Entscheidungsstichwort (Thema)
Abführungspflicht. Auskehr. Entschädigungsfonds. Veräußerungserlös. regelmäßiger Preis. Verkehrswert. hälftiger Verkehrswert. Komplettierungskauf. Gesetz über den Verkauf volkseigener Grundstücke. DDR-Verkaufsgesetz. Modrow-Gesetz. Modrow-Preis. Schadensersatz. Schadensersatzpflicht. Schadensersatzanspruch. Bundestreue. bundesfreundliches Verhalten. Pflichtverletzung. Treuepflicht. Vermögensbetreuungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Wird bei einem Komplettierungskauf (Hinzuerwerb eines früher volkseigenen Grundstücks durch den Inhaber eines dinglichen Nutzungsrechts) das Grundstück zu DDR-Baulandpreisen und damit zu weniger als dem hälftigen Bodenwert (§ 68 Abs. 1 SachenRBerG) veräußert, fehlt es – solange nicht ein sonstiges rechtsmissbräuchliches Verhalten des Veräußerers hinzutritt – an der Vorwerfbarkeit einer möglichen Pflichtverletzung, wenn durch diese Preisgestaltung der beim Vollzug des DDR-Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 (“Modrow-Gesetz”) eingetretenen Sondersituation Rechnung getragen werden sollte. Eine Schadensersatzpflicht des Veräußerers zugunsten des Entschädigungsfonds besteht deshalb nicht.
Normenkette
EntschG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 11; SachenRBerG § 68 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 18.06.2004; Aktenzeichen 25 A 389.99) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Betrages, der gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG an den Entschädigungsfonds abzuführen ist, sowie darum, ob die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gegen den Kläger hat, wenn der Erlös aus Veräußerung des Grundstücks nicht jedenfalls die Höhe des halben Verkehrswertes gemäß § 68 Abs. 1 SachenRBerG erreicht.
Das 729 m(2) große, mit einem Eigenheim bebaute Grundstück stand ursprünglich im Eigentum eines jüdischen Ehepaares. Das Grundstück wurde 1943 als “Vermögen von Reichsfeinden” zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. 1983 wurde es auf der Grundlage des Aufbaugesetzes in Anspruch genommen und in Volkseigentum überführt. Im gleichen Jahr wurde das Eigenheim an dessen damalige Bewohner verkauft und ihnen ein dingliches Nutzungsrecht am Grundstück verliehen.
1986 erwarb Frau H… das Gebäudeeigentum von den Voreigentümern und erhielt ein dingliches Nutzungsrecht am Grundstück.
Mit Schreiben vom 17. April 1990 beantragte Frau H… beim Magistrat von Berlin, das Grundstück auf der Grundlage des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (sog. “Modrow-Gesetz”) an sie zu veräußern. Mit privatschriftlicher Vereinbarung vom 14. Juni 1990 verpflichtete sich der Magistrat von Berlin, ihr das Grundstück zum Preis von 2 187 M/DDR zu verkaufen. Der Kaufpreis wurde von Frau H… am 25. Juni 1990 bezahlt.
Mit Zuordnungsbescheid vom 7. Dezember 1995 stellte der Oberfinanzpräsident der Oberfinanzdirektion Berlin fest, dass der Kläger gemäß Art. 22 Abs. 4 EV Eigentümer des Grundstücks geworden ist. Der Kläger wurde daraufhin am 2. Januar 1996 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Den Antrag der Conference on Jewish Material Claims (JCC) auf Rückübertragung des Grundstücks lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen Köpenick-Treptow mit Bescheid vom 22. November 1996 wegen redlichen Erwerbs eines dinglichen Nutzungsrechts gemäß § 4 Abs. 2 VermG ab. Zugleich wurde festgestellt, dass der JCC dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz zustehe. Die Höhe dieses Anspruchs wurde mit Bescheid vom 1. August 1997 auf 31 125 DM festgesetzt.
