Leitsatz (amtlich)
a) Zur Amtspflicht der Katastrophenschutzbehörde, bei einem drohenden Deichbruch die Bevölkerung vor der Hochwassergefahr zu warnen.
b) In den Schutzbereich der Warnung vor Überschwemmungen fallen solche Schäden nicht, die sich nur bei Missachtung des Inhalts der Warnung vermeiden ließen (hier: Schäden an im Keller befindlichen Gegenständen, wenn vor einem Betreten des Kellers wegen Lebensgefahr hätte gewarnt werden müssen).
Normenkette
BGB § 839
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung der Anschlussrevision der Kläger - das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG München v. 5.6.2003 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger fordern von der beklagten kreisfreien Stadt Schadensersatz wegen der Überschwemmung ihres Hausgrundstücks durch die Wertach in der Nacht v. 22. zum 23.5.1999 (sog. A. Pfingsthochwasser).
Die Wertach ist ein gesetzlich vom Freistaat Bayern zu unterhaltendes Gewässer erster Ordnung. Oberhalb des im Stadtteil P./U. gelegenen Anwesens der Kläger befindet sich - ca. 1,7 km entfernt - eine im Eigentum der Streithelferin der Beklagten stehende Wehranlage (A. -Wehr). Die östliche Uferböschung war flussaufwärts befestigt, während am westlichen Ufer ein etwa 100m langer Damm mit einem befestigten Fahrweg auf der Krone verlief. Zum Durchschleusen von Treibgut hielt die Streithelferin Stangen, zum Teil ausgerüstet mit Haken oder Sägen, vor. Damit und durch den Einsatz der Werksfeuerwehr hatte sich in der Vergangenheit stets ein teilweiser oder vollständiger Verschluss des Wehrs durch Treibgut (Verklausung) verhindern lassen. In P. war es bis 1999 lediglich im Jahre 1965 wegen des Bruchs einer Absperrung des Radegundisbachs zu einer Überschwemmung gekommen.
Am 22. und 23.5.1999 führten in A. starke Regenfälle im Einzugsgebiet zu dem höchsten bislang dort gemessenen Hochwasser der Wertach mit einer statistischen Wiederkehrzeit von 100 Jahren. Ab Mittag des 22.5.1999 führte die Wertach zunächst vereinzelt, dann zunehmend große Mengen Treibgut mit sich, das teilweise am A. -Wehr hängen blieb und schließlich dessen Verklausung zur Folge hatte. Von 14.00 Uhr an versuchten Mitarbeiter der Streithelferin vergeblich, einen im Wehr verkeilten Baum mit Bugsierhaken zu entfernen. Gegen 15.30 Uhr scheiterte auch der Versuch, den Baum mit einer auf einem Lastwagen montierten Seilwinde herauszuziehen. Daraufhin wurden um 15.55 Uhr die Berufsfeuerwehr der Beklagten und die Werksfeuerwehr der Streithelferin alarmiert. Gegen 16.30 Uhr ordnete der Einsatzleiter eine Deicherhöhung mit Sandsäcken an. Die Absicht, mit einer Teleskopsäge gegen 19.40 Uhr für einen besseren Abfluss zu sorgen, blieb vergeblich. Etwa um 21.00 Uhr musste der Ostdeich aufgegeben werden. Am Westufer konnte die Deicherhöhung mit dem Ansteigen des Wassers zunächst Schritt halten. Gegen 22.00 Uhr verschärfte sich die Lage, so dass Sandsäcke zum Teil durchspült und vermehrt auch weggespült wurden. Kurz darauf wurde ein Zittern des Westdeichs gemeldet. Danach nahmen die Einsatzkräfte eine wasserseitige Stabilisierung des Deichs mit grobem Schüttmaterial in Angriff. Den Einsatz von schwerem Gerät hielten die Verantwortlichen mangels befestigter Zufahrten für aussichtslos. Eine Sprengung lehnte der um 22.00 Uhr angeforderte Sprengmeister ab. Gegen 00.00 Uhr brachen auf dem Westdamm zunächst in einer Länge von 30m die Sandsackerhöhung und gegen 00.15 Uhr der Damm selbst. Dieser Bruch weitete sich auf eine Länge von 200 bis 250m aus. Etwa um 03.30 Uhr brach auch das A. -Wehr. Die durch den Dammbruch ausgelöste Flutwelle überschwemmte den Stadtteil U. mit Keller und Erdgeschoss im Haus der Kläger. Warnungen an die Bewohner durch Lautsprecherwagen der Polizei und der Wasserwacht erfolgten in diesem Bereich frühestens ab 03.25 Uhr.
