Leitsatz (amtlich)
1. Für die gegenseitige zivilrechtliche Haftung der Teilnehmer einer organisierten Radtouristikfahrt gelten grundsätzlich die von der Rechtsprechung für die Teilnahme an sportlichen Wettbewerben entwickelten Haftungsbeschränkungen (vgl. BGH v. 1.4.2003 - VI ZR 321/02, MDR 2003, 869 = BGHReport 2003, 803 = NJW 2003, 2018 für Motorsportverantaltung).
2. Soweit eine Verletzung der jeweiligen (geschriebenen und ungeschriebenen) sportlichen Regeln nicht feststeht, scheidet eine Haftung des Unfallverursachers aus. Dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen der StVO (hier: Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Abstände) gegeben ist, begründet für sich allein keine Haftung.
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Urteil vom 28.09.2005; Aktenzeichen 5 O 213/05) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.9.2005 verkündete Urteil des LG Ravensburg - 5 O 213/05 - (Bl. 61 ff. d.A.) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert im 2. Rechtszug: 9.042,65 EUR.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen der Folgen eines Fahrradunfalls während der Radtouristikfahrt "T. (Name)" auf Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz in Anspruch.
I. Die Parteien nahmen am 8.8.2004 an der sog. "T. (Name)...", einer organisierten Radtouristikfahrt mit Start und Ziel in B. (Ortsname), teil. Neben dem über 227 Km führenden "Oberschwaben-Radmarathon" wurden - als kürzere Teilstrecken - die sog. "Sport-Trophy" über 164 Km und die sog. "Stammtisch-Trophy" über 82 Km angeboten, deren Streckenführung auf dem letzten Teilstück von F. (= Ortsname) über B. S. (= Ortsname) bis ins Ziel nach B. (Ortsname) identisch ist (vgl. die vorgelegte Ausschreibung des Jahres 2003, Bl. 34a d.A.).
Die Klägerin und der Zeuge G. (= Nachname) nahmen an der "Sport-Trophy" teil, während die Beklagten die "Stammtisch-Trophy" absolvierten. In der Ortsdurchfahrt von B. S. (= Ortsname), wo die beiden Touren gemeinsam verlaufen, hatte sich eine größere Gruppe aus mindestens 20 Fahrern gebildet. Die Klägerin und der Zeuge G. (= Nachname) fuhren in der Gruppe hinter den beiden - miteinander bekannten - Beklagten. Die Einzelheiten des Weiteren, zum Sturz der Parteien führenden Geschehens sind streitig. Fest steht aber, dass die Beklagte zu 1 - wie sie behauptet zur Begrüßung - dem rechts neben ihr fahrenden Beklagten zu 2 mit der rechten Hand auf dessen linke Schulter klopfte. Der Zeuge G. (= Nachname) versuchte, rechts an den Beklagten vorbeizufahren. Plötzlich gerieten die Beklagten mit den Lenkern ihrer Räder so aneinander, dass diese sich verhakten und die Beklagten unmittelbar vor der Klägerin zu Fall kamen. Die Klägerin, die nicht mehr ausweichen konnte, stürzte über die am Boden liegen Beklagten und zog sich dabei erhebliche Verletzungen im Bereich der rechten Schulter, u.a. eine Teilruptur der Rotatorenmanschette, zu. Wegen der Verletzungen im Einzelnen wird auf die Klagschrift (Bl. 2 d.A.) Bezug genommen.
II. Die Klägerin hat im ersten Rechtszug - auf der Grundlage einer alleinigen Haftung der Beklagten - neben einem Schmerzensgeld von 2.500 EUR Ansprüche auf materiellen Schadensersatz i.H.v. insgesamt 5.667,65 EUR geltend gemacht, bestehend aus den - fiktiven - Kosten der Wiederbeschaffung des beschädigten Fahrrads (Rahmen), vergeblich aufgewandten Beiträgen zu einem Fitnessstudio, den Aufwendungen eines Kostenvoranschlags sowie Nutzungsausfall für das Rad und einen Haushaltsführungsschaden für die Zeit bis zum 4.11.2004 (vgl. Bl. 2 ff. d.A.).
Sie hat behauptet, die Beklagten hätten den Sturz dadurch allein verschuldet, dass sie unter grober Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt miteinander geblödelt und sich gegenseitig geschubst hätten, bis sich die Lenker verhakten.
Die Beklagten haben dies bestritten und vorgetragen, die Beklagte zu 1 habe den Beklagten zu 2 nur durch kurzes Schulterklopfen begrüßt. Es habe sich danach unabhängig davon wegen der Vielzahl der Radfahrer auf engstem Raum ein starkes Gedränge entwickelt, in dem es zu Überholvorgängen gekommen sei. In der Enge des Fahrerpulks hätten sich die Lenker plötzlich ineinander verhakt, so dass der Sturz unvermeidbar gewesen sei.
III. Das LG hat die Klage - nach Vernehmung des Zeugen G. (= Nachname) (Bl. 48 ff. d.A.) - abgewiesen. Ein schuldhaftes Fehlverhalten der Beklagten sei nicht bewiesen. Eine generelle Haftungsfreistellung welcher Art auch immer zwischen den Teilnehmern der Touristikfahrt sei zwar wegen Fehlens einer Wettkampfsituation nicht gerechtfertigt. Die Teilnehmer hätten sich aber durch die Teilnahme stillschweigend von der Einhaltung bestimmter Verhaltenspflichten, insbesondere der Beachtung der sonst vorgeschriebenen Sicherheitsabstände, freigestellt, da sonst derartige Fahrten gar nicht durchgeführt werden könnten. Mit leichten Schlenkern des Vordermannes sei bei Kolonnenfahrten immer zu rechnen. Der Hintermannn müsse daher mit erhöhter Aufmerksamkeit fahren. Im vorliegenden Fall sei nicht festzustell...