Nach dem bestandskräftigen Abschluss dieses Rückübertragungsverfahrens veräußerte der Kläger mit notariellem Vertrag vom 7. April 1997 das Grundstück auf der Grundlage der Beschlüsse des Berliner Abgeordnetenhauses und Senats an Frau H… zu dem 1990 vereinbarten Kaufpreis von umgerechnet 1 093,50 DM. Der Kläger erhielt für die Dauer von 30 Jahren ein Vorkaufsrecht zum alten Kaufpreis. In § 4a Abs. 2 und 3 des Vertrages war außerdem geregelt:
“Soweit nach bundesgesetzlicher Regelung Ausgleichsforderungen gegen Berlin auf über den Kaufpreis hinausgehende Entgelte bestehen, die an Dritte abzuführen sind, ist der Erwerber verpflichtet, den Differenzbetrag auf Verlangen des Landes Berlin innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Zugang der Zahlungsaufforderung an Berlin oder einen von Berlin zu benennenden Dritten zu zahlen.
Der Differenzbetrag nach Absatz 2 wird der Höhe nach auf 35,– DM/m(2), mithin 25 515,– DM begrenzt.”
Frau H… wurde am 4. August 1997 als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen.
Die Oberfinanzdirektion Berlin stellte mit Bescheid vom 1. September 1999 fest, dass der Kläger für das Grundstück gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG 149 445 DM an den Entschädigungsfonds abzuführen habe. Bei Abschluss des Kaufvertrages am 7. April 1997 habe das Sachenrechtsbereinigungsgesetz gegolten. Nach dessen § 68 Abs. 1 hätte das Grundstück zum halben Bodenwert, hier also zu 205 DM/m(2), veräußert werden müssen. Dem Entschädigungsfonds stehe der rechtlich zulässige Kaufpreis zu.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, der Anspruch aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG richte sich nur auf die Auskehr des tatsächlich erzielten Veräußerungserlöses. Diesen Widerspruch wies die Oberfinanzdirektion Berlin mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1999 zurück. Zwar sei es richtig, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich die “Veräußerungserlöse” abzuführen seien. Es sei aber nicht irgendein Verkaufserlös abzuführen, sondern der sich bei Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen ergebende.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Bescheide insoweit, als mehr als 1 093,50 DM abzuführen seien. In Reaktion auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2002 – BVerwG 3 C 47.01 –, wonach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG auch dann nur zur Abführung des tatsächlich erlangten Veräußerungserlöses verpflichtet, wenn bei einem “Komplettierungs-Kauf” ein geringerer Veräußerungserlös als der hälftige Bodenwert gemäß § 68 Abs. 1 SachenRBerG erzielt wurde, änderte die Beklagte ihre angefochtenen Bescheide. Sie fordert nun die Abführung von 13 604,71 € als Veräußerungserlös. Dieser Betrag setzt sich aus dem Kaufpreis in Höhe von 1 093,50 DM und dem in § 4a Abs. 2 und 3 des Kaufvertrages vereinbarten Differenzbetrag in Höhe von 25 515 DM zusammen. Außerdem begehrt die Beklagte im Wege der Widerklage wegen der Unterschreitung des hälftigen Verkehrswertes die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 62 805,31 €, hilfsweise in Höhe von 75 850,92 €, falls sie mit ihrem Abführungsanspruch nicht durchdringe.
Mit Urteil vom 18. Juni 2004 hat das Verwaltungsgericht Berlin die angefochtenen Bescheide in ihrer geänderten Fassung aufgehoben, soweit der Abführungsbetrag 1 093,50 DM übersteigt, und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht aus: Die Klage habe Erfolg. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2002 sei “Veräußerungserlös” im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG nur der tatsächlich erzielte, nicht aber der nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz erzielbare Erlös. Es könne offen bleiben, ob ein Erlös im Sinne dieser Vorschrift auch vorliege, wenn er zwar vereinbart, aber nicht geflossen sei. § 4a Abs. 2 und 3 des Vertrages vom 7. April 1997 enthielten keine wirksame Kaufpreisvereinbarung, da die für die Zahlung des Differenzbetrages vorgesehene Bedingung nicht eingetreten sei. Die Widerklage sei zulässig, jedoch unbegründet. Eine planwidrige