Die Kläger haben der Beklagten u.a. vorgeworfen, die Verklausung des A. -Wehrs durch den Einsatz schweren Geräts nicht verhindert und die Bevölkerung zudem nicht rechtzeitig gewarnt zu haben. Sie selbst seien erst gegen 03.30 Uhr oder 03.45 Uhr durch den Knall der unter der Flutwelle zerberstenden Kellertür geweckt worden. Mit der Klage machen sie einen Teilbetrag von 55.000 DM ihres Schadens geltend.
Das LG hat durch Grundurteil die Beklagte verpflichtet, den Klägern diejenigen Schäden an ihrem Inventar im Keller und Erdgeschoss des Hauses zu ersetzen, die bei einer Mitteilung der Beklagten über den Dammbruch um 01.00 Uhr am 23.5.1999 noch abwendbar gewesen wären. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferin hat es den Alarmierungszeitpunkt auf 01.15 Uhr verschoben und zur Warnung der Bevölkerung inhaltlich eine Lautsprecherdurchsage verlangt, die auf den Bruch des Wertachdamms sowie auf eine in Kürze zu erwartende Flutwelle hingewiesen und wegen Lebensgefahr davor gewarnt hätte, Keller und Tiefgaragen zu betreten.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger haben Anschlussrevision eingelegt mit dem Ziel, die Beklagte in vollem Umfang zur Ersatzleistung zu verurteilen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg; die Anschlussrevision der Klägerin erweist sich dagegen als unbegründet.
I.
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Die Revision rügt, die von den Klägern geltend gemachten Schadenspositionen überschritten die Klagesumme von 55.000 DM, ohne dass die Kläger angegeben hätten, in welcher Reihenfolge die einzelnen Positionen zur Begründung ihres Klageanspruchs herangezogen werden sollten.
Die Rüge ist unbegründet. Richtig ist, dass bei einer auf mehrere selbständige prozessuale Ansprüche gestützten Teilklage der Leistungsantrag nur dann hinreichend bestimmt ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), wenn der Kläger angibt, mit welchem Anteil oder in welcher Reihenfolge die einzelnen Ansprüche geprüft werden sollen (BGH v. 18.11.1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164 [166] = MDR 1994, 1040; Urt. v. 19.6.2000 - II ZR 319/98, MDR 2000, 1334 = NJW 2000, 3718 [3719]; Urt. v. 13.2.2003 - I ZR 281/01, BGHReport 2003, 645 = MDR 2003, 1005= NJW-RR 2003, 916). Das gilt jedoch nicht für bloße unselbständige Rechnungsposten (BGH, Urt. v. 19.6.2000 - II ZR 319/98, MDR 2000, 1334 = NJW 2000, 3718 [3719]; Urt. v. 13.3.2003 - VII ZR 418/01, MDR 2003, 824 = BGHReport 2003, 756 = NJW-RR 2003, 1075 [1076]). Die hier mit der Klage geltend gemachten Einzelschäden an Inventar und Gebäude gehören aber zu derselben Schadensart (Sachschäden) und haben deshalb innerhalb des einheitlichen Amtshaftungsanspruchs lediglich die Bedeutung unselbständiger und im Rahmen des Gesamtbetrags austauschbarer Faktoren (BGH, Urt. v. 22.11.1990 - IX ZR 73/90, NJW-RR 1991, 1279). Im Übrigen verweist die Revisionserwiderung auch mit Recht darauf, dass sich die Überschreitung der Klagesumme im Berufungsverfahren durch die mit Schriftsatz der Kläger v. 8.4.2003 vorgelegte Schadensliste allein aus einem mit "Schadensliste-Nachtrag" überschriebenen Anhang ergibt und dass diese weiteren Schäden deshalb - wenn überhaupt - ersichtlich nur hilfsweise geltend gemacht worden sind.
II.
1. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in OLG-Report München 2003, 318 abgedruckt ist, hat der Beklagten nicht anlasten wollen, dass es überhaupt zu dem Bruch des Wertachdamms und infolgedessen zu der Überschwemmung gekommen ist. Der Beklagten lasse sich insb. auch nicht vorwerfen, dass sie am 22.5.1999 kein schweres Gerät zum Herausziehen von Bäumen und Gestrüpp aus der Wertach eingesetzt habe. Unter anderem sei völlig offen, ob die Einsatzleitung der Beklagten am Pfingstsamstag einen geeigneten Unternehmer hätte erreichen können. Selbst wenn sich die Einsatzkräfte aber unmittelbar nach dem Scheitern des Versuchs, den zuerst festgeklemmten Baum mit Hilfe einer Seilwinde aus dem Wehr zu ziehen, gegen 15.30 Uhr um schweres Gerät bemüht hätten, wäre dieses günstigenfalls um 18.00 Uhr einsatzbereit gewesen. Ob ein Seilzugbagger dann noch auf dem Damm hätte arbeiten können, lasse sich nicht mehr klären. Mindestens sei das Absehen von einem solchen Einsatz den Verantwortlichen der Beklagten mit Rücksicht darauf, dass auch der Sachverständige Prof. Dr. P. den Untergrund für schweres Gerät nicht mehr für tragfähig gehalten habe, nicht vorzuwerfen. Darüber hinaus müsse der Einsatzleitung insoweit ein gewisser Beurteilungsspielraum zugebilligt werden. Ebensowenig stehe fest, dass eine Sprengung des A. -Wehrs rechtzeitig hätte erfolgen können oder dass dies überhaupt eine sachgerechte Maßnahme gewesen wäre.
2. Nach Ansicht des Berufungsgerichts traf die Beklagte ferner bis zum Bruch des Westdeichs keine Amtspflicht zur Warnung der Bewohner des Stadtteils P.. Entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen habe allerdings eine Warnung jedenfalls in dem Augenblick erfolgen müssen, als erkennbar geworden sei, dass sich der Damm nicht mehr halten lasse. Wenn man das Zittern des Damms, die Probleme mit den Sandsäcken und deren Überströmung als Beginn der nicht mehr beherrschbaren Situation ansehe, hätte - so der Sachverständige - um 22.00 Uhr gewarnt werden müssen; letztlich habe der Sachverständige dies aber nicht beurteilen wollen, da er nicht auf dem Damm gewesen sei. Auf dieser Grundlage könne die Verzögerung der Warnung bis zum Dammbruch der Beklagten nicht als Amtspflichtverletzung zur Last gelegt werden. Zum einen sei den Einsatzkräften auch insofern ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen, und zum anderen trügen die Kläger die Beweislast dafür, dass die Situation nach 22.00 Uhr nicht mehr beherrschbar gewesen sei. Diesen Beweis hätten sie aber nicht geführt.
3. Das OLG hat hingegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr sowie wegen verschiedener spezialgesetzlicher Vorschriften (Art. 6 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes [BayKSG], Art. 66 des Bayerischen Wassergesetzes [BayWG], § 8 Nr. 1 der Verordnung über den Hochwassernachrichtendienst [HNDV] v. 23.5.1990, BayGVBl. 1990, S. 159) für verpflichtet gehalten, die Anwohner von P. nach dem Bruch des Westdamms vor der drohenden Überschwemmung zu warnen. Der Amtspflicht sei sie nicht ausreichend, insb. nicht zügig genug, nachgekommen. Die Tatsache, dass die Verantwortlichen der Beklagten über kein geeignetes Kartenmaterial für eine Abschätzung, wohin die Wassermassen fließen würden, verfügten, entschuldige die Beklagte nicht. Erst recht beseitige dies nicht die Vorhersehbarkeit einer Überflutung von P. im Falle eines Dammbruchs, zumal das Wasser schon bei dem Hochwasser von 1965 denselben Weg genommen habe. In der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über den Vollzug der Verordnung über den Hochwassernachrichtendienst v. 4.1.1991 (VBHNDV, AllMBl. 1991, 367) werde in Ziff. 4.4.2 u.a. die Verpflichtung der Gemeinden geregelt, Kartenmaterial über die Überschwemmungsbereiche größerer Hochwässer vorzuhalten.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts war der Beklagten ein Zeitraum von einer Stunde bis zum Abschluss der Warnaktion zuzubilligen. Eine Warnung erst um 03.15 Uhr oder 03.25 Uhr sei zu spät gewesen. Dass die Feuerwehr der Beklagten bei einer Erkundungsfahrt im G. Wäldchen um 02.30 Uhr noch kein Wasser festgestellt habe, habe das Unterlassen einer früheren Warnung in P. nicht rechtfertigen können. Der Sachverständige habe es zwar als nicht vorhersehbar bezeichnet, wie lange das Wasser nach P. brauchen werde, auf Grund des Verlaufs des alten Flussbetts und der Ereignisse von 1965 sei aber sehr wohl dessen Richtung zu erkennen gewesen.
