Anmeldung und Beschwerde die Eintragung des Gebrauchsmusters mit den Unterlagen des ersten Hilfsantrags angeordnet hat. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

II. Die kraft Zulassung statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht (§ 18 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 108 Abs. 1 PatG).

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, zwar beträfen die Schutzansprüche 1 bis 10 nach dem Hauptantrag Erzeugnisse und keine Verfahren, jedoch hätten die Schutzansprüche 11 bis 20 Verfahrenscharakter, soweit sie auf eine Signalfolge gerichtet seien. In diesem Umfang beziehe sich der Eintragungsantrag auf nach § 2 Nr. 3 GebrMG vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossene Gegenstände. Eine teilweise Eintragung unter Zurückweisung der Anmeldung im Umfang der nicht eintragungsfähigen Schutzansprüche scheide aus, weil der Eintragung keine vom Eintragungsantrag abweichenden Unterlagen zu Grunde gelegt werden dürften. Die in den Schutzansprüchen 11 bis 20 alternativ beanspruchte Signalfolge müsse als Verfahren angesehen werden.

2. Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber geltend, bei dem auf dem Datenträger gespeicherten Programm und bei dem von der Signalfolge repräsentierten Programm handle es sich um ein und dasselbe technische Programm, das lediglich zum Zweck seines Transports in einem unterschiedlichen Transportgewand in Erscheinung trete. Eine unterschiedliche Behandlung der beiden Transportausformungen sei aus Rechtsgründen nicht gerechtfertigt, weil sie nicht die der Anmeldung zu Grunde liegende technische Lehre, sondern eine Nebensächlichkeit in das Zentrum der Betrachtung stelle. Die Bejahung der Gebrauchsmusterfähigkeit setze nicht voraus, dass ein Schutzgegenstand dauerhaft existiere. Ein Programm sei kein Verfahren, sondern ein sich technisch-physikalisch in einer Daten- oder Signalfolge verkörperndes Erzeugnis zum Einrichten eines Universalrechners. Das Beschwerdegericht verstehe den Verfahrensausschluss in § 2 Nr. 3 GebrMG offenbar dahin, dass nur körperlich anfassbare Erzeugnisse eintragbar seien. Eine solche Auslegung der maßgeblichen Bestimmung widerspreche deren Sinn und Zweck, der darin bestehe, durch das frühere Raumformerfordernis vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossene Gegenstände dem Schutz zuzuführen, ohne aber hinsichtlich der Schützbarkeit von Verfahren mit dem Patent gleichzuziehen. Der Verfahrensausschluss sei als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Somit seien auch nicht anfassbare, sich aber in technisch-physikalischen Erscheinungsformen wie Masse, Energie, Impulse, Polarisierung verkörpernde Gegenstände dem Gebrauchsmusterschutz zugänglich, soweit es sich nicht um Verfahren handle. Soweit das Beschwerdegericht den durch die Signalfolge definierten Gegenstand - irrtümlich - dahin verstanden habe, dass er sowohl vorrichtungs- als auch verfahrensmäßige Ausformungen zulasse, stelle dies keinen hinreichenden Grund dar, einen solchen Gegenstand mit Doppelcharakter bereits von der Eintragung als Gebrauchsmuster auszuschließen.

