Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlassung einer vor Objektbeschlagnahme geleisteten Mietkaution an Zwangsverwalter. Anordnungsbeschluss der Zwangsverwaltung als Herausgabetitel für Kautionsleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Zwangsverwalter ist befugt, von dem Schuldner (Grundstückseigentümer) die Überlassung einer vor der Beschlagnahme von einem Mieter des Objekts geleisteten Mietkaution zu verlangen. Der Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung stellt zusammen mit der Ermächtigung des Zwangsverwalters zur Besitzergreifung einen Vollstreckungstitel dar, auf Grund dessen wegen dieses Anspruchs nach § 883 ZPO vollstreckt werden kann.

 

Normenkette

ZVG § 150 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Beschluss vom 21.01.2004; Aktenzeichen 5 T 202/03)

AG Calw (Beschluss vom 16.07.2003)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Zwangsverwalters werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Tübingen v. 21.1.2004 aufgehoben und der Beschluss des AG Calw v. 16.7.2003 abgeändert.

Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Vollstreckungsauftrag des Zwangsverwalters nicht aus den bisherigen Gründen abzulehnen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Schuldner zu tragen.

Beschwerdewert: 582,87 EUR

 

Gründe

I.

Der Rechtsbeschwerdeführer ist Zwangsverwalter des eingangs bezeichneten Wohnungseigentums, welches im Eigentum des Schuldners steht. Das AG erteilte ihm einen Zwangsverwalterausweis, der den Beschluss betreffend die Anordnung der Zwangsvollstreckung inhaltlich wiedergibt und nach dessen Inhalt der Rechtsbeschwerdeführer ermächtigt ist, sich selbst den Besitz zu verschaffen. Die Eigentumswohnung ist vermietet. Ausweislich des dem Rechtsbeschwerdeführer vorliegenden Mietvertrages haben die Mieter eine Mietkaution i.H.v. 1.140 DM zu leisten.

Der Rechtsbeschwerdeführer erteilte unter Vorlage des Zwangsverwalterausweises dem zuständigen Gerichtsvollzieher den Auftrag zur "Wegnahme der Mietkaution i.H.v. 1.140 DM ... und ... Aushändigung derselben an mich" und für den Fall, dass die Kaution nicht ausfindig zu machen sein sollte, den weiteren Auftrag, dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung über deren Verbleib abzunehmen. Der Gerichtsvollzieher hat die Durchführung des Auftrags abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, es fehle ein vollstreckbarer Titel; die Vorlage des Zwangsverwalterausweises reiche nicht aus.

Das AG hat die dagegen erhobene Erinnerung des Zwangsverwalters zurückgewiesen. Seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Das LG hat in der Beschwerdeentscheidung die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Rechtsbeschwerdeführer seinen Antrag weiter.

II.

Das gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung könne nicht als ausreichender Vollstreckungstitel für die Wegnahme jeglicher Kaution, die der Mieter geleistet habe, und für jegliche in Betracht kommenden Hilfspfändungen angesehen werden. Eine dahin gehende Auffassung entferne sich allzu sehr von der im Gesetz angeordneten Besitzeinweisung des Zwangsverwalters (§ 150 Abs. 2 ZVG). Dabei sei zu berücksichtigen, dass je nach den Umständen nicht nur eine Herausgabevollstreckung, etwa bei Vorhandensein eines Sparbuchs, sondern je nach Anlage der Kaution auch andere Arten der Vollstreckung oder bei pflichtwidriger Einverleibung der Kaution in das Vermögen des Schuldners sogar die Vollstreckung wegen einer Geldersatzforderung in Betracht komme.

