Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.11.2020; Aktenzeichen 2-03 O 425/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 3. Zivilkammer - vom 12. November 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf EUR 45.000,- festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen mehrerer Äußerungen, die die Beklagte unter dem Pseudonym "A" in einem in die (geschlossene) Facebook-Gruppe "X" unter dem Titel "Y" eingestellten Post über den Kläger getätigt hat, auf Unterlassung in Anspruch. Der Beitrag befasst sich mit einem Vorfall einer angeblichen sexuellen Grenzüberschreitung durch den Kläger der Beklagten gegenüber, die im März 2015 in Stadt2 in der Nacht im Hotel1 stattgefunden haben soll. Die Beklagte hatte mit dem Kläger damals in einem Raum, in dem mehrere Personen untergebracht waren, auf Bitte des Klägers mit ihm in einem Einzelbett übernachtet, wobei zuvor die Beklagte diesen darauf hingewiesen hatte, dass da "nichts stattfinde". Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage ASt 1 (Bl. 8 f.) Bezug genommen.
Die angegriffenen Äußerungen der Beklagten nehmen Bezug auf weitere Äußerungen von Aktiven der sog. Poetry-Slam-Szene in der Facebookgruppe "X" und einer dort geführten Diskussion über etwa bestehenden sexuellen Machtmissbrauch von Männern gegenüber jungen weiblichen Poetry-Slammerinnen im Kontext mit Poetry-Slam-Veranstaltungen. In diesem Zusammenhang war vor dem Senat ein weiteres Berufungsverfahren anhängig gewesen (Az.: 16 U 283/20), in dem die dortige Beklagte F ("F1") gegen den Kläger Vorwürfe wegen sexuellen Übergriffe erhoben hatte und vom Landgericht wegen der über den Kläger gemachten Äußerungen zur Unterlassung verurteilt wurde. In diesem Berufungsverfahren wurde vor dem Senat mündlich verhandelt, das Verfahren wurde vergleichsweise beendet. Daneben war vom Kläger in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Frankfurt auch die in dem hier streitgegenständlichen Beitrag erwähnte, ebenfalls auf Unterlassung in Anspruch genommene "C" (C), war dort zur Unterlassung verurteilt worden und hat inzwischen eine Unterlassungserklärung abgegeben. Der Kläger hatte im Rahmen der in der Facebookgruppe geführten Diskussion über etwaigen Machtmissbrauch zu sexuellen Übergriffen ebenfalls einen Beitrag gepostet, wegen dessen Inhaltes auf Anlage B3, Bl. 88 ff. d.A., Bezug genommen wird.
Die gegen den Kläger zunächst aufgrund von Strafanzeigen der Zeuginnen F und C geführten Ermittlungsverfahren wurden zwischenzeitlich eingestellt. Auf die Einstellungsbescheide (Anlagen BK1, 385 ff. und BK2, Bl. 379 ff.) wird Bezug genommen.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die vier angegriffenen Äußerungen als Tatsachenbehauptungen aufgefasst und diese - unabhängig von deren Wahrheitsgehalt - im Rahmen einer Gesamtgüterabwägung der sich gegenüberstehenden Interessen als unzulässig eingestuft. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Gründe der angefochten Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Ansicht, das Gericht habe zu Unrecht den von ihr geschilderten Vorfall als streitig im Tatbestand des Urteils behandelt und den hierzu von ihr gestellten Tatbestandsberichtigungsantrag zu Unrecht zurückgewiesen. Der Kläger habe die von ihr detailliert vorgetragenen tatsächlichen Umstände nicht den Anforderungen des § 138 Abs. 2 ZPO genügend bestritten, weshalb diese Tatsachen insgesamt nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln seien. Der Kläger habe den von Einzelheiten geprägten Schilderungen der Beklagten keine Gegenschilderung entgegengesetzt, was hier erforderlich gewesen sei. Ferner habe das Gericht die von ihr zu dem konkreten Vorfall und den in der Facebookgruppe "X" behandelten Probleme wegen sexueller Übergriffe gegenüber jungen Slammerinnen die von ihr angebotenen Beweise erheben und hierzu die Zeuginnen D, C, F und E und ferner den Kläger und die Beklagte als Partei vernehmen müssen. Bei der gebotenen Interessenabwägung mache es einen Unterschied, ob die behaupteten Tatsachen wahr oder unwahr seien.
Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass hinsichtlich sämtlicher streitgegenständlicher Äußerungen ihre Meinungsfreiheit und das Informationsinteresse des Adressatenkreises dem Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiegen würden. Das Landgericht habe insbesondere nicht das Informationsinteresse der Adressaten der Äußerung in der Facebookgruppe "X" erkannt, welches sich daraus ergebe, dass es eine Mehrzahl ganz konkreter Vorfälle sexueller Übergriffigkeit von Leitfiguren in der Poetry-Slam-Szene gegenüber jüngeren Teilnehmerinnen gegeben...