Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs. Glücksspiele. Regelung eines Mitgliedstaats, wonach die Werbung für in anderen Staaten gelegene Spielbanken verboten ist, wenn das gesetzliche Spielerschutzniveau in diesen Staaten nicht dem im Inland gewährleisteten Niveau entspricht. Rechtfertigung. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses. Verhältnismäßigkeit
Normenkette
AEUV Art. 56
Beteiligte
HIT hoteli, igralnice, turizem dd Nova Gorica |
HIT LARIX, prirejanje posebnih iger na srečo in turizem dd |
Bundesminister für Finanzen |
Tenor
Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die die Werbung in diesem Mitgliedstaat für in einem anderen Mitgliedstaat gelegene Betriebsstätten von Spielbanken nur dann erlaubt, wenn die gesetzlichen Spielerschutzbestimmungen dieses anderen Mitgliedstaats im Wesentlichen gleichwertige Garantien bieten wie die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des ersten Mitgliedstaats.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 28. März 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 14. April 2011, in dem Verfahren
HIT hoteli, igralnice, turizem dd Nova Gorica,
HIT LARIX, prirejanje posebnih iger na srečo in turizem dd
gegen
Bundesminister für Finanzen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin A. Prechal, des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der HIT hoteli, igralnice, turizem dd Nova Gorica und der HIT LARIX, prirejanje posebnih iger na srečo in turizem dd, vertreten durch Rechtsanwalt R. Vouk,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und J. Bauer als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck, advocaat,
- der griechischen Regierung, vertreten durch E.-M. Mamouna als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, A. Barros, A. Silva Coelho und P. I. Valente als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und I. Rogalski als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. April 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV.
Rz. 2
Die vorgelegte Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der HIT hoteli, igralnice, turizem dd Nova Gorica und der HIT LARIX, prirejanje posebnih iger na srečo in turizem dd (im Folgenden zusammen: HIT und HIT LARIX) auf der einen Seite und dem Bundesminister für Finanzen auf der anderen Seite über die Abweisung ihrer Anträge auf Erteilung einer Werbebewilligung in Österreich für von ihnen in Slowenien betriebene Spielbanken.
Rechtlicher Rahmen
Nationales Recht
Rz. 3
§ 21 („Spielbanken, Konzession”) des Glücksspielgesetzes vom 28. November 1989 (BGBl I 1989/620 in der im BGBl I 2010/54 veröffentlichten Fassung, im Folgenden: GSpG) nennt die Voraussetzungen für die Erteilung von Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken in Österreich. Er schreibt u. a. vor, dass der Konzessionär die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft mit Aufsichtsrat und Sitz in Österreich haben, über ein Grundkapital von mindestens 22 Millionen Euro verfügen und aufgrund der Umstände erwarten lassen muss, dass er unter Beachtung der Vorschriften des GSpG über den Schutz der Spielteilnehmer und über die Geldwäschevorbeugung die Konzession am besten ausübt.
Rz. 4
§ 25 („Spielbankbesucher”) GSpG enthält im Wesentlichen eine Reihe von Maßnahmen, die bezwecken, die Spielteilnehmer gegen Gefahren des Glücksspiels wie etwa die Entwicklung von Spielsucht oder die Verleitung zu übermäßigen Ausgaben zu schützen (u. a. ist der Besuch der Spielbank ausschließlich volljährigen Personen vorbehalten, es besteht die Pflicht der Spielbankleitung zur Einholung von Auskünften über spielsüchtig erscheinende Personen bei einer unabhängigen Einrichtung, die Bonitätsauskünfte erteilt, gegebenenfalls wird ein Gespräch mit dem Spielteilnehmer geführt, um herauszufinden, ob die Teilnahme am Spiel sein konkretes Existenzminimum gefährdet, und der Besuch der Spielbank kann vorübergehend oder dauerhaft untersagt werden).
Rz. 5
Nach dieser Bestimmung haben die Spielbankbesucher auch die Möglichkeit, innerhalb von drei Jahren nach den von ihnen erlittenen Verlusten unmittelbar eine zivilrechtliche Klage gegen die Spielbankleitung wegen Verletzung ihrer Pflichten zum Schutz der Spielteilnehmer zu erheben. Die Haftung der Spielbankleitung i...