Entscheidungsstichwort (Thema)

Privatrechtlicher Charakter eines Grundstückskaufvertrags zwischen einer Privatperson und einem öffentlichen Verwaltungsträger, in dem sich der private Käufer verpflichtet, das Grundstück zu bebauen und die Bebauung mit dem Verkäufer „unabhängig vom öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren” abzustimmen sowie der Zusatzvereinbarung, einen Carport unter Einhaltung von festgelegten Höchstmaßen zu errichten und bei Verstoß hiergegen diesen zurückzubauen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Grundstückskaufvertrag zwischen einer Privatperson und einem Träger öffentlicher Verwaltung, in dem sich der private Käufer verpflichtet, das Grundstück zu bebauen und die Bebauung mit dem Verkäufer „unabhängig vom öffentlich-rechtlichen Baugenehmigungsverfahren” vorzunehmen, hat privatrechtlichen Charakter. Gleiches gilt für die Zusatzvereinbarung, einen Carport unter Einhaltung gewisser Höchstmaße zu errichten und bei Überschreitung der Maße diesen zurückzubauen.

2. Für Rechtsstreitigkeiten aus einem solchen Vertrag ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

 

Normenkette

GVG § 13

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches OLG (Beschluss vom 28.01.2003)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG in Schleswig v. 28.1.2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Auf Grund eines Grundstückskaufvertrags der Parteien v. 24.8.2000 erwarb der Beklagte von der Klägerin eine 1.440 m2 Teilfläche eines Grundstücks der Klägerin in K. zum Preise von 1,5 Mio. DM. In dem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte dazu, den Sitz seiner Firma in das Gebiet der Klägerin zu verlegen, das Grundstück zu bebauen und diese Bebauung mit der Klägerin "unabhängig vom öffentlich-rechtlichen Baugenehmigungsverfahren" abzustimmen. Mit einer privatschriftlichen Zusatzvereinbarung verpflichtete sich der Beklagte, einen Carport unter Einhaltung von dort festgelegten Höchstmaßen zu errichten und bei Verstößen hiergegen einen Rückbau vorzunehmen. Die Klägerin macht diesen Rückbauanspruch mit der Behauptung geltend, der errichtete Carport halte die Maße nicht ein.

Das LG hat die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs festgestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beklagten, der den Verwaltungsrechtsweg für gegeben hält, hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem OLG zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. GmS-OGB v. 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86, BGHZ 102, 280 [283] = MDR 1988, 554; v. 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85, BGHZ 97, 312 [313, 314] m. w. N. = MDR 1986, 822). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt (GmS-OGB v. 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85, BGHZ 97, 312 [313, 314] = MDR 1986, 822; BSG SozR § 51 SGG Nr. 61).

2. Die Natur vertraglicher Ansprüche wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Meist wird nicht auf den konkret geltend gemachten Anspruch, sondern darauf abgestellt, wo der Schwerpunkt der Vereinbarung liegt (GmS-OGB v. 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85, BGHZ 97, 312 [313 f.] = MDR 1986, 822; v. 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86, BGHZ 102, 280 [283] = MDR 1988, 554; BGH BGHZ 56, 365 [371 f.]; BGHZ 76, 16 [20]; Urt. v. 7.2.1985 - III ZR 179/83, MDR 1986, 125 = NJW 1985, 1892 [1893]; Urt. v. 12.11.1986 - V ZR 273/84, MDR 1987, 304 = NJW 1987, 773; Urt. v. 12.11.1991 - KZR 22/90, MDR 1992, 723 = NJW 1992, 1237 [1238]; Beschl. v. 6.7.2000 - V ZB 50/99, MDR 2000, 1270 = NJW-RR 2000, 845; BVerwG BVerwGE 22, 138 [140]; v. 11.2.1993 - 4 C 18/91, BVerwGE 92, 56 [59]; BSG SozR § 51 SGG Nr. 24, S. 56, 59). Teilweise wird aber auch auf das einschlägige Vertragselement abgestellt (BAG NJW 1969, 1192; BVerwG v. 29.5.1981 - 4 C 72/78, DÖV 1981, 878; BGH, Beschl. v. 19.12.1996 - III ZB 105/96, MDR 1997, 386 = NJW 1998, 909 [910]; BAG NJW 1969, 1192; OVG Schleswig NordÖR 2002, 309 [310]). Ob und in welchem Umfang diese Beurteilungsansätze in einem inhaltlichen Gegensatz stehen oder sich im Hinblick auf die Behandlung gemischttypischer Verträge auch ergänzen und welchem Ansatz im Allgemeinen zu folgen ist, bedarf jedenfalls im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Hier führt der eine wie der andere Beurteilungsansatz zur Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs.

