Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe kann auch eine Rechtsanwaltsgesellschaft, zu deren Geschäftsführern andere Personen als Rechtsanwälte gehören, nach § 121 ZPO beigeordnet werden.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 1; BRAO § 59l
Verfahrensgang
AG Straubing (Beschluss vom 31.07.2012; Aktenzeichen 004 F 497/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Straubing vom 31.7.2012 dahingehend abgeändert, dass dem Antragsgegner anstelle von Rechtsanwältin ... die R. & S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet wird.
Gründe
I. Der Antragsgegner beantragte im vorliegenden Kindesunterhaltsverfahren in der Sitzung des Familiengerichts vom 25.7.2012 die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Bereits mit Schriftsatz vom 11.6.2012 hatte die R. & S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (im Folgenden: R. & S. GmbH) sich anlässlich des Verfahrenskostenhilfeantrags der Antragstellerin als Vertreterin des Antragsgegners angezeigt und beantragt, dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe zu gewähren und "ihm die Unterzeichner als Anwalt beizuordnen".
Mit Beschluss vom 31.7.2012 hat das Familiengericht dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe bewilligt und "Rechtsanwalt I. St." als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet.
Mit Schriftsatz vom 1.8.2012 hat die R. & S. GmbH beantragt, den Beschluss zu ändern und sie als Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen. Mit Schriftsatz vom 27.9.2012 wurde klargestellt, dass der Schriftsatz vom 1.8.2012 als Beschwerde anzusehen sei. Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und im Nichtabhilfebeschluss vom 2.10.2012 ausgeführt, dass vorliegend die Beiordnung der R. & S. GmbH nicht in Betracht komme, da einer der vertretungsberechtigten Geschäftsführer als Steuerberater und Rechtsbeistand nicht befugt sei, "im Familienrecht fremde Rechtsangelegenheiten zu regeln".
Mit Schriftsatz vom 20.11.2012 hat die R. & S. GmbH klargestellt, dass die Beschwerde im Namen des Antragsgegners eingelegt worden sei.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senates (vgl. FamRZ 2003, 106) kann nach § 121 ZPO nicht nur ein Rechtsanwalt als Einzelperson beigeordnet werden, sondern auch eine nach § 59g BRAO zugelassene Rechtsanwaltsgesellschaft. Diese Rechtsprechung steht in Einklang mit der des BGH (vgl. FamRZ 2009, 37). An ihr wird festgehalten.
Der Wortlaut des § 121 Abs. 1 ZPO steht der Beiordnung einer Rechtsanwaltsgesellschaft nicht entgegen. Zwar wird in genannter Vorschrift von einem "beizuordnenden Rechtsanwalt" gesprochen und wurde an diesem Gesetzestext auch nach Einführung der Rechtsanwaltsgesellschaft und der Partnerschaftsgesellschaft nichts geändert. Hieraus kann jedoch - entgegen der Meinung des Sächsischen Landessozialgerichts (s. Beschluss vom 24.4.2012, abgedruckt in NZS 2012, 679) - nicht gefolgert werden, dass der Kreis der Beiordnungsfähigen nur im Wege einer Gesetzesänderung auf Rechtsanwaltsgesellschaften ausgedehnt werden könne. Nach Meinung des Senates bedarf die Vorschrift des § 121 Abs. 1 ZPO vielmehr vor dem Hintergrund der Neuregelungen im Berufsrecht einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend, dass auch Rechtsanwaltsgesellschaften im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe beigeordnet werden können. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine vermögende Prozesspartei nach Einführung des § 59l BRAO eine Rechtsanwaltsgesellschaft als Bevollmächtigte beauftragen und die mit einer Arbeitsteilung der dort agierenden Anwälte verbundenen Vorteile nutzen könnte, während sich eine bedürftige Prozesspartei auf die Beiordnung eines Einzelanwaltes beschränken lassen müsste (s. BGH, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch eine Rechtsanwaltsgesellschaft dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG untersteht, erscheint es nicht gerechtfertigt, Rechtsanwaltsgesellschaften, bei denen auch andere Personen als Rechtsanwälte Geschäftsführer sind, von einer Beiordnung auszuschließen. Nach § 59e BRAO sind auch Rechtsanwaltsgesellschaften zuzulassen, zu deren Gesellschaftern Steuerberater gehören. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten müssen daher auch "gemischte" Rechtsanwaltsgesellschaften unbeschränkt ihrer beruflichen Bestimmung nachgehen können. Der Tatsache, dass ein einzelner Geschäftsführer nicht als anwaltlicher Vertreter in Familiensachen vor Gericht auftreten kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass nach § 59l Satz 2 und 3 BRAO eine Rechtsanwaltsgesellschaft zwar grundsätzlich die Rechte und Pflichten eines Rechtsanwaltes hat, aber nur durch solche Organe und Vertreter handeln kann, in deren Person die für die Erbringung der mandatsbezogenen Leistungen gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen vorliegen. Die Rechtsanwaltsgesellschaft hat daher in eigener Verantwortung zu bestimmen, durch welches Organ oder durch welchen qualifizierten Vertreter sie im konkreten Fall gegenüber ...