Lücke, die Raum für einen Schadensersatzanspruch lasse, enthalte das Entschädigungsgesetz nicht; die Änderung von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG beziehe sich nur auf nach dem 17. Dezember 2003 beurkundete Veräußerungen. Aus Art. 104a Abs. 5 GG lasse sich ein Schadensersatzanspruch nicht herleiten. Es sei schon zweifelhaft, ob diese Vorschrift auf Ansprüche des Entschädigungsfonds anwendbar sei. Jedenfalls falle die Veräußerung eines Grundstücks durch den Verfügungsbefugten nicht unter den Begriff “ordnungsgemäße Verwaltung”. Ebenso wenig könne ein Ersatzanspruch auf die Verletzung des Grundsatzes bundesfreundlichen Verhaltens gestützt werden. Das Prinzip der Bundestreue begründe nicht selbstständig ein Rechtsverhältnis, sondern begründe, modifiziere oder begrenze nur Rechte und Pflichten innerhalb eines bereits bestehenden Rechtsverhältnisses. Danach könne aber die für Veräußerungen bis zum 17. Dezember 2003 fehlende einfachgesetzliche Rechtsgrundlage nicht durch den allgemeinen Grundsatz der Bundestreue ersetzt werden. Entsprechendes gelte für § 242 BGB. Ein Fall kollusiven Zusammenwirkens oder bewusst schikanösen Verhaltens liege nicht vor. Die Vorschriften des Haushalts- und Kommunalrechts, die dazu verpflichteten, Vermögenswerte nicht unter Wert zu veräußern, hätten ebenso wenig eine Schutzfunktion zugunsten des Entschädigungsfonds wie § 68 Abs. 1 SachenRBerG.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Zur Begründung macht sie geltend: Das Verwaltungsgericht habe bei der Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG nicht berücksichtigt, dass hier die Erlöse durch Subventionen in Form von Preisnachlässen systematisch geschmälert worden seien. Deshalb könne der tatsächlich erlangte Kaufpreis nicht mit dem Erlös gleichgesetzt werden, vielmehr sei die gewährte Subvention hinzuzurechnen. Jedenfalls aber habe sie einen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage von § 10 EntschG in einer dem Grundsatz der Bundestreue Rechnung tragenden Auslegung. § 10 EntschG konkretisiere die Zweckbindung der ehemals volkseigenen, nicht restituierbaren Vermögenswerte. Die Erträge aus deren Verkauf seien nach den Vereinbarungen der Parteien des Einigungsvertrages von Anfang an dazu bestimmt gewesen, die gesamtstaatlichen Lasten der Wiedervereinigung jedenfalls teilweise zu decken. Mit dieser Zweckbindung habe der Kläger das Grundstück am 3. Oktober 1990 als Finanzvermögen erhalten. Durch die Einrichtung des Entschädigungsfonds und die Festlegung seiner Finanzierungsquellen sei die Zweckbindung zu konkreten Treue- und Handlungspflichten verdichtet worden. Das Funktionieren dieses Finanzgefüges setze voraus, dass sich alle durch eine Nichtrückgabe von Vermögenswerten Begünstigten um eine Aktivierung ihres Finanzierungsbeitrages bemühten und so den Bund in seiner Garantiehaftung aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 EntschG möglichst schonten. Diese Treuepflicht werde verletzt, wenn der Abführungspflichtige die Veräußerungserlöse systematisch auf Niedrigsterlöse heruntersubventioniere und sich so seiner Finanzierungsverantwortung für den Entschädigungsfonds entziehe. Es sei außerdem mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit unvereinbar, wenn der Abführungspflichtige, der ehemaliges Volkseigentum zum Verkehrswert veräußere, gleich behandelt werde wie derjenige, der weniger verlange. Der Kläger habe in einer Vielzahl von Fällen systematisch den Verkehrswert oder den regelmäßigen Preis nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz unterschritten. Diese Unterschreitungen hätten ein besonders krasses, objektiv sittenwidriges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung erreicht. Auch hier mache der gezahlte Preis (1,50 DM/m(2)) nur 0,34 % des Verkehrswertes und 0,73 % des regelmäßigen Preises nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz aus. Dieser Verstoß gegen die Treuepflicht sei rechtswidrig. Der Kläger sei an den 1990 vereinbarten Preis nicht gebunden gewesen. Die Voraussetzungen für eine rechtmäßig gewährte Subvention seien ebenfalls nicht erfüllt.
