Nach der maßgeblichen Bestimmung des § 640 Abs. 1 BGB ist der Besteller verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werks die Abnahme ausgeschlossen ist. Soweit eine Abnahme nach der Beschaffenheit des Werks ausgeschlossen ist, tritt an die Stelle der Abnahme die Vollendung des Werks gemäß § 646 BGB. Bedeutung hat diese Vorschrift lediglich bei geistigen Leistungen wie etwa einer Theateraufführung oder einem Konzert, bei Beförderungsleistungen wie etwa der Fracht sowie bei Zeitungsannoncen. Bei körperlichen Gegenständen, insbesondere also Bauwerken, gilt sie nicht.

2.1 Liegt "Abnahmereife" vor?

Die Abnahme setzt die "Abnahmereife" der Werkleistung bzw. des Bauwerks voraus. Diese liegt dann vor, wenn das hergestellte Werk vertragsgemäß ist und keine wesentlichen Mängel aufweist. Liegt Abnahmereife vor, ist der Besteller zur Abnahme verpflichtet. Sie stellt insoweit eine Hauptleistungspflicht des Bestellers dar.

 
Wichtig

Ausdrückliche Abnahme

Auch wenn es noch an der "Abnahmereife" fehlt, hindert dies den Besteller nicht daran, bereits zu diesem Zeitpunkt die ausdrückliche Abnahme zu erklären.[1] Allerdings muss der Wille des Bestellers wegen der erheblichen Konsequenzen der Abnahme insoweit unzweifelhaft und eindeutig zum Ausdruck kommen.[2]

Die Abnahme kann nicht verweigert werden, wenn das Werk lediglich unwesentliche Mängel aufweist. Wann von einem unwesentlichen und wann von einem wesentlichen Mangel gesprochen werden kann, ist stets eine Frage des konkreten Einzelfalls.

 
Praxis-Beispiel

Wesentlicher oder unwesentlicher Mangel?

Weist das Eingangspodest einer Wohnanlage lediglich eine geringe, optisch kaum wahrnehmbare Schieflage auf, ist unzweifelhaft von einem unwesentlichen Mangel auszugehen. Weist das Eingangspodest hingegen eine deutliche Schieflage auf, so dürfte von einem wesentlichen Mangel auszugehen sein. Je nach Material der Podestoberfläche kann hier insbesondere bei Feuchtigkeit Rutschgefahr bestehen.

In Beantwortung der Frage, ob ein Mangel wesentlich oder unwesentlich ist, sind stets die Maßgaben des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen und die Interessen der beiden Vertragsparteien abzuwägen. Für den Auftraggeber ist die Abnahme trotz vorhandener Mängel dann zumutbar, je geringer die Abweichung von dem vertraglichen Bau-Soll ist.

 
Hinweis

Maßgeblich ist stets das Bau-Soll

Stets maßgeblich ist das Bau-Soll, also die spezifischen Vereinbarungen der Vertragsparteien. Insoweit kann auch eine Leistung mangelhaft sein und zur Abnahmeverweigerung berechtigen, die den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Wird also eine vom Auftraggeber vorgegebene Art und Weise der Bauausführung nicht beachtet, ist die Werkleistung trotz Einhaltung technischer Vorgaben mit einem wesentlichen Mangel behaftet.

Für die Abgrenzung zwischen wesentlichem und unwesentlichem Mangel sind folgende Kriterien zu prüfen:[3]

  • Höhe der Mängelbeseitigungskosten bzw. Umfang der Mängelbeseitigungsmaßnahmen,
  • Auswirkungen des Mangels auf die Funktionsfähigkeit der Gesamtwerkleistung,
  • Ausmaß (ggf. nur optische Beeinträchtigung).

Sicherheitsrelevante Abweichungen vom Bau-Soll stellen stets einen wesentlichen Mangel dar. Dies gilt auch dann, wenn der Aufwand für die Mängelbeseitigung in Bezug auf die Gesamtbausumme nur einen verschwindend kleinen Bruchteil ausmacht.

 
Praxis-Beispiel

Das fehlende Geländer

Der Bauträger errichtet eine Wohnanlage. Am Treppenlauf vom 1. zum 2. Obergeschoss fehlt das Treppengeländer. Auch wenn hier das Treppengeländer für einige Hundert Euro nachgerüstet werden kann, kann die Abnahme berechtigt verweigert werden. Ein fehlendes Treppengeländer birgt erhebliche Gefahren für Leib und Leben.

 
Hinweis

Vielzahl unwesentlicher Mängel

Zweifellos kann auch eine Vielzahl unwesentlicher Mängel einen wesentlichen Mangel darstellen, der zur Abnahmeverweigerung berechtigt.

[3] OLG München, Urteil v. 15.1.2008, 13 U 4378/07, BauR 2008 S. 1163.

2.2 Teilabnahme vereinbart?

Grundsätzlich bezieht sich die Verpflichtung des Bauträgers in den jeweiligen Erwerberverträgen nicht nur auf die Errichtung der einzelnen Wohnung bzw. Sondereigentumseinheit und das im Bereich dieser Sondereigentumseinheit vorhandene Gemeinschaftseigentum, sondern auf die Errichtung des gemeinschaftlichen Eigentums insgesamt. Insofern bezieht sich die Abnahme auch nicht nur auf die jeweilige Sondereigentumseinheit und das in ihrem Bereich vorhandene Gemeinschaftseigentum, sondern auf die gesamte Wohnanlage.

Die Vertragspartner können im Bau- bzw. Bauträgervertrag vereinbaren, dass nach Erreichen eines bestimmten Baufortschritts Teilabnahmen zu erfolgen haben. Für den Bereich des Wohnungseigentums können Bauträger und Erwerber also vereinbaren, dass nach Fertigstellung der Wohnung eine Abnahme bezüglich des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums im Bereich der betreffenden Sondereigentumseinheit zu erfolgen hat. Eine derartige Vert...

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