Zugangsvermutung gilt auch bei Lücken in der Postzustellung

Viele Menschen werden es noch kennen: Der Postzusteller kam täglich außer am Sonntag vorbei. Pünktlich zur gewohnten Uhrzeit fanden sie dann Briefe, Karten und Zeitschriften in ihrem Briefkasten. Längst sind viele dieser Sendungen von E-Mails verdrängt worden, die ihre Empfänger nur noch digital erreichen. Auch die Postdienstleister haben zum Teil die Zustellung an 6 Werktagen der Woche eingestellt und liefern nur noch an 5 Tagen aus. Zum Problem kann dies jedoch werden, wenn es bei bestimmten Schreiben auf Antwortfristen ankommt.
Einhalten der Einspruchsfrist bei Post vom Finanzamt
Wie wichtig die Kenntnis des konkreten Zustelltags sein kann, zeigt ein Fall, über den der Bundesfinanzhof ( BFH, Urteil v. 20.2.2025, VI R 18/22) zuletzt entschieden hat. Dabei ging es um die Frage, ob die Steuerberaterin einer Frau die Frist für den Einspruch gegen den erhaltenen Einkommensteuerbescheid eingehalten hatte. Diesen gab das zuständige Finanzamt am Freitag, den 15. Juni 2018 in die Post. Die Empfängerin nahm das Schreiben am darauffolgenden Dienstag aus ihrem Briefkasten und leitete ihn umgehend per Fax an ihre Beraterin weiter. Von dort ging am 19. Juli 2018 der Einspruch an das Finanzamt. Die Behörde wies diesen jedoch als unzulässig zurück, da er sie nach ihrer Einschätzung einen Tag zu spät erreicht hatte und die Einspruchsfrist abgelaufen war. Denn nach der gesetzliche Zugangsvermutung gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt 3 Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt.
Gegen die Entscheidung der Finanzbehörde klagte die Frau vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg. Dabei gab sie an, dass der zuständige Postdienstleister in ihrem Wohngebiet nur an höchstens 5 Tagen in der Woche Post ausliefert. Vor diesem Hintergrund kamen die Richter zu dem Schluss, dass die Dreitagesfrist der Zugangsvermutung in diesem Fall nicht anwendbar war. Da das Finanzamt die frühere Zustellung nicht belegen konnte, nahm das Gericht als Termin der Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids den 19. Juni 2018 an. Demnach wäre der Einspruch der Steuerberaterin fristgerecht erfolgt.
Zugangsvermutung nur durch begründete Zweifel widerlegbar
Anders als die Vorinstanz bewertete der Bundesfinanzhof den Fall jedoch in der anschließenden Revision. Dabei wiesen die Richter darauf hin, dass sich die Zugangsvermutung nur dann widerlegen lässt, wenn konkrete Tatsachen dafürsprechen. Der Hinweis auf die Zustellgewohnheiten des Postdienstleisters vor Ort alleine reicht nicht aus, um Zweifel am Dreitageszeitraum zu begründen. Dies gilt selbst dann, wenn die Auslieferung grundsätzlich nicht an allen Werktagen erfolgt und sogar ein Wochenende eingeschlossen ist.
Erschwerend kam hinzu, dass die Frau bis zum fraglichen Montag beruflich abwesend war. In dieser Zeit hatte sie ihre Mutter und eine Freundin damit beauftragt, ihren Briefkasten zu leeren. Entsprechend hätte sie in ihrer Klage vorbringen können, dass beide den Brief des Finanzamts nach einer erfolgten Zustellung am Montag nicht in der Post vorgefunden hatten. Dies gilt umso mehr, da sie selbst den Zugang aufgrund ihrer Abwesenheit nicht ausschließen konnte. Als Auslöser für begründete Zweifel an der Zustellvermutung hätte der Verweis auf die beauftragten Personen jedoch gereicht.
Nachweispflicht des Briefzugangs
Das Gesetz sieht vor, dass die zuständige Behörde sowohl den Zugang eines Verwaltungsaktes als auch dessen Zeitpunkt nachweisen muss. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ein Empfänger Tatsachen vorbringt, die die Zustellung überhaupt oder den Zugang in angemessener Frist zweifelhaft erscheinen lassen. Ausdrücklich wiesen die Richter in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass dies nicht zu einer Umkehrung der Beweislast führen darf.
Praxis-Tipp: Viertagesfrist ersetzt Dreitagesfrist
Ab dem Jahr 2025 gilt für die Zugangsvermutung von Einkommensteuerbescheiden und anderen Verwaltungsakten statt der Drei- eine Viertagesfrist. Grund dafür ist das im Juni 2024 verabschiedete Postmodernisierungsgesetz. Endet die Frist an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebt sich ihr Ablauf auf den Ablauf des nächsten Werktages.
Die veränderten Fristen haben allerdings keinen Einfluss auf die übrigen Feststellungen des Bundesfinanzhofs. Das heißt, zur Berechnung von Einspruchsfristen gilt grundsätzlich jetzt die Viertagesfrist. Erfolgt der Zugang später, müssen Steuerpflichtige konkrete Belege vorlegen oder schlüssige Tatsachen benennen, die Zweifel an der fristgerechten Zustellung wecken.
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