Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzansprüche gegen Altgesellschafter aus einer Beteiligung als Direktkommanditist an einer Fondsgesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Weder durch die Stellung eines Insolvenzantrags allein noch durch die Bestellung eines Insolvenzgutachters durch das Insolvenzgericht über das Vermögen einer Partei wird der Rechtsstreit gem. § 240 ZPO unterbrochen.
2. Es obliegen dem, der selbst oder durch Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Vertragspartner einzuhalten, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet. In der Regel trifft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will. Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon vorher beigetretenen Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen.
3. Die Haftung des aufnehmenden Gesellschafters besteht ausnahmsweise nur dann nicht, wenn dieser rein kapitalistisch beigetreten ist und auf die Vertragsgestaltung und die Beitrittsverhandlungen und -abschlüsse zum Zwecke der Einwerbung von neuen Gesellschaftern erkennbar keinen Einfluss hatte. Denn es ist davon auszugehen, dass solche Altgesellschafter bei ihrem Beitritt ebenso nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Anlage aufgeklärt wurden wie die Neugesellschafter.
4. Der Prospekt muss den Anleger über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, zutreffend, verständlich und vollständig aufklären. Da der Prospekt Erklärungen an einen unbestimmten Personenkreis enthält, ist er objektiv auszulegen. Maßgeblich ist mithin die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Anlegers. Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist nicht isoliert auf eine bestimmte Formulierung, sondern auf das Gesamtbild abzustellen, das er dem Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre vermittelt.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 249 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2; HGB § 166; ZPO § 240
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 10.08.2016; Aktenzeichen 32 O 6995/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 10. August 2016, Az. 32 O 6995/15, abgeändert:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 10.600,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. Mai 2014 zu zahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die R. Rechtsschutzversicherung zu der Schadensnummer ... 95-4 auf deren Konto bei der D. Bank AG (IBAN: ... 47,) EUR 1.413,16 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. Oktober 2014 zu zahlen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 200,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. Oktober 2014 zu zahlen.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von sämtlichen Verpflichtungen und steuerlichen Nachteilen freizustellen, die diesem durch die Zeichnung seiner Kommanditbeteiligung an der E. P. M. GmbH & Co. KG III vom 12. Oktober 2004 entstanden sind und noch entstehen werden.
V. Die Verurteilung zu den Ziffern I. bis IV. erfolgt Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte des Klägers aus der Beteiligung an der E. P. M. GmbH & Co. KG III vom 12. Oktober 2004.
VI. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in Ziffer IV. bezeichneten Beteiligung seit dem 17. Mai 2014 in Annahmeverzug befindet.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der Mehrkosten, die durch die Erhebung der Klage zum Landgericht Frankenthal (Pfalz) entstanden sind. Diese trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Verfahren wird - auch in Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts vom 10. August 2016 - auf 18.600,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers aus einer Beteiligung des Klägers als Direktkommanditist an der E. P. M. GmbH & Co. KG III (im folgenden: Fondsgesellschaft).
Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 12. Oktober 2004 (K 1) als Direktkommanditist mit einem Betrag von EUR 20.000,00 an der Fondsgesellschaft. Konzeptionsgemäß zahlte er 50% der Beteiligungssumme zzgl. 3% Agio, also EUR 10.600,00 ein. Die verbleibenden 50% der Pflichteinlage sollten durch bis 2011 erwirtschaftete und nicht mehr reinvestierte Gewinne geleistet werden. Seine Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 11. November 2004 (K 4, dort lfd. Nr...