2. Dem kann nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Die angefochtene Entscheidung ist von Rechtsfehlern beeinflusst.

a) Das Beschwerdegericht nimmt im Ansatz zutreffend an, dass der dem Gerichtsvollzieher erteilte Auftrag zumindest auch darauf gerichtet ist, die Herausgabevollstreckung wegen einer beim Schuldner gegenständlich vorhandenen Kaution vorzunehmen. Der Antrag auf "Wegnahme der Mietkaution" bezweckt ersichtlich (auch) den Zugriff auf einen gegenständlich noch vorhandenen, gesondert aufbewahrten Geldbetrag, auf Unterlagen, die wie ein Sparbuch den Zugriff auf die angelegte Geldsumme ermöglichen, oder auf eine Bürgschaftsurkunde. Andernfalls wäre der zweite Teil des Antrags, dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung über den Verbleib der Kaution abzunehmen, falls sie nicht vorgefunden wird, nicht verständlich.

Mit diesem Inhalt trägt der gestellte Antrag den mietrechtlichen Gegebenheiten Rechnung. Für den Regelfall ist davon auszugehen, dass der Vermieter eine vom Mieter überlassene Kaution entsprechend § 551 Abs. 3 BGB gesondert angelegt hat und dass über diese Anlage bei dem Vermieter Unterlagen, wie etwa ein Sparbuch, vorzufinden sind, die den Zugriff auf die Kaution ermöglichen. Darüber, ob und inwieweit dies der Fall ist, hat der Zwangsverwalter nach seinem Vortrag keine Kenntnis. Dies kann indes von dem Gerichtsvollzieher bei einer Zwangsvollstreckung nach § 883 ZPO festgestellt werden. Findet er die Kautionssumme oder darauf verweisende Unterlagen nicht vor, kann nach § 883 Abs. 2 ZPO verfahren werden.

Ob der an den Gerichtsvollzieher gerichtete Antrag einen weiter gehenden Inhalt hat, kann derzeit dahinstehen. Zwar trifft es zu, dass etwa ein (ausschließlich) auf die Pfändung einer Geldforderung gerichteter Antrag abzulehnen wäre, weil der Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung nebst der Ermächtigung zur Besitzergreifung kein Vollstreckungstitel ist, der die Pfändung eines Geldbetrages in Höhe der Mietkaution aus dem Vermögen des Vermieters erlaubt. Das Beschwerdegericht hat aber übersehen, dass ein verfahrensrechtlicher Antrag nicht deshalb in vollem Umfang abgelehnt werden darf, weil er in der einen oder anderen Richtung zu weit geht. Einem solchen Antrag ist stattzugeben, soweit er gerechtfertigt ist, nur im Übrigen ist er abzulehnen. Im vorliegenden Fall darf deshalb ein zulässiger und begründeter Antrag auf Vornahme der Herausgabevollstreckung nicht deshalb abgelehnt werden, weil die Antragstellung (möglicherweise) eine weitere Vollstreckungsart erfasst, für die ein Vollstreckungstitel nicht vorliegt. Die denkbare Fallgestaltung, dass ein rechtlich zulässiger und ein unzulässiger Teil des Antrags nicht sinnvoll unterschieden werden können und deshalb nur eine Zurückweisung in vollem Umfang in Betracht kommt, liegt hier nicht vor.

b) Für die danach erstrebte Vollstreckung gem. § 883 ZPO stellt der Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung nebst der Ermächtigung zur Besitzergreifung eine ausreichende Vollstreckungsgrundlage dar.