In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen halte der Berufungssenat eine eindringliche Warnung für erforderlich. Sie habe auf den Bruch des Wertachdamms und eine in Kürze zu erwartende Flutwelle hinweisen sowie wegen Lebensgefahr davor warnen müssen, Keller und Tiefgaragen zu betreten. Mehr als eine Durchsage mit Lautsprecherwagen habe allerdings von der Beklagten nicht verlangt werden können. Durch eine solche Alarmierung wäre mindestens einer der Kläger geweckt worden.
Die Kläger hätten bei dieser gebotenen Warnung zumindest einige leicht transportable Gegenstände aus dem Keller in höhere Räume verbracht, obwohl vor einem Betreten des Kellers hätte gewarnt werden müssen. Der Schutzzweck einer solchen Warnung stehe dem nicht entgegen. Auch die Vermeidung materieller Schäden gehöre zum Zweck einer Hochwasserwarnung. Die Aufforderung, Tiefgaragen und Keller nicht zu betreten, habe nicht deshalb erfolgen müssen, weil die dort befindlichen Gegenstände nicht vor einer Überschwemmung hätten geschützt werden sollen, sondern, um im konkreten Fall Personenschäden zu vermeiden. Unabhängig hiervon sei es aber auch möglich, dass die Kläger wenigstens einige der kleineren Haushaltsgeräte aus der im Erdgeschoss befindlichen und später überschwemmten Küche in höher gelegene Räume gebracht hätten.
4. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei schließlich nicht wegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen. Eine Haftung der Streithelferin wegen des Überschwemmungsschadens nach §§ 836 ff. BGB bestehe nicht. Fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung des Wehrs oder des Westdamms der Wertach in einem Bereich, für den die Streithelferin unterhaltungspflichtig gewesen sei, lasse sich nicht feststellen. Ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 31 BayWG sei gleichfalls nicht gegeben. Die Verpflichtung des Unternehmers nach Art. 31 BayWG, eine festgesetzte Stauhöhe einzuhalten, sei zwar ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. An dem Ansteigen des Wasserspiegels auf Grund der Verklausung und dem nachfolgenden Bruch des Westdamms treffe die Streithelferin jedoch kein Verschulden. Nachbarrechtliche Ansprüche nach § 906 BGB schieden schon deshalb aus, weil Überschwemmungen hiervon nicht erfasst würden. Im Übrigen könne man angesichts der großen Entfernung auch nicht von einem Nachbarschaftsverhältnis sprechen.
III.
Anschlussrevision der Kläger
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Anschlussrevision jedenfalls im Ergebnis stand.
1. Soweit es um der Beklagten obliegende Schutzmaßnahmen gegen einen Bruch des Deiches geht, sind Rechtsfehler nicht ersichtlich. Die Anschlussrevision wendet sich mit Verfahrensrügen gegen die Annahme des Berufungsgerichts und die zu Grunde liegenden Feststellungen, die Beklagte habe aus tatsächlichen Gründen nicht schweres Gerät zur Verhinderung oder Beseitigung der Verklausung einsetzen müssen. Diese Rügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO). Auf die Frage, welche rechtlichen Maßstäbe dabei an die Bemühungen zur Abwehr der Überschwemmung anzulegen wären, kommt es nicht an.
2. Im Ergebnis vergeblich bekämpft die Anschlussrevision auch die Auffassung des Berufungsgerichts, eine konkrete Warnung der Einwohner von P. habe nicht vor dem Dammbruch erfolgen müssen.
