Dipl.-Kfm. Ingo Harre, Dipl.-Ök. Kevin Lukat
Tz. 43
§ 306 Latente Steuern
Führen Maßnahmen, die nach den Vorschriften dieses Titels durchgeführt worden sind, zu Differenzen zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen der Vermögensgegenstände, Schulden oder Rechnungsabgrenzungsposten und deren steuerlichen Wertansätzen und bauen sich diese Differenzen in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich wieder ab, so ist eine sich insgesamt ergebende Steuerbelastung als passive latente Steuern und eine sich insgesamt ergebende Steuerentlastung als aktive latente Steuern in der Konzernbilanz anzusetzen. Die sich ergebende Steuerbe- und die sich ergebende Steuerentlastung können auch unverrechnet angesetzt werden. Differenzen aus dem erstmaligen Ansatz eines nach § 301 Abs. 3 verbleibenden Unterschiedsbetrages bleiben unberücksichtigt. Das Gleiche gilt für Differenzen, die sich zwischen dem steuerlichen Wertansatz einer Beteiligung an einem Tochterunternehmen, assoziierten Unternehmen oder einem Gemeinschaftsunternehmen im Sinn des § 310 Abs. 1 und dem handelsrechtlichen Wertansatz des im Konzernabschluss angesetzten Nettovermögens ergeben. § 274 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Die Posten dürfen mit den Posten nach § 274 zusammengefasst werden.
1. Einleitung
a) Überblick
Tz. 44
Die Steuerabgrenzung im Konzernabschluss setzt sich zusammen aus
- den sich nach § 274 HGB ergebenden latenten Steuern, welche aufgrund von § 298 Abs. 1 HGB im Konzernabschluss zu berücksichtigen sind und
- weiteren nach § 306 HGB zu bilanzierenden latenten Steuern auf bestimmte Konsolidierungsmaßnahmen (vgl. Tz. 50 ff.).
Bezüglich des Wesens und der Methoden der Steuerabgrenzung und weiterer Grundlagen vgl. Tz. 2–7.
Während nach § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB ein Ansatzwahlrecht für sich insgesamt ergebende aktive latente Steuern existiert, besteht nach § 306 Satz 1 HGB sowohl eine Ansatzpflicht für aktive als auch für passive latente Steuern auf Konsolidierungsmaßnahmen (vgl. Tz. 50).
Tz. 45
Die Ermittlung der latenten Steuern im HGB Konzernabschluss erfolgt im Rahmen eines dreistufigen Prozesses:
Die sich im Rahmen der Stufe 1 auf Ebene der nationalen Jahresabschlüsse (sog. Handelsbilanz I) ergebenden latenten Steuern werden übernommen. Auf Stufe 2 werden die nach nationalen Rechnungslegungsvorschriften aufgestellten Jahresabschlüsse auf die handelsrechtlichen Vorschriften des HGB übergeleitet (sog. Handelsbilanz II), was den Ansatz weiterer latenter Steuern zur Folge hat. Für die sich auf den Stufen 1 und 2 ergebenden latenten Steuern besteht nach den § 274 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 298 Abs. 1 HGB das Ansatzwahlrecht (vgl. Tz. 19), welches – unabhängig von der Behandlung in den jeweiligen Jahresabschlüssen – auf Ebene des Konzernabschlusses nach § 300 Abs. 2 HGB "neu" ausgeübt werden kann; allerdings hat die Wahlrechtsausübung über alle einzubeziehenden Jahresabschlüsse einheitlich zu erfolgen und unterliegt nach § 298 Abs. 1 i. V. m. § 246 Abs. 3 HGB der Ansatzstetigkeit. Sich im Zusammenhang mit der Anpassung an die konzerneinheitlichen Bilanzierungsmethoden (§ 300 Abs. 2 HGB, Vereinheitlichung des Ansatzes) und Bewertungsmethoden (§ 308 HGB) ergebenden latenten Steuern gehören ebenfalls zur Stufe 2 und damit zum Anwendungsbereich nach § 274 HGB. Anzumerken ist, dass die sich im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung des Ansatzes (§ 300 Abs. 2 HGB) ergebenden latenten Steuern aufgrund der Gesetzessystematik eigentlich in den Anwendungsbereich des § 306 HGB fallen; jedoch hält weder die h. M. in der Literatur noch das DRSC dies für sachgerecht (DRS 18.14 S. 2). Auf der 3. Stufe werden nach § 306 HGB latente Steuern auf Konsolidierungsmaßnahmen der §§ 300 bis 305, 310 und 312 HGB bilanziert (DRS 18.14 S. 1).
b) Entstehungsgeschichte
Tz. 46
Die in § 306 HGB enthaltenen Vorgaben bilden die Grundlage zur Bilanzierung latenter Steuern im Konzernabschluss und ergänzen die Vorgaben des § 274 HGB. Durch das BilMoG vom 25.5.2009 wurden die Vorgaben des § 306 HGB überarbeitet.
In Verbindung mit den §§ 274 und 306 HGB ergänzt DRS 18 die Bilanzierung latenter Steuern im Konzernabschluss und ist für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2010 beginnen. Der durch das BilMoG neu gefasste DRS 18 ersetzt DRS 10, der letztmalig auf Geschäftsjahre anzuwenden war, die vor dem 1.1.2010 begannen.
c) Geltungsbereich
aa) Sachlicher Geltungsbereich
Tz. 47
Die Vorgaben des § 306 HGB befinden sich im 2. Unterabschnitt – Konzernabschluss und Konzernlagebericht – des HGB und sind für alle Mutterunternehmen anzuwenden, die einen Konzernabschluss nach § 290 HGB aufstellen. Die Vorgaben beziehen sich somit auf temporäre Differenzen auf Basis von Buchwertunterschieden zwischen Konzern- und Steuerbilanz, die aus Konsolidierungsmaßnahmen resultieren (vgl. Tz. 51 ff.).
bb) Zeitlicher Geltungsbereich
Tz. 48
Der durch das BilMoG 2009 modifizierte § 306 HGB ist zwingend auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 begonnen haben (Art. 66 Abs. 3 Satz 1 EGHGB). Wahlweise war eine Anwendung bereits auf Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2008 begonn...