Warum der Fiskus bei der Entschädigung im Rahmen einer Enteignung das Nachsehen hat
Strenge Anforderungen an Enteignung und finanzielle Entschädigung an bisherigen Eigentümer
Eine bekannte Redensart sagt: „Manchmal kommt es anders, als man denkt.“ Ganz sicher gilt das für Eigentümer, wenn es um die Enteignung ihres Grundstücks geht. Zwar sind die Anforderungen streng, nach denen der Staat oder Städte und Gemeinden zu dieser Maßnahme greifen können – doch mitunter lässt sich dieser Schritt nicht vermeiden. Die Hintergründe einer Enteignung sind vielschichtig. Sicher ist aber: Geht der Besitz auf die öffentliche Hand über, steht dem bisherigen Eigentümer als Ausgleich eine finanzielle Entschädigung zu.
Enteignung vor Ablauf der 10-jährigen Haltefrist eines Grundstücks
In einem Fall, in dem zuletzt der Bundesfinanzhof (BFH) entschied (BFH Urteil vom 23.07.2019 - IX R 28/18), hatte eine Entschädigung in Höhe von 600.000 EUR Begehrlichkeiten beim zuständigen Finanzamt geweckt. Denn die Enteignung traf den Grundstückeigentümer vor Ablauf der 10-jährigen Haltefrist. Nachdem er bereits lange Zeit vorher eine Hälfte des betroffenen Grundstücks erworben hatte, kaufte er erst 3 Jahre vor der Enteignungsmaßnahme auch den übrigen Teil. Dies führte dazu, dass das Finanzamt für die Jahre, in denen die Entschädigungszahlungen flossen, einen Veräußerungsgewinn beim ehemaligen Eigentümer berücksichtigte.
Bereits das Finanzgericht Münster teilte jedoch die Ansicht des Enteigneten. Nach seinem Urteil handelt es sich nicht um ein privates Veräußerungsgeschäft, wenn der Eigentumswechsel aufgrund eines staatlichen Hoheitsakts und nicht auf Betreiben des Grundstückeigentümers geschieht. Diese Entscheidung bestätigte nun auch der BFH und wies die Revision des beklagten Finanzamts zurück.
Auf den Wortlaut des Gesetzes kommt es an
In seiner Begründung verwies das oberste deutsche Finanzgericht ausdrücklich auf die Bedeutung der im Gesetz verwendeten Begriffe. Steuerpflichtig wird ein Veräußerungserlös demnach nur, wenn der Verkäufer wirtschaftlich tätig geworden ist. Dies setzt bei einem Grundstücksverkauf aber unbedingt den Willen des bisherigen Eigentümers voraus. Gerade dieser Wille ist bei einer Enteignung jedoch im Normalfall nicht vorhanden. Stattdessen erfolgt der Eigentumswechsel unter Zwang.
Verkauf bei drohender oder bevorstehender Enteignung
Verkauft ein Eigentümer auf den berühmten „letzten Drücker“, fehlt in aller Regel auch der freie Wille bei der Entscheidung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn bereits sicher ist, dass von Seiten des Staates, der Stadt oder einer Gemeinde die Enteignung droht oder sogar unmittelbar bevorsteht. Nach Meinung des BFH ist diese Situation daher genauso zu behandeln, wie die tatsächliche Enteignung.
Praxis-Tipp: Was tun, wenn es zur Enteignung kommen kann
Wichtig zu wissen ist für Betroffene, dass eine Enteignung nicht ohne weiteres zulässig ist. Das gilt auch dann, wenn eine tatsächlich zulässige Enteignung in ihrem Ausmaß oder Umfang willkürlich ausgedehnt werden soll. Denn das Eigentum ist in Deutschland durch das Grundgesetz geschützt. Voraussetzung für eine Enteignung ist daher, dass sie im Interesse des Gemeinwohls liegt.
Ein Beispiel dafür sind Grundstücke, die nicht im Bereich eines Bebauungsplans aber innerhalb bebauter Ortsteile liegen und zur Schließung von Baulücken genutzt werden sollen. Im vorliegenden Fall hatte die Stadt nach einem Bodensondierungsverfahren einen entsprechenden Bescheid erlassen.
Betroffene sollten in jedem Fall prüfen, ob eine Enteignung in ihrem Fall zulässig ist. Ist das Grundstück weniger als 10 Jahre in ihrem Besitz, geht es außerdem darum, die Steuerpflicht zu klären. Dies gilt vor allem dann, wenn sie ihrer Enteignung durch vorzeitigen Verkauf zuvorkommen und dadurch den Erlös in die Höhe schrauben wollen. Je nach Zeitpunkt der Entscheidung stellt sich anderenfalls nämlich die Frage, inwiefern die Veräußerung vielleicht freiwillig erfolgte.
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