Leitsatz (amtlich)

1. Juristische Personen des Privatrechts können den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts insoweit in Anspruch nehmen, als ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenkreis betroffen ist.

2. Der Vorwurf strafbaren Handelns (hier: "Betrug") kann dann als Tatsachenbehauptung anzusehen sein, wen er wesentlich durch die Bezugnahme auf konkrete Tatsachen geprägt ist.

3. Sind die Tatsachen als wahr anzusehen, ist die Äußerung im Rahmen der Abwägung regelmäßig zulässig; ob die Bewertung nach Maßgabe der Vorschriften des Strafgesetzbuches juristisch zutrifft, ist hierfür ohne Belang.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 05 O 1113/22)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 21.12.2022 - 5 O 1113/22 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 8.500,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. (Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Absatz 2; 313a Absatz 1 ZPO abgesehen).

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteil und Abweisung der Klage. Die Kläger haben unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf die begehrte Unterlassungserklärung.

1. Den Klägern steht kein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Äußerungen nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog zu.

a) Der Anspruch der Klägerin zu 1. scheitert allerdings nicht bereits an dem Umstand, dass es sich bei ihr um eine GmbH und damit um eine juristische Person des Privatrechts handelt.

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass juristische Personen des Privatrechts nicht nur Ehrenschutz genießen (BGH GRUR 1975, 208 - Deutschland-Stiftung; BGH GRUR 1976, 210 - Der Geist von Oberzell; BGH NJW 2005, 279, 282 und NJW 2009, 1872 Tz. 10 - Fraport-Manila-Skandal), sondern sich auch auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen können (BGH NJW 1994, 1281, 1282), wobei sie allerdings insoweit verfassungsrechtlich nur aus Art. 2 Abs. 1 und nicht auch aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz geschützt sind (BVerfGE 106, 28 = NJW 2002, 3619 Rn. 42 in Juris; Senat, Urteil vom 01. Juni 2018 - 4 U 217/18 -, juris) und sich hierauf nur insoweit berufen können, als sie nach ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und in ihren Funktionen dieses Schutzes bedürfen, das heißt soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenkreis, insbesondere als Arbeitgeber oder Wirtschaftsunternehmen betroffen ist (BGH NJW 1994, 1281, 1282; NJW 1980, 2807, 2808 - Medizin-Syndikat I).

b) Dennoch kann keiner der Kläger die geltend gemachte Unterlassung verlangen. Die Kläger haben die Äußerung vielmehr hinzunehmen, weil sie sich im Ergebnis der zwischen den Grundrechten aller Beteiligten gebotenen Abwägung nicht als rechtswidrig darstellt.

Die Frage, ob der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht rechtswidrig ist, ist anhand einer Abwägung des Rechts der Kläger auf Schutz ihrer Persönlichkeit und ihres guten Rufs aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der EMRK interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, ständige Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 22.02.2022 - juris, Rz. 22 m.w.N., Senat, Urteil vom 23. 08.2022 - 4 U 2610/21). Hierbei gilt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Allgemeinen nicht vor abwertenden Meinungsäußerungen schützt, sondern nur vor abwertenden unwahren Tatsachenbehauptungen (vgl. BGH, U.v.16.12.2014, VI ZR 39/14). Es bedarf daher zunächst der Feststellung, ob es sich vorliegend um eine Meinungsäußerung oder um eine Tatsachenbehauptung handelt. Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist auch bei dieser Abgrenzung unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Ansicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis des unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut - der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann - und dem allgemeinen Sprachgebrauch sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung ...

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