Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Aufklärungspflichten eines Anlageberaters, der vor Empfehlung einer Anlage eine „private Finanzstrategie” für den Anlageinteressenten erstellt.
2. a) Zu den Beratungspflichten des Anlageberaters, der seinem Kunden eine kreditfinanzierte Anlage vermittelt.
b) Enthält ein zur Beratung benutzter umfänglicher und schwer überschaubarer Prospekt der Anlageinitiatoren keine am Investitionsvolumen orientierte, zusammenfassend gewichtende Risikobeschreibung, so obliegt es einem großen Anlageberater wie der Beklagten, eine solche dem Kunden seinerseits zu erbringen.
3. Im Rahmen der Schadensberechnung muss sich der Anleger gegegenüber dem Anlageberater die gezogenen steuerlichen Vorteile jedenfalls dann im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen, wenn die Anlage so konzipiert war, dass ein Teil des Ertrages durch Steuervorteile erzielt werden sollte.
4. Diese Steuervorteile kann das Gericht jedenfalls dann durch Schätzung ermitteln, wenn bei einer kreditfinanzierten Anlage einerseits der Kreditvertrag vorliegt und es dem Anleger nicht zuzumuten ist, seine steuerlichen Daten offen zu legen und andererseits der Anlageberater die Einzelheiten der steuerlichen Vorteile des Anlegers nicht kennen und dementsprechend nicht vortragen kann.
Normenkette
BGB § 276
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 13 O 3037/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 13. Zivilkammer des LG Hannover vom 9.11.2001 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung – teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.032,57 Euro nebst 4 % Zinsen auf 7.797,20 Euro seit dem 4.10.1996 und nebst 7 % Zinsen auf 2.235,37 Euro seit dem 2.7.2001 zu zahlen, und den Kläger von seinen Verbindlichkeiten ggü. der Raiffeisenbank e.G. aus dem Darlehensvertrag vom 10.9.1996 (Nr. …) freizustellen, beides Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung vom 1.9.1996 an dem Objekt DLF 94/17 – W.F. KG-Beteiligungsnr. … mit einem Nominalbetrag von 60.000 DM.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 8 % zu tragen und hat die Beklagte 92 % zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird gestattet, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in nämlicher Höhe leistet.
Beiden Parteien wird nachgelassen, eine von ihnen zu erbringende Sicherheit in Form einer unbedingten, unwiderruflichen, unbefristeten, selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse, Volksbank oder eines Kreditinstituts, welches einem namhaften Einlagensicherungsfonds angehört, zu leisten.
6. Die Revision wird zugelassen.
7. Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 Euro; die Beschwer des Klägers erreicht nicht 20.000 Euro.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger für eine aus dessen Sicht misslungene Kapitalanlegeberatung Schadensersatz zu leisten.
Der Kläger – von Beruf Musiklehrer, ab 1998 als Musiker im Orchester der „Miss Saigon”-Aufführung tätig – beteiligte sich nach einem bereits 1995 gezeichneten Engagement i.H.v. 150.000 DM in dieser Anlageform, die hier nicht Streitgegenstand ist, im September 1996 mit einem Betrag von 60.000 DM zzgl. 3.000 DM Abwicklungsgebühr an der sog. „Dreiländer Beteiligung Objekt DLF 94/17 – W.F. KG –” einem geschlossenen Immobilienfonds (im Folgenden: Dreiländerfonds).
Dem vorhergegangen war eine Beratung durch einen für die Beklagte als Handelsvertreter tätigen Berater namens Dr. B., die ausführlich von März bis Mai 1995 stattfand und im August 1996 fortgeführt wurde. Wegen der Einzelheiten des Vortrags zur Beratung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 8.8.2001, Bl. 4 ff. (GA 113) und des Klägers vom 7.9.2001, Bl. 17 ff. (GA 288 ff.) Bezug genommen.
Im Rahmen der ersten Beratung des Klägers im Jahr 1995 durch den vorgenannten Finanzberater wurden ihm Beispielsrechnungen vorgelegt, wegen deren Einzelheiten auf die zu den Akten gereichten Ablichtungen Bl. 32 f. Bezug genommen wird.
Die von dem Finanzberater der Beklagten im September 1996 vermittelte Vermögensanlage wurde i.H.v. 15.250 DM vom Kläger aus Barmitteln finanziert. I.Ü., im Höhe eines Auszahlungsbetrages von 47.750 DM wurde sie durch einen Kredit bei der Raiffeisenbank K. bezahlt, welchen der Kläger zu einem effektiven Jahreszins von 6,34 % aufnahm und für den er ab 15.10.1996 eine monatliche Rate i.H.v. 334 DM bei einer Zinsfestschreibung bis zum 30.9.2001 zu zahlen hatte (GA 6, 44 f.). Bei Ende der Zinsbindungsfrist betrug die Restschuld noch 42.000 DM.
Der Kläger hat vorgetragen, insgesamt 12.375 DM an Renditezahlungen erhalten zu haben, wovon 11.250 DM auf die Jahre 1996 bis 1999 entfielen; im Jahr 2000 sei nichts gezahlt worden. Im ...