Entscheidungsstichwort (Thema)
Klägeänderung bei in der Berufungsinstanz erstmals begehrten Angaben in einem Buchauszug; Zu den Anfordernissen und zum Inhalt eines Buchauszugs bzw. eines Ergänzungsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
Werden in der Berufung erstmals Angaben zur Anschrift des Kunden, zum Vertragsdatum, zum Stadium der Ausführung des Geschäfts, zum Stand der Auftragsbearbeitung im Falle angebahnter Geschäfte und alle Daten, die zur Nichtdurchführung des Vertrages geführt haben begehrt, ist darin ein Wechsel im Streitgegenstand und damit eine Klageänderung gem. §§ 525, 263 ZPO nicht zu sehen. Wird bei gleichbleibendem Klagegrund der Antrag lediglich erweitert (oder beschränkt), gilt § 263 ZPO nicht. Im Streitfall liegt ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO vor. Es handelt sich unter Beibehaltung des zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplexes nur um eine quantitative Änderung des Klageantrages ohne Änderung des Klagegrundes i.S.d. § 264 Nr. 2 ZPO.
Der Verspätungseinwand greift nicht, soweit es die Erweiterung des Klageantrages betrifft. Neue Sachanträge können nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden, da einer Verspätung unterliegende Angriffs- und Verteidigungsmittel nur die zur Begründung oder zur Verteidigung vorgebrachten Behauptungen, Einwendungen, Einreden etc. sind, nicht aber Angriff und Verteidigung selbst, d.h. Sachanträge oder deren Änderung.
Zu den Anforderungen an den Inhalt eines Buchauszugs und eines Ergänzungsanspruchs.
Es besteht ein Anspruch auf Wiedergabe der bei stornierten Verträgen von einem Versicherungsunternehmen selbst vorgenommenen Bestandserhaltungsmaßnahmen in den Buchauszug. Diese Angaben sind für den Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters von Bedeutung, weil das Unterlassen solcher Maßnahmen dazu führen kann, dass die i.S.d. Nichtausführung des Vertrages. Zu Unrecht hat das LG einen solchen Anspruch im konkreten Fall mit dem Hinweis auf die von dem Gesetzgeber in den §§ 312d, 355 ff. BGB eingeräumten Widerrufsmöglichkeiten, der Problematik um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Nachbearbeitung und aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten abgelehnt.
Normenkette
ZPO §§ 263-264, 525; HGB §§ 87, 87a, 87c
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 01.12.2010; Aktenzeichen 11 O 32/097) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1.12.2010 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Bonn -11 O 32/09 - unter Abweisung der Klage im Übrigen und Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, den der Klägerin erteilten Buchauszug, der sich auf alle von der Klägerin in der Zeit vom 22.4.2008 bis zum 28.2.2009 vermittelten Strom- und Gasverträge zur Vertragspartnernummer 99476 erstreckt (Anlage B 7), um folgende Angaben zu ergänzen:
- Anschrift des Kunden
- Stadium der Ausführung des Geschäfts bzw. des Standes der Auftragsbearbeitung im Falle angebahnter Geschäfte (§ 87 Abs. 3 HGB)
- Stornierungen sowie Gründe der Nichtdurchführung mit Angabe der konkreten Vorgänge (Erklärungen, Handlungen) einschließlich aller Daten, die zur Nichtdurchführung des Vertrages führten, hinsichtlich der Angabe zum Kündigungsdatum und zum Kündigungsgrund (Vertragsstatus "Gekündigt Kunde")
- Art und Umfang der ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden der Klägerin auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der jeweils vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin war aufgrund eines schriftlichen Vertrages ("Vertriebsvertrag/Call - Center") vom 22./29.4.2008 (Anlage K1 = Bl. 4 - 22 d.A.) für die Beklagte als Handelsvertreterin tätig. Gegenstand dieses Vertrages war u.a. die Vermittlung von Energielieferverträgen zwischen der Beklagten und ihren Endkunden. Das Vertragsverhältnis endete zum 28.2.2009.
Die Höhe der Abschlussprovision der Beklagten richtete sich ausweislich der für die vermittelten Leistungen "Energie" getroffenen Provisionsvereinbarungen der Parteien nach der gewählten Tarifart und den gewählten Zusatzoptionen. § 3 Ziff. 3. des Vertriebsvertrages enthält zur Provision folgende Regelung:
"Wird der vom Vertriebspartner vermittelte Auftrag vom Kunden widerrufen oder der Rücktritt erklärt, so entsteht kein Provisionsanspruch. Kommt der Kunde seinen vertraglichen Leistungen (...) nicht nach, entfällt der Provisionsanspruch des Vertriebspartners."
Die als "Anlage 2 Outbound "Energie" zum Vertriebspartnervertrag" überschriebene Provisionsvereinbarung der Parteien (Bl. 9 - 12 d.A.) enthält ferner unter Ziffer VI.1. ("Stornohaftung") die Klausel:
"Endet die Vertragsbeziehung mit dem Kunden innerhalb von 2 Monaten nach Beginn der Energielieferung, gleich aus welchem Grund, veranlasst der Kunde die Rückbuchu...