Kindergeld: Wie eine Erkrankung den Anspruch beeinflusst
Kindergarten, Schule und danach Ausbildung oder Studium. So sieht der Lebensweg der meisten Menschen aus, bevor sie schließlich ins Berufsleben starten. Doch nicht immer läuft die Entwicklung in den üblichen Bahnen. Bei manchem verläuft die Suche nach einem Ausbildungsplatz anders als gewünscht. Andere werden durch Krankheit daran gehindert, die ersten Schritte in den Beruf zu gehen. Als wäre dies allein nicht schon belastend für die betroffenen Familien, ergeben sich daraus oft auch finanzielle Konsequenzen. Denn Eltern von volljährigen Kindern erhalten Kindergeld nur dann, wenn der Nachwuchs sich in Ausbildung oder Studium befindet.
Wenn Krankheit die Ausbildung verhindert
Wie sehr es beim Anspruch auf Kindergeld auf Details ankommt, musste eine Familie erfahren, deren Sohn sich in einer Therapie gegen seine Drogen-Abhängigkeit befand. Nach gut 2 Jahren hatte sich sein Zustand so weit verbessert, dass er ein Praktikum absolvieren konnte. Im Folgemonat beantragte sein Vater Kindergeld, dass auch rückwirkend über beinahe den gesamten Therapie-Zeitraum gezahlt werden sollte. Dabei legte er neben Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch eine Erklärung des noch nicht 25-jährigen Sohnes vor, dass er sich um einen Ausbildungsplatz bewerben wolle. Die ärztlichen Bescheinigungen belegten die Erkrankung für die letzten 11 Monate und wiesen darauf hin, dass ihr Ende erst mit Jahresablauf vorauszusehen war.
Für den Zeitraum bis zum Beginn des Praktikums lehnte die Familienkasse die rückwirkende Zahlung von Kindergeld jedoch ab. Dieser Entscheidung widersprachen im Anschluss aber die Richter am Finanzgericht Hamburg. Sie stuften den Sohn als Kind ein, das seine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen konnte. Dabei wiesen sie darauf hin, dass Kindergeld gezahlt werde, wenn Kinder ihre Ausbildung wegen einer Erkrankung nicht fortsetzen könnten. Nach ihrer Meinung müsste dies genauso gelten, wenn eine Krankheit den Nachwuchs bereits am Beginn einer Berufsausbildung hindert.
Auf die Gründe für die fehlende Ausbildungsstelle kommt es an
Anders sahen dies in der anschließenden Revision jedoch die Richter am Bundesfinanzhof (BFH Urteil vom 12.11.2020, AZ: III R 49/18). Tatsächlich werden beim Kindergeld auch Kinder berücksichtigt, die ihre Ausbildung wegen einer fehlenden Ausbildungsstelle nicht beginnen konnten. Voraussetzung ist jedoch, dass keine anderen Gründe den Start ins Berufsleben verhindern. Liegt die Ursache bei Sohn oder Tochter selbst, gilt dies als Ausschlusskriterium für den Erhalt von Kindergeld. Dies ist zum Beispiel auch dann der Fall, wenn ein Kind die Bedingungen zur Aufnahme eines gewünschten Studiums nicht erfüllt.
Nimmt der Nachwuchs die Ausbildung wegen einer Erkrankung nicht auf, kann eine Familie nur in Ausnahmefällen Kindergeld erhalten. Entscheidend ist dabei, dass ein Ende der Krankheit absehbar ist. Welche Frist der Bundesfinanzhof dabei als akzeptabel ansieht, haben die Richter offengelassen. Allerdings haben sie zum Vergleich auf den im Mutterschutzgesetz genannten Zeitraum von 14 Wochen verwiesen.
Mögliche Berücksichtigung als behindertes Kind
Da ein erfolgreicher Abschluss der Therapie im vorliegenden Fall nach Einschätzung der behandelnden Ärzte und Psychologen noch nicht absehbar war, bestand zunächst kein Anspruch auf Kindergeld mit Blick auf eine künftige Ausbildung. Als grundsätzlich denkbar erkannten die Richter am Bundesfinanzhof jedoch die Möglichkeit, dass der Sohn als behindertes Kind zu werten war. Um dies abschließend zu prüfen, verwiesen sie den Fall an das Finanzgericht Hamburg zurück.
Praxistipp: Kindergeld bei Kindern mit Behinderung
Bei Kindern, die wegen einer Behinderung nicht selbst für sich sorgen können, haben die Familien auch nach deren Vollendung des 25. Lebensjahres Anspruch auf Kindergeld. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ursache körperlicher, seelischer oder geistiger Natur ist. Auch Suchtkrankheiten wie Alkoholismus oder Drogenmissbrauch können zu einer Behinderung führen. Akute Krankheiten mit abschätzbarer Dauer zählen jedoch nicht dazu.
Voraussetzung ist, dass die Behinderung bereits vor dem 25. Lebensjahr aufgetreten ist. Entscheidend ist dabei, dass das Kind nicht in der Lage ist, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Angenommen wird dies in der Regel bei einem Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent. Außerdem sollte die Beeinträchtigung länger als 6 Monate anhalten. Als Beleg dient eine Bescheinigung oder ein ärztliches Gutachten. Ob die Kriterien erfüllt werden, wird grundsätzlich jährlich überprüft.
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