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr für verpflichtet gehalten, die von dem Hochwasser bedrohte Bevölkerung vor der Überflutung zu warnen (BGH, Urt. v. 27.1.1994 - III ZR 109/92, MDR 1994, 776 = VersR 1994, 935 [937]; Beschl. v. 12.7.1990 - III ZR 167/88, BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 1 - Gemeinde 2; Beschl. v. 26.9.1991 - III ZR 330/89, BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 1 - Hochwasserschutz 3). Solche Warnungen obliegen in Bayern - unabhängig von den Verpflichtungen erfahrungsgemäß durch Überschwemmungen bedrohter Gemeinden nach Art. 66 Abs. 2 BayWG - als Teil des Katastrophenschutzes (Schulz, BayKSG, Art. 3 Anm. 3, Art. 6 Anm. 1.2) jedenfalls auch den Kreisverwaltungsbehörden (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 BayKSG), hier also gemäß Art. 9 Abs. 1 BayGO der Beklagten als kreisfreier Stadt. Eine Haftung des Freistaats Bayern wie bei der Ausführung rein staatlicher Aufgaben durch die Landkreise (Art. 35 Abs. 3, Art. 37 Abs. 5 BayLKO) tritt in diesem Fall nicht ein. Nach der Rechtsprechung des Senats dient der Katastrophen- und Hochwasserschutz nicht nur dem Interesse der Allgemeinheit, sondern zugleich den Belangen der von den Auswirkungen einer Überflutung möglicherweise Betroffenen; Amtspflichten dieser Art sind daher drittbezogen (BGHZ 54, 165 [170]; BGH v. 18.2.1999 - III ZR 272/96, BGHZ 140, 380 [388]; Urt. v. 27.1.1994 - III ZR 109/92, MDR 1994, 776 = VersR 1994, 935 [937]).
b) Für die Bestimmung des Alarmierungszeitpunkts hat sich das OLG von dem Gedanken leiten lassen, drastische Warnungen könnten zu Panikerscheinungen, Verkehrschaos und Unfällen führen und überzogene Warnungen eine Gewöhnung der Bevölkerung zur Folge haben. Es hat deshalb in Anlehnung an die Ausführungen des Sachverständigen eine Warnpflicht hier erst für den Augenblick bejaht, in dem erkennbar geworden sei, dass sich der Damm nicht mehr halten lasse.
Das ist zu eng und lässt, wie der Anschlussrevision zuzugeben ist, die konkrete Gefährdung der Anwohner und die ihnen bei dem späteren Eintritt der Überschwemmung aus einer Verzögerung der Meldung drohenden, regelmäßig weit größeren Personen- und Sachschäden außer Acht. Eine Amtspflicht zur Warnung der gefährdeten Bevölkerung muss deshalb auch unter Berücksichtigung eines der Behörde zustehenden Beurteilungs- oder Ermessensspielraums bei einer am Maßstab der jeweiligen Gefahrenpotenziale orientierten Abwägung spätestens dann eintreten, wenn zwar noch Chancen für eine Rettung des Deiches bestehen, die Wahrscheinlichkeit eines Dammbruchs aber aus der Sicht des Einsatzleiters vor Ort schon deutlich überwiegt und sich deswegen Zweifel an einer Beherrschung der Lage aufdrängen müssen.
Unter diesem Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht den Parteivortrag und die Beweisergebnisse nicht geprüft. Eine Aufhebung des angefochtenen Urteils aus diesem Grunde und eine Zurückverweisung der Sache zu weiteren Feststellungen ist dennoch nicht geboten. Unabhängig von der Frage, ob sich ein derart vorgelagerter Zeitpunkt nach den tatsächlichen Verhältnissen des Streitfalls überhaupt zuverlässig bestimmen lässt, hat das Berufungsgericht nämlich als mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht - wenn auch von einer etwas abweichenden Rechtsauffassung her - den Standpunkt der Einsatzkräfte, abzuwarten, bis die Situation für sie nicht mehr beherrschbar geworden war, als amtspflichtgemäß gebilligt. Unter solchen Umständen trifft die Beamten indes grundsätzlich kein Verschulden (st.Rspr.; BGH, Urt. v. 6.2.1986 - III ZR 109/84, BGHZ 97, 97 [107] = MDR 1986, 735; Urt. v. 14.3.2002 - III ZR 302/00, BGHZ 150, 172 [184] = BGHReport 2002, 454 = GesR 2002, 62). Es besteht kein Anlass, im Streitfall von dieser Richtlinie abzugehen. Verfahrensfehler sind entgegen der Anschlussrevision auch insoweit nicht ersichtlich (§ 564 ZPO).