Der Kläger tritt der Revision entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist sowohl hinsichtlich der (Teil-)Aufhebung ihrer Bescheide als auch hinsichtlich der Abweisung ihrer Widerklage unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
1. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die angegriffenen Bescheide insoweit aufgehoben, als der an den Entschädigungsfonds abzuführende Betrag 1 093,50 DM übersteigt.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG sind an den Entschädigungsfonds Veräußerungserlöse aus dem Verkauf von ehemals volkseigenem Grund und Boden nach dem 27. Juli 1990 an die Inhaber dinglicher Nutzungsrechte für Eigenheime abzuführen, wenn die Rückübertragung nach § 4 des Vermögensgesetzes ausgeschlossen ist. Diese Regelung verpflichtet, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 20. Juni 2002 (– BVerwG 3 C 47.01 – Buchholz 428.41 § 10 EntschG Nr. 2) bereits entschieden hat, auch dann nur zur Abführung des tatsächlich erlangten Veräußerungs- bzw. Nutzungserlöses, wenn bei einem nach 1994 erfolgten “Komplettierungs-Kauf” (Hinzuerwerb eines früher volkseigenen Grundstücks durch den Inhaber eines dinglichen Nutzungsrechts) ein Verfügungsberechtigter einen geringeren Veräußerungserlös als den Verkehrswert bzw. den hälftigen Bodenwert erzielt hat.
Zwar hat der Gesetzgeber durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. c des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Entschädigungsgesetzes und anderer Vorschriften (Entschädigungsrechtsänderungsgesetz – EntschRÄndG) vom 10. Dezember 2003 (BGBl I S. 2471) die Regelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG durch die Anfügung des Halbsatzes ergänzt: “Für Veräußerungen, die nach dem 17. Dezember 2003 beurkundet wurden, mindestens der im Zeitpunkt des Verkaufs geltende Kaufpreis gemäß § 68 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes.” Doch gilt diese Änderung für die vorliegende Veräußerung, die bereits am 7. April 1997 beurkundet wurde, noch nicht.
Der Differenzbetrag gemäß § 4a Abs. 2 und 3 des Kaufvertrages vom 7. April 1997 stellt keinen “Veräußerungserlös” im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG dar. Nach dieser vertraglichen Regelung war der Erwerber, soweit nach bundesgesetzlicher Regelung Ausgleichsforderungen gegen Berlin auf über den Kaufpreis hinausgehende Entgelte bestehen, verpflichtet, den Differenzbetrag auf Verlangen des Landes Berlin innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Zugang der Zahlungsaufforderung an Berlin oder einen von Berlin zu benennenden Dritten zu zahlen. Das Verwaltungsgericht hat darin eine bedingte Nachschusspflicht der Käuferin gesehen, die nicht zu einem höheren Kaufpreis geführt habe. Das ist als tatrichterliche Vertragsauslegung hinzunehmen. Diesbezügliche Verfahrensrügen hat die Beklagte nicht erhoben.
Auch das Argument der Beklagten, der Unterschied zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem an sich nach § 68 Abs. 1 SachenRBerG zu verlangenden Betrag sei als Subvention zu betrachten, rechtfertigt nicht die begehrte Erweiterung ihres Anspruchs aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG. Einen Veräußerungserlös, der nach der genannten Vorschrift abzuführen wäre, hat der Kläger insoweit nicht erhalten; ebenso wenig hat er einen Teil des Veräußerungserlöses als Subvention zurückgewährt.
2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt auch hinsichtlich der Widerklage kein Bundesrecht, mit der die Beklagte den Kläger auf Ersatz des Schadens in Anspruch nimmt, der dem Entschädigungsfonds aus dem Unterwertverkauf des Grundstücks entstanden sei.
Das Verwaltungsgericht hat dem geschriebenen Recht eine Grundlage für einen derartigen Schadensersatzanspruch nicht entnehmen können. Hiergegen erhebt die Revision keine Einwände. Es lässt Rechtsfehler auch nicht erkennen.
Die Revision behauptet aber das Bestehen einer ungeschriebenen Pflicht des nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EntschG Abführungspflichtigen zum Schadensersatz, wenn er bei der Veräußerung von ehemaligem DDR-Vermögen nicht den von § 68 Abs. 1 SachenRBerG vorgegebenen halben Bodenwert erzielt. Es kann offen bleiben, ob aus der allgemeinen Zweckbestimmung der in Rede stehenden Vermögenswerte, zur Deckung der durch die Wiedervereinigung entstehenden Lasten beizutragen (vgl. Art. 10 Abs. 6, Art. 26 Abs. 4 des Staatsvertrages vom 18. Mai 1990), eine Rechtspflicht des Abführungspflichtigen zur Berücksichtigung der finanziellen Interessen des Entschädigungsfonds und mittelbar derjenigen des subsidiär einstandspflichtigen Bundes herzuleiten ist. Ein Anspruch auf Schadensersatz setzt voraus, dass eine solche Pflicht vorwerfbar verletzt wurde. Jedenfalls daran fehlt es.