aa) Die Zwangsverwaltung ist, wie sich insb. aus § 152 Abs. 1 ZVG ergibt, darauf gerichtet, die laufenden, aus der ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks stammenden Erträge zur Befriedigung des Gläubigers einzusetzen, während dem Schuldner die Substanz des Vermögensgegenstandes ungeschmälert erhalten bleibt. Zugleich soll sie den Gläubiger vor einer Wertminderung des Objekts und sonstigen Beeinträchtigungen schützen (BGH, Beschl. v. 10.12.2004 - IXa ZB 231/03, BGHReport 2005, 602 = MDR 2005, 653 = WM 2005, 244 [245]). Nach § 150 Abs. 2 ZVG hat das Gericht zu diesem Zweck dem Verwalter durch einen Gerichtsvollzieher oder durch einen sonstigen Beamten das Grundstück zu übergeben oder ihm die Ermächtigung zu erteilen, sich selbst den Besitz zu verschaffen. Geschieht - wie im vorliegenden Fall - Letzteres, so ist der Anordnungsbeschluss zusammen mit der Ermächtigung des Gerichts ein Vollstreckungstitel des Zwangsverwalters, mit dem die Herausgabe der von der Beschlagnahme erfassten Gegenstände erzwungen werden kann (Bötticher, ZVG, 3. Aufl., § 150 Rz. 12; Depré/Mayer, Die Praxis der Zwangsverwaltung, 2. Aufl., Rz. 448; Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht, 2. Aufl., S. 404; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 148 ZVG Rz. 13; § 150a Rz. 21 f.; Knees, Immobiliarzwangsvollstreckung, 4. Aufl., S. 165; Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 150 Rz. 3.5b; Heinz, DGVZ 1955, 17 [18]).

bb) Der vorgenannte Zweck erfordert, dass die in § 150 Abs. 2 ZVG normierte Herausgabepflicht nicht nur auf die von der Beschlagnahme erfassten, sondern auch auf die sonst für die Tätigkeit des Zwangsverwalters notwendigen Gegenstände erstreckt wird. Weitgehend wird daher angenommen, dass der Zwangsverwalter auch die Herausgabe von Urkunden, die ein Miet- oder Pachtverhältnis betreffen, verlangen und notfalls mit Hilfe des Gerichtsvollziehers durchsetzen kann (OLG München v. 28.2.2002 - 5 W 3055/01, Rpfleger 2002, 373 - Pachtvertrag; AG Stuttgart v. 22.2.1995 - 2 M 8271/94, Rpfleger 1995, 375 - Mietvertrag; Depré/Mayer, Die Praxis der Zwangsverwaltung, 2. Aufl., Rz. 485; Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht, 2. Aufl., S. 404; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 148 ZVG Rz. 13; Knees, Immobiliarzwangsvollstreckung, 4. Aufl., S. 165; a.A. Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 150 Rz. 3.9, m.w.N.).

cc) Nach richtiger Ansicht ist der Zwangsverwalter auch befugt, von dem Schuldner die Überlassung einer vor der Beschlagnahme von einem Mieter des Objekts geleisteten Mietkaution zu verlangen, wobei der Anordnungsbeschluss und die Ermächtigung des Zwangsverwalters gem. § 150 Abs. 2 ZVG einen Vollstreckungstitel zur Durchsetzung auch dieses Anspruchs darstellen (Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 152 Rz. 9.13c; Depré/Mayer, Die Praxis der Zwangsverwaltung, 2. Aufl., Rz. 493). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die Beschlagnahme nach § 148 Abs. 1 S. 1 ZVG i.V.m. § 21 Abs. 2 ZVG unmittelbar auf den Anspruch auf Überlassung der Mietkaution erstreckt (Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 152 Rz. 9.13b), obwohl die Kaution, anders als Miet- und Pachtzahlungen (vgl. zum Begriff Eickmann in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1123 Rz. 6 f., m.w.N.), nicht für die Raumnutzung entrichtet wird. Unerheblich ist auch, ob und inwieweit die die Rückgabe der Mietkaution betreffenden Vereinbarungen ihre Grundlage in dem Mietverhältnis oder in einer ergänzend getroffenen Sicherungsabrede haben (BGH v. 24.3.1999 - XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160 [166] = MDR 1999, 988, m. Anm. Börstinghaus).