IV.
Revision der Beklagten
1. Das Rechtsmittel der Beklagten ist demgegenüber begründet. Die Revision nimmt zwar zutreffend hin, dass das Berufungsgericht die Beklagte für verpflichtet gehalten hat, die gefährdeten Anwohner nach dem Bruch des Westdamms zu warnen (oben III 2a). Sie bekämpft jedoch mit Erfolg die Auffassung des OLG, dies habe erkennbar auch für den Stadtteil P. gegolten.
Das Berufungsgericht hat gemeint, die Tatsache, dass die Verantwortlichen der Beklagten über kein geeignetes Kartenmaterial für eine Abschätzung, wohin die Wassermassen fließen würden, verfügten, entschuldige die Beklagte nicht. Erst recht beseitige sie nicht die Vorhersehbarkeit einer Überflutung von P. im Falle eines Dammbruchs, zumal das Wasser schon beim Hochwasser von 1965 denselben Weg genommen habe. In Ziff. 4.4.2 VBHNDV werde u.a. die Verpflichtung der Gemeinden geregelt, Kartenmaterial über die Überschwemmungsbereiche größerer Hochwässer vorzuhalten. Allenfalls habe bei fehlenden Erfahrungswerten der beteiligten Einsatzkräfte zur Abgrenzung des möglicherweise von der Flutwelle betroffenen Gebiets Anlass zu besonderer Vorsicht bestanden.
Diese Erwägungen tragen auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen die angefochtene Entscheidung nicht. Eine Pflicht der Beklagten, entsprechendes Kartenmaterial zu erarbeiten und es im Katastrophenfall den Einsatzkräften zur Verfügung zu stellen, ergibt sich bislang weder allgemein aus der Bayerischen Verordnung über den Hochwassernachrichtendienst noch im Einzelnen aus Nr. 4.4.2 der ausführenden Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über den Vollzug dieser Verordnung. Allerdings haben nach § 7 und § 8 Nr. 2 HNDV die Gemeinden, soweit sie Empfänger von Hochwassernachrichten sind, einen eigenen Meldeplan aufzustellen. Dieser Meldeplan umfasst gemäß Nr. 4.4.2 VBHNDV auch einen Lageplan, in den die Überschwemmungsgebiete größerer Hochwässer einzutragen sind. Das setzt aber voraus, dass Überflutungen infolge Hochwassers in einem bestimmten Gebiet regelmäßig zu erwarten sind, wie auch der nachfolgende Hinweis in dieser Bestimmung auf die förmlich festgesetzte Überschwemmungsgrenze deutlich macht. A. gehört jedoch nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt gerade nicht zu den typischerweise von Hochwasser betroffenen Gemeinden.
Andere Rechtsgründe für eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten sind nach dem für die Revisionsinstanz maßgebenden Sachverhalt nicht ersichtlich, zumal den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. zufolge aufwändige Risikountersuchungen bis dahin nur bei Großanlagen wie Stauanlagen üblich waren. Allein der Umstand, dass das Hochwasser von 1965 bereits denselben Weg genommen hatte, begründet ohne zusätzliche tatsächliche Feststellungen eine Vorhersehbarkeit des Überschwemmungsgebiets für die Beklagte ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht hat sich weder tatrichterlich damit befasst, ob die Beklagte im Stadtteil P. seinerzeit mit weiteren Überschwemmungen rechnen musste und deswegen auch aus einer Sicht ex ante eine Dokumentation der damaligen Überflutung geboten war, noch aufgeklärt, inwieweit bei der Beklagten etwa vorhandene Unterlagen im Schadensfalle noch aussagekräftig gewesen wären. Dabei wäre außer den vom LG herangezogenen Umständen (tiefe Lage des Stadtteils, Nähe zum Flussbett, anzunehmende nördliche Fließrichtung des Wassers) auf der anderen Seite auch zu berücksichtigen, dass insoweit - wie die Revision mit Recht rügt - die Oberflächenverhältnisse wegen der Errichtung eines Damms für die Bundesstraße 17 verändert worden waren. Eine Verpflichtung der Beklagten, mangels hinreichender Erkenntnisse über die Fließrichtung des Wassers ohne jeden Anhalt in weitem Umkreis alle wertachnahen Stadtteile zu warnen, würde die Amtspflichten der beklagten Gemeinde überspannen.
Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil nach alledem nicht bestehen bleiben.
2. Die Sache ist nicht aus anderen Gründen im Sinne einer Klageabweisung zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Schadensersatzansprüche der Kläger gegen die Streithelferin als anderweitige Ersatzmöglichkeit i.S.d. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB kommen entgegen der Revision nicht in Betracht. Dabei mag dahinstehen, inwieweit solche Ansprüche bereits nach § 11 Abs. 1 WHG oder auf Grund des bei Erteilung der wasserrechtlichen Benutzungserlaubnis für die Rechtsvorgängerin der Streithelferin im Jahre 1883 geltenden bayerischen Rechts ausgeschlossen wären (BGH, Urt. v. 15.3.2001 - III ZR 154/00, BGHZ 147, 125 [130 f.] = BGHReport 2001, 520).
Für eine Haftung der Streithelferin aus § 823 BGB oder nach §§ 836 ff. BGB wegen mangelhafter Errichtung oder Unterhaltung der Wehranlage fehlt es an entsprechenden tatrichterlichen Feststellungen; insoweit greift die Revision das Berufungsurteil auch nicht an. Hinsichtlich der nach Art. 31 BayWG bestehenden Verpflichtung der Streithelferin zur Einhaltung einer bestimmten Stauhöhe hat das Berufungsgericht in rechtsfehlerfreier Würdigung ein Verschulden der Betreiberin verneint (§ 823 Abs. 2 BGB). Eine Gefährdungshaftung nach § 2 Abs. 1 HPflG, auf die die Revision verweist, liegt fern. Der von der Stauanlage abzweigende und wieder in die Wertach zurückführende Triebwerkskanal ist weder eine Rohrleitungsanlage noch eine Anlage zur Abgabe von Flüssigkeiten. Ein Vergleich mit einem Hausanschluss an die gemeindliche Abwasserkanalisation (OLG Zweibrücken BADK-Inf. 1984, 10; Filthaut, HPflG, 6. Aufl., § 2 Rz. 12) verbietet sich. Auch für eine Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist bei einer solchen Sachlage kein Raum. Der BGH hat zwar mit wild abfließendem Niederschlagswasser abgeschwemmte Unkrautvernichtungsmittel als "ähnliche Einwirkung" i.S.d. § 906 Abs. 1 BGB gewertet (BGH v. 2.3.1984 - V ZR 54/83, BGHZ 90, 255 [258 f.] = MDR 1984, 745; BGHZ 155, 99 - zur Überschwemmung eines Nachbargrundstücks wegen des Bruchs einer Wasserversorgungsleitung). Der durch natürliche Vorgänge bewirkte Wasserabfluss selbst fällt jedoch nicht in den Regelungsbereich des § 906 BGB, zumal insoweit die wasserrechtlichen Bestimmungen eingreifen (BGH v. 2.3.1984 - V ZR 54/83, BGHZ 90, 255 [258 f.]; ebenso OLG Celle v. 26.6.2000 - 4 U 26/00, OLGReport Celle 2000, 275 [276]; Soergel/J.F. Baur, BGB, 13. Aufl., § 906 Rz. 114; s.a. BGHZ 29, 314 [316]). Umso mehr gilt dies - von der zweifelhaften Störereigenschaft des Gewässereigentümers oder -benutzers in solchen Fällen ganz abgesehen - für großflächige Überschwemmungen infolge des Hochwassers von Flüssen, auf die die nachbarrechtlichen Vorschriften nicht zugeschnitten sind und für die das Gesetz aus gutem Grund auch keine verschuldensunabhängige Haftung kennt.
V.
Demnach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für den Fall, dass das OLG wiederum dem Grunde nach zu einer Haftung der Beklagten gelangt, weist der Senat auf Folgendes hin:
Von Rechtsfehlern beeinflusst sind auch die Ausführungen zum Umfang des zu leistenden Schadensersatzes. Es geht dabei nicht nur um eine im Urteil über den Grund des Anspruchs nach § 304 ZPO unzulässige Entscheidung über die Höhe der Forderung (BGHZ 10, 361 [362]), sondern im Ansatz um die haftungsbegründende Kausalität und somit um die bereits im Grundurteil zu klärende Frage, ob überhaupt den Klägern ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Dazu genügt es, dass mit Wahrscheinlichkeit der Klageanspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urt. v. 2.10.2000 - II ZR 54/99, NJW 2001, 224 [225]; Urt. v. 12.2.2003 - XII ZR 324/98, MDR 2003, 769 = BGHReport 2003, 694 = WM 2003, 1919 [1921]). Hiervon kann indessen nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht ausgegangen werden.