Die Entscheidung des Senates von Berlin und des Abgeordnetenhauses von Berlin, Kaufvereinbarungen, die vor dem 30. Juni 1990 geschlossen wurden, durch den Abschluss notarieller Kaufverträge zu den alten Bedingungen Rechnung zu tragen, war – wie unter anderem der Vorlage des Senates von Berlin an das Abgeordnetenhaus von Berlin vom 25. Oktober 1994 zu entnehmen ist (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks 12/4904 S. 2 f.) – durch die folgenden Erwägungen getragen:
“Einerseits stellen sich Grundstückskaufverträge, die heute zu vor dem 30. Juni 1990 in der früheren DDR geltenden Preisen abgeschlossen wurden, als eine Veräußerung beträchtlich unter Wert im Sinne von § 64 Abs. 2 Nr. 3 der Landeshaushaltsordnung dar. Sie dürfen wegen der Verpflichtung des Staates zu einer die öffentlichen Interessen wahrenden Vermögensverwaltung grundsätzlich nicht abgeschlossen werden.
Andererseits muss gesehen werden, dass die Verkäufe nach dem Modrow-Gesetz im 1. Halbjahr 1990 Ungleichheiten beseitigen sollten, die sich zwischen den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in 40 Jahren unterschiedlicher gesellschaftlicher Strukturen gebildet hatten. Gegen diese Zielrichtung und die aus ihr folgenden Maßnahmen können rechtliche Bedenken nicht geltend gemacht werden.
Auch der Senat sieht, dass es zu erheblichen Störungen des Friedens in der Bevölkerung führt, wenn die Zufälligkeit, ob es im Jahre 1990 gelang, rechtzeitig mit der Gegenseite bei einem Notar einen Termin zur Vertragsbeurkundung zu erhalten, ausschlaggebender Faktor dafür ist, ob jemand ein im Regelfall bereits langjährig genutztes Grundstück zu Eigentum erwerben konnte und ob er dafür einen der früheren Situation oder dem heutigen Verkehrswert entsprechenden Preis zu zahlen hat.”
Aus vergleichbaren Gründen hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 17. September 2004 (V ZR 339/03 – BGHZ 160, 240) den Abschluss eines Komplettierungskaufes zu “Modrow-Preisen” als durch die Verfolgung einer legitimen öffentlichen Aufgabe gerechtfertigt und daher – für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, dort im September 1996 – nicht als sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB angesehen.
Mit Blick auf die Vorwerfbarkeit eines Verstoßes gegen eine Vermögensbetreuungspflicht, die dem Kläger bei der Veräußerung zugunsten des Entschädigungsfonds oblegen haben könnte, kann nichts anderes angenommen werden. Es stellt auch gegenüber dem Entschädigungsfonds eine hinreichende sachliche Rechtfertigung des Unterwertverkaufes dar, wenn durch den Preisnachlass – mit dem Ziel, die Bildung privaten Eigentums an den betreffenden Grundstücken zu fördern – der historisch einmaligen Sondersituation Rechnung getragen werden sollte, die durch das Verkaufsgesetz vom 7. März 1990 und den Bearbeitungsstau entstanden war, den die hohe Zahl von Kaufanträgen bei den zuständigen Behörden hervorgerufen hatte. Ansonsten wäre, wie das Verwaltungsgericht ebenso wie der Bundesgerichtshof festgestellt hat, eine den Betroffenen nur schwer vermittelbare Ungleichbehandlung zwischen denen entstanden, die noch zu DDR-Zeiten die Eintragung ins Grundbuch oder jedenfalls den Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages hatten erreichen können, und denjenigen, denen dies aus Gründen, auf die sie keinen Einfluss hatten, nicht gelungen war. Der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im vorliegenden Fall rechtfertigt keine andere Bewertung.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
Haufe-Index 1462341 |
DÖV 2006, 311 |