3. Der Schwerpunkt des Vertrags liegt auf dem Gebiet des Zivilrechts. Auch die geltend gemachte Rückbauverpflichtung ist zivilrechtlicher Natur.

a) Der Vertrag der Parteien v. 24.8.2000 ist seinem wesentlichen Inhalt nach auf die Übertragung des Eigentums an der Teilfläche eines Grundstücks der Klägerin gegen Zahlung des ausbedungenen Kaufpreises gerichtet und damit ein Grundstückskaufvertrag, der dem Zivilrecht zuzurechnen ist. Die Regelung zur Bebauung des Grundstücks hat zwar einen Bezug zu den Aufgaben der Organe der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Bauordnungsbehörde. Sie hat aber im Verhältnis zu dem eigentlichen Inhalt des Vertrags, nämlich dem Verkauf des Grundstücks an den Beklagten, nur untergeordnete Bedeutung und ändert nichts daran, dass dieser Vertrag insgesamt seinen Schwerpunkt im Zivilrecht hat. Diesen Schwerpunkt teilt die Vereinbarung der Parteien v. 21.11.2001, mit der diese die technischen Einzelheiten der Abstimmung der Bebauung mit der Klägerin nach dem Grundstückskaufvertrag vereinbart haben.

b) Nichts anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts, wenn man zur Beurteilung der Natur des Rechtsverhältnisses auf die konkret geltend gemachte Rückbauverpflichtung abstellt. Diese Verpflichtung füllt die Regelung des Vertrags über die Abstimmung der Bebauung des Grundstücks mit der Klägerin näher aus. Selbst wenn die Klägerin hiermit nur die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Vorgaben hätte sicherstellen wollen, würde das nicht dazu zwingen, diese Verpflichtung als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorgaben kann auch in Privatrechtsform durchgesetzt werden (BGH, Urt. v. 7.2.1985 - III ZR 179/83, MDR 1986, 125 = NJW 1985, 1892 [1893]). Hier bestanden solche Vorgaben noch nicht einmal. Der Carport war nach schleswig-holsteinischem Landesrecht nicht genehmigungspflichtig. Es bestand auch keine Gestaltungssatzung der Klägerin, an deren Vorgaben seine Errichtung auszurichten gewesen wäre. Die zivilrechtliche Qualifikation dieser Regelungen des Vertrags und der diese ausfüllenden Vereinbarung v. 21.11.2001 folgt aber vor allem auch daraus, dass die Klägerin mit diesen Regelungen zwei Verpflichtungen des Beklagten erreicht hat, die sie als Bauordnungsbehörde mit öffentlich-rechtlichen Mitteln nicht hätte durchsetzen können: Der Beklagte hat sich zur Bebauung des Grundstücks verpflichtet, was sonst nur unter den besonderen, hier nicht gegebenen Voraussetzungen eines Baugebots möglich gewesen wäre. Außerdem hat er sich verpflichtet, die Bebauung seines Grundstücks schlechthin, also auch in solchen Punkten mit der Klägerin abzustimmen, die diese bauordnungsrechtlich und auch in einer Gestaltungssatzung nicht hätte vorschreiben können. Das war nur möglich, wenn und weil sich die Klägerin auf die Ebene des Zivilrechts begeben und die dann auch für sie geltende Privatautonomie genutzt hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin auch in anderen Fällen so vorgegangen ist. Das kann den zivilrechtlichen Prüfungsmaßstab für entsprechende vertragliche Regelungen verändern. An der zivilrechtlichen Einordnung dieses Handelns ändert das nichts.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren bemisst der BGH bei der Rechtswegbestimmung bislang mit 1/5 des Hauptsachewerts (BGH, Beschl. v. 19.12.1996 - III ZB 105/96, MDR 1997, 386 = WM 1997, 1077; Beschl. v. 4.3.1998 - VIII ZB 25/97, MDR 1998, 920 = BGHR GVG § 17a Abs. 4 S. 1, Beschlussform 1; Beschl. v. 6.7.2000 - V ZB 50/99, MDR 2000, 1270 = NJW-RR 2000, 845 [846]). Zu einer abweichenden Beurteilung besteht kein Anlass.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1059051

NJW 2004, 1049

BGHR 2004, 50

NJW-RR 2004, 142

NVwZ 2004, 253

JT 2004, 145

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