1. Soweit es um Gegenstände geht, die die Kläger im Keller ihres Hauses und in dem eine halbe Etage unter der Küche gelegenen Hobbykeller aufbewahrt hatten, hat sich das Berufungsgericht überzeugt gesehen, dass die Kläger trotz der gebotenen Warnung vor einem Betreten der Kellerräume zumindest einige leicht transportable Gegenstände wie Elektrowerkzeuge und CDs in höhere Räume verbracht hätten. Beim Hobbykeller habe sich das individuelle Risiko für die Kläger als beherrschbar dargestellt. Auch vom Schutzzweck der Hochwasserwarnung seien derartige materielle Schäden umfasst.
Das rügt die Revision mit Recht als rechtsirrig. Nach der Rechtsprechung des Senats muss neben der Feststellung, dass der Geschädigte zum Kreis der geschützten Dritten gehört, die weitere Prüfung treten, ob gerade der geltend gemachte Schaden in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht fällt (BGH v. 10.3.1994 - III ZR 9/93, BGHZ 125, 258 [268 ff.] = MDR 1994, 583; Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb., § 839 Rz. 174). Im Streitfall betrifft das vorrangig Gesundheitsschäden, die sich aus Unkenntnis der Gefahr durch das Betreten unter der Erdoberfläche liegender Räume ergeben konnten. Die von den Klägern dagegen geltend gemachten Beschädigungen an in den Kellerräumen befindlichen Einrichtungsgegenständen hätten sich allenfalls dann vermeiden lassen, wenn die Kläger sich über den vom Berufungsgericht verlangten Inhalt der Warnung hinweggesetzt hätten. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass es den Sinn einer solchen Warnung in ihr Gegenteil verkehren würde, wollte man auch deren Missachtung in ihren Schutzbereich einbeziehen. Dem lässt sich auch nicht mit dem Berufungsgericht entgegenhalten, die Vermeidung materieller Schäden gehöre allgemein zum Zweck einer Hochwasserwarnung, und die Warnung vor einem Betreten des Kellers solle nur Personenschäden vermeiden. Um solche allgemeinen Warnungen geht es hier nicht. Eine eingeschränkte Zielrichtung des Warnhinweises verengt aber notwendig auch dessen daran anknüpfenden Schutzzweck.
2. Vom Schutz der Verpflichtung zur Erteilung von Warnhinweisen können demnach allenfalls die im Erdgeschoss des Hauses verwahrten transportablen Gegenstände umfasst sein. Insofern hat das Berufungsgericht allerdings lediglich festgestellt, es sei möglich, dass die Kläger zumindest einige kleinere Haushaltsgegenstände aus der Küche in höher gelegene Räume transportiert hätten. Das genügt weder prozessual zum Erlass eines Grundurteils noch materiellrechtlich zur Begründung eines Amtshaftungsanspruchs. Besteht die Amtspflichtverletzung - wie hier - in einem Unterlassen, so kann ein Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden grundsätzlich nur bejaht werden, wenn der Schadenseintritt bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre; die bloße Möglichkeit, ebenso eine gewisse Wahrscheinlichkeit, genügt nicht (BGH, Urt. v. 27.1.1994 - III ZR 109/92, MDR 1994, 776 = VersR 1994, 935 [937], m.w.N.; Urt. v. 21.10.2004 - III ZR 254/03). Beweiserleichterungen zu Gunsten des Geschädigten, falls die Amtspflichtverletzung und der nachfolgende Schaden feststehen, kommen nur dann in Betracht, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht (BGH, Urt. v. 3.3.1983 - III ZR 34/82, MDR 1983, 827 = NJW 1983, 2241 [2242]; v. 21.10.2004 - III ZR 254/03; Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb., § 839 Rz. 418). Auch in dieser Hinsicht hat das Berufungsgericht bisher nichts festgestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 1276683 |
BGHR 2005, 372 |