Tz. 2

Die Vorschriften über die Bilanzierung latenter Steuern ergänzen die Regelungen für die Erfassung laufender Steueraufwendungen und -erträge nach HGB. Die Konzepte für die Bilanzierung latenter Steuern auf nationaler (§§ 274, 306 HGB) und internationaler Ebene (IAS 12 Income Taxes) entsprechen sich weitestgehend (vgl. Tz. 4). Hierzu haben nicht zuletzt die Reformen des BilMoG in 2009 beigetragen. Fraglich ist jedoch, ob bzw. inwieweit in strittigen Auslegungsfragen der HGB-Bilanzierung auf die Regelungen des IAS 12 zurückgegriffen werden kann.[1] Dies ist aufgrund der beschriebenen Nähe der Regelungen des § 274 HGB und IAS 12 – die auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht wurde – zu bejahen. Deshalb verweist diese Kommentierung zum Teil auf die Ausführungen zu den IFRS.

 

Tz. 3

Steuerlatenzen entstehen aufgrund von temporären Differenzen zwischen Handels- und Steuerbilanzansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden oder Rechnungsabgrenzungsposten. Ziel der Latenzierung ist die zutreffende Erfassung zukünftiger Steuerbe- oder -entlastungen und die Korrespondenz von handelsrechtlichem Ergebnis und ausgewiesenem Steueraufwand/-ertrag, d. h. eine zutreffende Darstellung der Vermögens- und Ertragslage. Zu diesem Zweck sind zusätzlich zu den sich in den Steuerveranlagungen ergebenden laufenden Steuerschulden/-forderungen auch zukünftige Steuerschulden und Steuererstattungen in Form von latenten Steuern zu berücksichtigen.

 

Tz. 4

In der Theorie zur Steuerabgrenzung wird unterschieden zwischen der

  • liability method mit dem bilanzorientierten temporary concept und der
  • deferral method mit dem GuV-orientierten timing concept .

Das dynamische timing concept verfolgt das Ziel, den in der GuV ausgewiesenen Steueraufwand dem Jahresergebnis „anzupassen” und berücksichtigt daher ausschließlich Differenzen, die auf ergebniswirksam erfasste Sachverhalte zurückzuführen sind. Bei diesem Konzept haben latente Steuern den Charakter von Rechnungsabgrenzungsposten.

Das statische temporary concept berücksichtigt Differenzen, die sowohl auf ergebniswirksame als auch ergebnisneutrale Sachverhalte zurückzuführen sind. Die zu bilanzierenden zukünftigen Steuerbe- und -entlastungen stellen Vermögensgegenstände bzw. Schulden dar.

Sowohl die IFRS (seit 1997) als auch das HGB (nach BilMoG) verfolgen ausschließlich das statische temporary concept.

 

Tz. 5

Innerhalb des temporary concept unterscheidet man zwischen

  • temporären Differenzen, d. h. sich im Zeitverlauf steuerwirksam auflösenden Buchwertunterschieden (temporary differences), und
  • permanenten Unterschieden (permanent differences), die sich im Zeitverlauf nicht steuerwirksam auflösen.

Temporary differences entstehen durch Abweichungen zwischen dem handelsrechtlichen Bilanzansatz eines Vermögensgegenstandes, Rechnungsabgrenzungspostens oder einer Schuld und ihren korrespondierenden steuerbilanziellen Werten. Die temporary difference ergibt sich somit aus dem handelsrechtlichen Buchwert abzgl. des Steuerbilanzwerts.

Wenn auch der Gesetzeswortlauf den Begriff der permanent differences nicht kennt, wird dieser in der Praxis häufig verwendet. Solche Differenzen ergeben sich bspw. durch

  • nichtabzugsfähige Betriebsausgaben,
  • Abschreibungen auf Beteiligungen an KapGes (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG),
  • gewerbesteuerliche Hinzurechnungen und Kürzungen (§§ 8, 9 GewStG),
  • steuerfreie Betriebseinnahmen,
  • Dividenden von Tochtergesellschaften, soweit steuerfrei,
  • (steuerfreie) Investitionszulagen.
 

Tz. 6

Auch quasi-permanente Differenzen gehören zu den temporary differences. Hierbei handelt es sich um Differenzen, die sich voraussichtlich erst nach sehr langer Zeit bzw. erst im Rahmen der Liquidation des Unternehmens umkehren werden (z. B. betriebsnotwendiger Grund und Boden sowie betriebsnotwendige Beteiligungen). Das temporary concept fordert – im Gegensatz zum timing concept – auch den Ansatz von latenten Steuern auf quasi-permanente Differenzen.

 

Tz. 7

Es ist zwischen abzugsfähigen und steuerpflichtigen temporären Differenzen zu unterscheiden:

Führt eine Abweichung zwischen einem handelsrechtlichen Bilanzansatz und dem korrespondierenden steuerlichen Wertansatz zu einem Mindervermögen in der Handelsbilanz, so handelt es sich um eine abzugsfähige temporäre Differenz, die eine aktive latente Steuer verursachen. Umgekehrt ergibt sich eine steuerpflichtige temporäre Differenz im Zusammenhang mit handelsrechtlichem Mehrvermögen, die zu einer passiven latenten Steuer führt.

[1] Für eine Diskussion Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 274 HGB Rn. 17 ff.

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