3. Bei dem Gegenstand, für den mit Schutzanspruch 11 in seiner zweiten Alternative Schutz begehrt wird, handelt es sich um eine Signalfolge, die für die Übersendung über das Internet geeignet ist und Daten repräsentiert, wobei diese Daten ein in bestimmter Weise ausgebildetes Tarifierungshilfsprogramm darstellen, das auf einem Benutzerrechner als Teil einer Rechneranlage mit einem Internet-Browser ablaufen soll und zur variablen Tarifierung von Internetgebühren in Abhängigkeit vom gewählten Internetangebot dient. Eine solche (elektromagnetische) Signalfolge kann, worauf die Rechtsbeschwerde mit Recht hinweist, ein und dasselbe Programm wie die auf einem Datenträger gespeicherte Datenfolge der ersten Anspruchsalternative enthalten, es stellt in diesem Sinn nur eine andere "Verpackung" desselben Programminhalts dar. Unter der Geltung der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Produktpirateriegesetzes, durch das die geltende Regelung eingeführt worden ist, waren derartige Signalfolgen durch das "Raumformerfordernis" (vgl. Tronser, GRUR 1990, 10 [11 ff.]) vom Gebrauchsmusterschutz ausgenommen. Dieses Erfordernis ist durch die erst im Lauf der parlamentarischen Beratungen in das Produktpirateriegesetz eingestellten neuformulierten §§ 1 und 2 GebrMG als Voraussetzung der Gebrauchsmusterfähigkeit abgeschafft worden. Im Bericht der Abgeordneten Geis und Stiegler (BT-Drucks. 11/5744, 31 ff. = BlPMZ 1990, 195 [197]) ist hierzu in Übereinstimmung mit einem Vorschlag des Bundesministers der Justiz vom Juni 1989 ausgeführt, es sei kein rechtspolitischer Grund mehr ersichtlich, das das Patent ergänzende Schutzrecht Gebrauchsmuster auf gegenständlich konkretisierte Erfindungen zu beschränken. Die Öffnung des Gebrauchsmusterschutzes solle allerdings dort ihre Grenze haben, wo das ungeprüfte Schutzrecht Gebrauchsmuster die Rechtssicherheit erheblich gefährden würde. Diese Grenze ist nach Auffassung des Berichts bei den Verfahrenserfindungen überschritten. Tatsächlich müssten eingetragene ungeprüfte "Verfahrensgebrauchsmuster", die wegen des Fehlens von Zeichnungen oder von Darstellungen chemischer Formeln von Dritten in keiner Weise auch nur einigermaßen zuverlässig auf ihre Schutzfähigkeit und ihren Schutzumfang geprüft werden könnten, zu einer erheblichen Marktbeunruhigung führen. In Verfolg dieser Linie hat der Bundestag auf das Raumformerfordernis "weitgehend" verzichtet; der Verzicht bedeute, dass alle technischen Erfindungen, also z. B. auch gestaltlose Stoffe, als Gebrauchsmuster geschützt werden könnten, wobei nur Verfahrenserfindungen ausgeschlossen bleiben sollten, da sie sich mangels konkreter Darstellbarkeit für ein ungeprüftes Schutzrecht nicht eigneten (Bericht a. a. O., S. 199). Auch vor dem Hintergrund dieser Begründung trifft die Regelung in § 2 Nr. 3 GebrMG keine Bestimmung dahin, dass nur Erzeugnisse mit einem beständigen körperlichen Substrat gebrauchsmusterfähig seien, sie ordnet im Einklang damit ihrem Wortlaut nach vielmehr umgekehrt (nur) an, dass Verfahren als Gebrauchsmuster nicht geschützt werden. Diese vom Gesetzgeber bewusst und eindeutig getroffene Entscheidung ist von der Rechtsprechung hinzunehmen. Sie verstößt - entgegen einer gelegentlich in der Literatur vertretenen Auffassung (König, GRUR 2001, 948; hiergegen Busse, PatG, 6. Aufl., § 2 GebrMG Rz. 6) - schon wegen der verbleibenden Möglichkeit des Patentschutzes von Verfahrenserfindungen auch nicht gegen höherrangiges Recht.

Die der Gebrauchsmusteranmeldung, soweit diese im Streit steht, zu Grunde liegende Signalfolge stellt kein Verfahren im Sinn der Ausschlussbestimmung des § 2 Nr. 3 GebrMG dar. Dabei ist schon mangels für ein abweichendes Ergebnis sprechender Anhaltspunkte und insbesondere in Anbetracht der Formulierungen in § 9 PatG einerseits und in § 11 Abs. 1 GebrMG andererseits davon auszugehen, dass der in § 2 Nr. 3 GebrMG verwendete Verfahrensbegriff der herkömmlichen Verfahrensdefinition bei den technischen Schutzrechte des gewerblichen Rechtsschutzes entspricht und insbesondere Arbeitsverfahren und Herstellungsverfahren einschließt.

Ein Verfahren in diesem Sinn stellt eine für die Übersendung über das Internet geeignete, Daten repräsentierende Signalfolge nicht dar. Die vom BPatG in diesem Zusammenhang angesprochene Abarbeitung des von den Daten dargestellten Programms durch den Rechner erfolgt zumindest in ähnlicher Weise auch bei der auf einem Datenträger gespeicherten Datenfolge und verleiht dieser keinen Verfahrenscharakter. Entsprechendes gilt für die für die Übersendung über das Internet geeignete Datenfolge, der ein beständiges körperliches Substrat fehlt, ohne dass sie deshalb als Verfahren einzustufen wäre. Einen Schutzausschluss für solche Gegenstände sehen die §§ 1, 2 GebrMG seit In-Kraft-Treten des Produktpirateriegesetzes nicht vor.

Das BPatG wird deshalb die Zurückweisung von Anmeldung und Beschwerde nach dem Hauptantrag der Anmelderin nicht weiterhin auf den Schutzausschluss nach § 2 Nr. 3 GebrMG stützen können. Es wird jedoch zu prüfen haben, ob mit den in Streit stehenden Schutzansprüchen ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches beansprucht wird (vgl. BGH v. 17.10.2001 - X ZB 16/00, BGHZ 149, 68 = BGHReport 2002, 74 = CR 2002, 88 - Suche fehlerhafter Zeichenketten).

III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Kostenfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl. Busse, PatG, 6. Aufl., § 109 Rz. 8 m. w. N.). Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht als erforderlich angesehen (§ 18 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 107 Abs. 1 PatG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1147608

BGHZ 2004, 142

BGHR 2004, 1038

GRUR 2004, 495

BPatGE 2005, 296

GRUR-Int. 2004, 872

IIC 2005, 563

LMK 2004, 142

Mitt. 2004, 265

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