Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines von der Kommune betriebenen Aufgebotsverfahrens zur Ausschließung eines Eigentümers an einer Gehwegfläche entlang einer innerstädtischen Straße.
Normenkette
BGB § 927; FamFG §§ 433, § 442 ff.
Verfahrensgang
AG Fürth (Beschluss vom 21.10.2016; Aktenzeichen 58 UR II 34/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Fürth - Rechtspflegerin - vom 21.10.2016 aufgehoben.
Das AG Fürth wird angewiesen, entsprechend dem Antrag des bevollmächtigten Notars F. B. mit Amtssitz in F. vom 21.12.2015 das Aufgebotsverfahren durchzuführen und das Aufgebot zu erlassen.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 21.12.2015 hat der Notar B. mit Amtssitz in F., als Bevollmächtigter der Stadt F., bei dem AG Fürth beantragt, hinsichtlich einer Verkehrsfläche von 200 qm (Gehweg) auf dem Flurstück Nr... "H." der Gemarkung F. (Grundbuch des AG Fürth Blatt...) ein Aufgebotsverfahren nach §§ 442 ff. FamFG zur Ausschließung des Eigentümers des Grundstücks nach § 927 BGB durchzuführen.
Zur Begründung wird angeführt, dass die zuletzt im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Eheleute in Gütergemeinschaft H. am Tag der Antragstellung 157 Jahre bzw. 161 Jahre alt wären; Sterbenachweise hätten trotz jahrelanger Bemühungen der Stadt F. nicht beigebracht werden können; Eintragungen, die der Zustimmung des Eigentümers bedurften, seien in den letzten 30 Jahren nicht erfolgt und die Stadt F. habe seit mehr als 30 Jahren das fragliche Grundstück in Eigenbesitz, da es seit Beginn des 20. Jahrhunderts als öffentliche Verkehrsfläche in Form eines Gehwegs entlang der Straße genutzt werde.
Mit Beschluss vom 21.10.2016 hat das AG Fürth, Rechtspflegerin, den Antrag zurückgewiesen. Die Stadt F. habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie länger als 30 Jahre die fragliche Gehwegfläche in Eigenbesitz habe.
Hiergegen wendet sich die antragstellende Kommune mit der Beschwerde, mit der sie ihr Ziel der Durchführung des Aufgebotsverfahrens unverändert weiterverfolgt.
Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens wird auf die eingereichten Schreiben der Stadt F. vom 23.11.2016, nebst Anlagen, und vom 02.02.2017 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 05.12.2016 hat das Ausgangsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Nürnberg als Beschwerdegericht vorgelegt.
II. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) und wurde in zulässiger Form und Frist erhoben.
Das AG hat nach Ablehnung einer Abhilfe die Sache zutreffend an das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 23a Abs. 2 Nr. 7, 119 Absatz 1 Nr. 1b) GVG) abgegeben.
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Da der Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens zur Ausschließung eines Grundstückeigentümers zulässig ist, hat das AG das Aufgebot antragsgemäß zu erlassen.
1. (Verfahren)
Nach § 927 BGB [Aufgebotsverfahren] gilt:
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann, wenn das Grundstück seit 30 Jahren im Eigenbesitz eines anderen ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Recht ausgeschlossen werden. Die Besitzzeit wird in gleicher Weise berechnet wie die Frist für die Ersitzung einer beweglichen Sache. Ist der Eigentümer im Grundbuch eingetragen, so ist das Aufgebotsverfahren nur zulässig, wenn er gestorben oder verschollen ist und eine Eintragung in das Grundbuch, die der Zustimmung des Eigentümers bedurfte, seit 30 Jahren nicht erfolgt ist.
(2) Derjenige, welcher den Ausschließungsbeschluss erwirkt hat, erlangt das Eigentum dadurch, dass er sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen lässt.
(3) Ist vor dem Erlass des Ausschließungsbeschlusses ein Dritter als Eigentümer oder wegen des Eigentums eines Dritten ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen worden, so wirkt der Ausschließungsbeschluss nicht gegen den Dritten.
§ 927 BGB sieht zur Aneignung eines im langjährigen Eigenbesitz stehenden Grundstückes ein zweistufiges Verfahren vor. Zunächst muss gemäß § 927 Abs. 1 BGB durch ein gerichtliches Aufgebotsverfahren, welches mit einem Ausschließungsbeschluss endet, der bisherige Eigentümer von seinem Recht ausgeschlossen werden, wodurch das Grundstück herrenlos wird. Durch den Ausschließungsbeschluss erlangt der Antragsteller gemäß § 927 Abs. 2 BGB nicht sogleich selbst das Eigentum an dem Grundstück, sondern vielmehr nur gemäß § 927 Abs. 2 BGB ein Aneignungsrecht. Das Eigentum erlangt der Antragsteller erst dadurch, dass er bei dem Grundbuchamt einen Eintragungsantrag stellt, mit welchem er seinen Aneignungswillen dokumentiert und sodann als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird. Nach § 927 Abs. 2 BGB kann das Aneignungsrecht nur durch denjenigen ausgeübt werden, der den Ausschließungsbeschluss erwirkt hat, also nur durch den Antragsteller des Aufgebotsverfahrens (OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.12.2016 - 20 W 74/16 m.w.N., BeckRS 2016, 114724, beck-online).
Für die Durchführung dieses Aufgebotsverfahrens gelten die §§ 433, 442 ff. FamFG.