Entscheidend ist Folgendes: Nach § 152 Abs. 2 ZVG ist, wenn das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter überlassen wurde, der Miet- oder Pachtvertrag auch dem Verwalter ggü. wirksam. Der Mieter hat die Mietkaution auf der Grundlage der im Mietvertrag getroffenen Vereinbarungen gestellt. Sie sichert die Mietzinsansprüche, auf die sich die Beschlagnahme nach § 148 Abs. 1 S. 1 ZVG i.V.m. § 21 Abs. 2 ZVG erstreckt. Eine ordnungsgemäße Verwaltung des Grundbesitzes erfordert, dass der Zwangsverwalter anstelle des Schuldners (Grundstückseigentümers), dem die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks durch die Beschlagnahme entzogen ist (§ 148 Abs. 2 ZVG), in die Lage versetzt wird, nötigenfalls auf die Kaution zuzugreifen, um gegen den Mieter gerichtete Ansprüche zu decken. Der Zugriff auf eine an den Schuldner geleistete Kaution muss dem Zwangsverwalter aber auch deshalb ermöglicht werden, weil er dem Mieter ggü. zur Herausgabe der Kaution nach Wegfall des Sicherungszwecks verpflichtet ist (BGH, Urt. v. 16.7.2003 - VIII ZR 11/03, BGHReport 2003, 1390 = MDR 2003, 1409 = NJW 2003, 3342 f; Depré/Mayer, Die Praxis der Zwangsverwaltung, 2. Aufl., Rz. 496; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 155 Rz. 10 ff.; Alff/Hintzen, Rpfleger 2003, 635 ff.; Erckens, ZfIR 2003, 981 ff.; Walke, WuM 2004, 185 ff., m.w.N.).

c) Der Gerichtsvollzieher durfte deshalb den Vollstreckungsantrag nicht mit der Begründung ablehnen, es liege kein Vollstreckungstitel vor. Für die Herausgabevollstreckung nach den §§ 883 ZPO, die in die Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers fällt, ist dies sehr wohl der Fall. Dabei ist davon auszugehen, dass das Zwangsverwalterzeugnis, wenn es - wie hier - den Anordnungsbeschluss in vollem Umfang wiedergibt und die Ermächtigung zur Besitzergreifung enthält, den maßgeblichen Vollstreckungstitel darstellt.

Der Gerichtsvollzieher wird also, soweit die sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen (jetzt noch) vorliegen, die nach § 883 ff. ZPO erforderlichen Vollstreckungshandlungen vorzunehmen haben, soweit der Vollstreckungstitel dafür in dem zuvor beschriebenen Rahmen eine ausreichende Grundlage bietet. Sollten die dabei gewonnenen Erkenntnisse Vollstreckungshandlungen als notwendig erscheinen lassen, die durch den vorliegenden Titel nicht gedeckt sind, ist durch Rückfrage bei dem Gläubiger zu klären, ob sich der gestellte Antrag tatsächlich auch darauf beziehen soll. Dann ist der Antrag insoweit abzulehnen. Andernfalls ist der Antrag mit Durchführung der Herausgabevollstreckung erledigt.

III.

Der Gerichtsvollzieher wird nunmehr demgemäß zu verfahren haben. Obwohl noch zu prüfen ist, ob die weiteren Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung noch vorliegen, sind die Kosten des Rechtsmittelzuges bereits jetzt dem Schuldner aufzuerlegen (§ 91 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsbeschwerdeführer dringt mit seinem Begehren im Wesentlichen durch, selbst wenn man davon ausgeht, dass der Antrag zu weit formuliert ist. Dafür, dass - jedenfalls bisher - die weiteren Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gefehlt haben oder nicht nachholbar gewesen sein könnten, ist nichts ersichtlich. Eine Kostenbelastung des Gerichtsvollziehers kommt nicht in Betracht (BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - IXa ZB 297/03, BGHReport 2004, 1316, m. Anm. Goebel = MDR 2004, 1141 = NJW 2004, 2979 [2980 f.]).

 

Fundstellen

BGHR 2005, 1145

DWW 2005, 436

NJW-RR 2005, 1032

DNotI-Report 2005, 111

NZM 2006, 71

WM 2005, 1321

ZAP 2005, 1002

ZfIR 2006, 816

AnwBl 2005, 74

DGVZ 2007, 6

InVo 2005, 374

MDR 2005, 1012

Rpfleger 2005, 463

WuM 2005, 405

Info M 2005, 162

NJW-Spezial 2005, 389

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