Leitsatz (amtlich)
1) Die Regeln des Anscheinsbeweises sind auf mit der Originalkarte bewirkte Barabhebungen an Geldautomaten, die seit dem 31.10.2009 stattgefunden haben und daher dem Geltungsbereich der §§ 675u bis 675w BGB unterliegen, grundsätzlich weiter anwendbar.
2) Ob das von dem kartenausgebenden Kreditinstitut und den die Geldautomaten betreibenden Instituten konkret genutzte Sicherheitssystem ein ausreichendes Sicherheitsniveau für die Anwendung des Anscheinsbeweises bietet, ist stets anhand des jeweiligen konkreten Vortrags der Parteien zu möglichen Sicherheitslücken und gegebenenfalls - aber nicht zwangsläufig - durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären.
3) Den Schwierigkeiten des Karteninhabers, zu den technischen Abläufen, Sicherheitsvorkehrungen und möglichen Sicherheitslücken näher vorzutragen, tragen die sekundäre Darlegungslast des kartenausgebenden Kreditinstituts sowie der dem Zahlungsdienstleister auferlegte erforderliche Nachweis der Authentifizierung (§ 675w Satz 1 BGB) Rechnung.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 21.06.2013; Aktenzeichen 03 O 2981/12) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Leipzig vom 21.6.2013 - 3 O 2981/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist - ebenso wie das in Ziff. 1. genannte landgerichtliche Urteil - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.015 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Erstattung von Beträgen in Anspruch, um welche die Beklagte das bei ihr geführte Girokonto des Klägers im Anschluss an behauptete missbräuchliche EC-Kartenverfügungen belastet hat.
Hinsichtlich des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Zu ergänzen ist eine unstreitige Abhebung von 300 EUR am 15.4.2012, um 10:53 Uhr, für welche die Beklagte das Konto des Klägers ebenfalls mit 300 EUR und einer Gebühr von 7,50 EUR belastet hat. Für die zwei Abhebungen i.H.v. 1000 EUR am 16.4.2012 hat die Beklagte eine Gebühr von jeweils 10 EUR (nicht 7,50 EUR) berechnet. Die Abhebungen vom 16.4.2012 erfolgten im Übrigen - anders als diejenigen vom 15.4.2012 - nicht in der Nähe des Flughafens Alicante, sondern in dem rund 490 km entfernten Malaga.
Der Kläger hat erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 26.4.2013 - ohne Beweisantritt - vorgetragen, das Problem zunehmender Kartendiebstähle und -missbräuche sei in Spanien bekannt. So habe der Polizeipräsident von Alicante erst im Dezember 2012 in Funk und Fernsehen vor zunehmendem Kartenmissbrauch als Folge massenhafter Arbeitslosigkeit sehr gut ausgebildeter Jugendlicher sowie davor, dass rechtsmissbräuchliche Verfügungen mit gestohlenen Karten auch ohne Kenntnis von Geheimzahlen möglich seien, gewarnt.
Dem ist die Beklagte nach dem Termin vom 6.5.2013 innerhalb der beiden Parteien gewährten Frist zur Stellungnahme zum Beweisergebnis insoweit entgegengetreten, als sie vorgetragen hat, technisch seien Auszahlungen an Geldautomaten nur dann möglich, wenn die richtige Karte in Verbindung mit der korrekten, zu dieser Karte gehörenden PIN eingesetzt worden sei; die PIN sei in der Karte nicht - auch nicht verschlüsselt - gespeichert. Ein Auslesen der PIN aus der Karte sei daher keinesfalls möglich. Im Raum stehe daher lediglich die unsubstantiierte Behauptung des Klägers, zwei Geldausgabeautomaten an verschiedenen Standorten seien - hinsichtlich der Verfügungszeiten und zwecks Auslesens der Kartendaten - manipuliert worden; auch die Karte selbst sei ausgelesen und manipuliert worden. Dies sei jedoch beim Einsatz der Originalkarte mit EMV-Chip anstelle des Magnetstreifens nicht möglich.
Das LG hat nach Vernehmung der Zeugin Dr. J. die Klage durch das dem Kläger am 27.6.2013 zugestellte Urteil vom 21.6.2013, auf welches hinsichtlich der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 25.7.2013 beim OLG Dresden eingegangene Berufung des Klägers vom 23.7.2013, die er mit einem am 26.8.2013 beim OLG eingegangenen Schriftsatz vom 23.8.2013 begründet hat.
Der Kläger macht geltend, das LG sei unzutreffend von einem gegen den Kläger sprechenden Anscheinsbeweis ausgegangen. Das LG habe die Frage, ob das von der kartenausgebenden Stelle sowie den die Geldausgabeautomaten betreibenden Instituten konkret genutzte Sicherheitssystem ein ausreichendes Sicherheitsniveau für die Anwendung des Anscheinsbeweises biete, außer Acht gelassen und das Ergebnis der Beweisaufnahme fehlerhaft gewürdigt. Durch das Übergehen der Beweisangebote habe das LG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör sowie § 286 ZPO verletzt.
Der Kläger habe unter Beweisantritt vorgetragen, dass und unter welchen Umständen seiner Ehefrau nicht nur die streitgegenständliche Karte, sondern ihr gesamtes Portemonnaie zusammen mit weiteren Karten, Bargeld und sämtlichen Ausweispapieren, abhanden gekommen sei. Die Zeugin habe glaub...