Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung Therapiezeit. verfahrensfremde Freiheitsstrafen. Zuständigkeit. Vollstreckungsbehörde
Leitsatz (amtlich)
1. Die Staatsanwaltschaft ist als zuständige Strafvollstreckungsbehörde (§ 451 Abs. 1 StPO, § 36 Abs. 1 StVollstrO) auch für die Entscheidung zuständig, ob die Zeit des im Maßregelvollzug erlittenen Freiheitsentzuges auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen anzurechnen ist.
2. Offen bleiben kann, ob die Strafvollstreckungskammer die bedingte Entlassung des Verurteilten und vormals Untergebrachten aus der Strafhaft allein deshalb ablehnen darf, weil eine geänderte fiktive Strafzeitberechnung der Staatsanwaltschaften entsprechend § 67 Abs. 4 StGB in der Fassung durch die Weitergeltungsordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.03.2012 zum Zeitpunkt ihrer Beschlussfassung fehlte.
Normenkette
STGB § 67 Abs. 4; StPO § 451 Abs. 1; StrafVollstrO § 36
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 27.02.2015; Aktenzeichen 15 StVK 161/15) |
Tenor
Der Beschluss der 15. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 27.02.2015 wird aufgehoben, soweit die bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft in den Verfahren StA Bochum 530 Js 1026/06, StA Bochum 5 Js 336/07 und StA Hagen 769 Js 1186/08 abgelehnt worden ist.
Die Vollstreckung der noch nicht im Wege der Anrechnung verbüßten Reststrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 21.11.2007 (29 Ls 5 Js 336/07 - 47/07) in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 06.03.2008 (4 Ns 5 Js 336/07), aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Bochum vom 04.05.2007 (76 Ds 530 Js 1026/06) sowie aus dem Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 21.04.2009 (52 Ds 769 Js 1186/08 - 294/08) in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Hagen vom 17.07.2009 (47 Ns 769 Js 1186/08 - 87/09) wird zur Bewährung ausgesetzt.
Auch insoweit ist der Verurteilte am 26.03.2015 zu entlassen.
Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.
Der Verurteilte wird der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnort zuständigen Bewährungshelfers C unterstellt.
Im Übrigen verbleibt es auch hinsichtlich der nunmehr ausgesetzten Restfreiheitsstrafen bei den Weisungen aus dem Beschluss der 15. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 27.02.2015, Ziffern 6. und 7.
Die Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug wird auch insoweit dem Leiter der Maßregelvollzugseinrichtung übertragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Verurteilten dort entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Der Verurteilte befindet sich seit dem 01.04.2011 bis zum Erreichen der Maßregelhöchstfrist am 26.03.2015 aufgrund des Urteils des Landgerichts Hagen vom 18.01.2011 (41 KLs 400 Js 223/10), durch das er wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und zugleich seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist, in der M-Klinik I.
Der Verurteilung liegt zugrunde, dass der Untergebrachte am 13.07.2010 unter massivem Alkoholeinfluss (die Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,67 Promille) seinen Stiefvater ohne feststellbaren Anlass körperlich schwer misshandelt hatte. Die Misshandlungen des Opfers zogen sich über etwa eine Stunde lang hin und führten zu schweren Verletzungen, u.a. einem Bruch des Augenbogens, der Kieferhöhlen und des Jochbeins sowie der linken Elle und zweier Zehen am linken Fuß. Weiterhin erlitt das Opfer Gehirnblutungen, die jederzeit zu einer Lebensgefahr hätten führen können, und musste deshalb der Intensivstation zugeführt werden.
Der Verurteilte wurde am 13.07.2010 in Untersuchungshaft genommen und befand sich vom 18.01.2011 bis zum 31.03.2011 in Organisationshaft. Am 01.04.2011 wurde er in die M-Klinik I aufgenommen. 2/3 der durch das Urteil des Landgerichts Hagen vom 18.01.2011 gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten hatte er - bei Anrechnung der Organisationshaft auf das letzte Strafdrittel - am 25.03.2013 verbüßt. Die Maßregelhöchstfrist ist am 26.03.2015 erreicht. Für folgende vor dem Urteil des Landgerichts Hagen vom 18.01.2011 erfolgten anderweitigen Verurteilungen war mit Erreichen der Maßregelhöchstfrist Überhaft notiert:
1.
Durch Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 18.01.2007 (76 Ds 530 Js 1026/06 - 642/06) wurde der Untergebrachte wegen eines am 18.05.2006 begangenen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, die mit Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 04.05.2007 mit der in dem Verfahren AG Bochum 520 Js 518/06 wegen eines am 22.06.2006 begangenen Diebstahls verhängten Geldstrafe von 90 Tagessätzen auf eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung zurückgeführt wurde. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde später widerrufen.
2.
Durch Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 21.11.2007 (29 Ls 5 Js 336/07 - 47/07) in Verbindung mit dem Urt...